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Lexikon der Mathematik: Vieta (Viéte), François

Mathematiker und Jurist, geb. 1540 Fontenay-le-Comte (Vendée), gest. 23.2.1603 Paris.

Der Sohn eines Juristen und Kaufmanns wurde in der Klosterschule der Minoriten in seiner Heimatstadt ausgebildet, und studierte anschließend 1555 bis 1560 Rechtswissenschaften in Poitiers. Er beabsichtigte, eine juristische Universitätslaufbahn einzuschlagen. Nach Beendigung des Studiums wurde er jedoch Advokat in Fontenay-le-Comte, trat dann 1564 in die Dienste einer adligen Familie und unterrichtete deren hochbegabte Tochter. Ab 1566 lebte Vieta im Gefolge dieser Familie in La Rochelle. Ab 1570 war er in Paris als Rechtsanwalt tätig, 1573 wurde er zum Mitglied des Parlaments der Bretagne in Rennes ernannt. Ab 1580 wieder in Paris, wirkte er auch dort am Parlament und als Berater des Königs.

1584 wurde Vieta aus unbekannten politischen Gründen vom königlichen Hof verbannt. Im Jahre 1589 hob jedoch Heinrich III. (1551–1589) die Verbannung auf. Vieta arbeitete jetzt am Parlament in Tours und entzifferte die spanische Geheimkorrespondenz für König Heinrich IV. (1553–1610). 1594 konnte Vieta nach Paris zurückkehren, lebte später auch in Fontenay-le-Comte und schied 1599 aus Gesundheitsgründen aus dem Staatsdienst aus.

Vieta begann seine mathematische Schriftstellertätigkeit mit den „Principes de cosmographie... “ (veröffentlicht erst 1637). Darin behandelte er Probleme der Astronomie, Erdmessung und Geographie, ebenso wie in den „Principes de la sphere, de géographie et d’astronomie... “ (veröffentlicht 1661). Beginnend 1571 erschien dann sein berühmter „Canon mathematicus... “. Er enthielt trigonometrische Untersuchungen mit Tabellen für die sechs trigonometrischen Funktionen und die Lösung aller trigonometrischen Grundaufgaben für die Ebene und die Kugeloberfläche.

Den größten Einfluß auf die Entwicklung der Mathematik übte Vieta jedoch mit „In artem analyticem Isagoge” (1591) aus. Darin führte er Bezeichnungen für die bekannten Größen (B, C, D, …), die Unbekannten (A, E, I, O, U) und für deren Potenzen ein („logistica speciosa”). Für x2 schrieb er beispielsweise „A quadratum”, für x3 „A cubus”, usw. Er verwandte feste Zeichen für die mathematischen Operationen.

Vieta stellte sich als echter „Formalist” heraus. Er glaubte, mit seinem Kalkül alle mathematischen Probleme erfolgreich behandeln zu können, und wandte ihn auf Gleichungen und einzelne geometrische Probleme an. Ebenfalls aus dem Jahre 1591 stammte seine Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen den Koeffizienten und Wurzeln einer algebraischen Gleichung, der „Satz von Vieta”, den er selbst jedoch nur für positive Wurzeln aussprach. Den allgemeinen Zusammenhang vermutete erst 1629 A.Girard (1595–1632). Aus Arbeiten, die erst 1613 und 1615 erschienen, wurde offenbar, daß Vieta algebraische Ausdrücke virtuos umzuformen verstand, die Lösung der Gleichung vierten Grades kannte, und auch spezielle Gleichungen fünften Grades erfolgreich lösen konnte. Die von Vieta verwendete große Anzahl von Kunstworten machte es seinen Zeitgenossen sehr schwer, seinen algebraischen Darlegungen zu folgen.

In seinen geometrischen Untersuchungen knüpfte Vieta, wie auch die anderen Mathematiker seiner Zeit, an antike Vorbilder an. Vietas Schriften und besonders auch sein erst in neuerer Zeit untersuchter wissenschaftlicher Nachlaß enthielten eine große Anzahl bedeutsamer Einzelresultate, so die geometrische Deutung der algebraischen Grundoperationen (1591), Einschiebungskonstruktionen, und die näherungsweise Konstruktion des regelmäßigen Siebenecks (1591), Untersuchungen von Summen trigonometrischer Terme und von unendlichen geometrischen Reihen, und die Gewinnung von 2/π als unendliches Produkt.

Vieta hatte tiefe Einsichten in das Problem der Kreisquadratur, widerlegte die angeblichen Kreisquadraturen von N. Cusanus und J.C. Scalinger, und untersuchte Sehnenvierecke. 1593/95 gab Vieta die Lösung einer Gleichung 45. Grades an, die in einem Preisausschreiben A. van Roomens (1561–1615) gefordert worden war.

Vieta besaß erhebliche Kenntnisse über „komplexe Zahlen” und war in der Lage, mit ihnen in geometrischer Form die arithmetischen Grundoperationen auszuführen. Sogar den Satz von de Moivre scheint Vieta in einer Vorform besessen zu haben.

Vieta war einer der schärfsten Gegner der gregorianischen Kalenderreform.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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