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Bier in Gefahr: Aggressive RNA bedroht Hopfenanbau in Deutschland

Ein nur aus RNA bestehender Erreger, Viroid genannt, verbreitet sich rasant unter Hopfenpflanzen. Ursprünglich stammt er jedoch aus Zitrusfrüchten. Warum taucht er jetzt in Deutschland auf?
Ein Glas Bier zwischen Hopfendolden. Im Hintergrund Hopfenpflanzen.
Modernes Bier ist ohne Hopfen nicht denkbar. Deswegen baut man das Gewächs in Deutschland auf großen Flächen an. Doch in den Plantagen breitet sich ein neuer Erreger aus, der großen Schaden anrichten kann.

Die Bedrohung ist kein Käfer und kein Bakterium, ja nicht mal ein Virus: Ein Stück nackte RNA befällt in Europa immer mehr Hopfenpflanzen. Das einzige Gegenmittel: Vernichtung. Der Krankheitserreger ist das Zitrusviroid IV (»citrus bark cracking viroid«, CBCVd), das ursprünglich in Zitrusfrüchten vorkommt, aber besonders bei Hopfen schwere Wachstumsstörungen hervorruft und als ernste Gefahr für den Hopfenanbau gilt. Im Jahr 2007 tauchte der Erreger erstmals auf Hopfenfeldern in Slowenien auf, 2019 entdeckten Fachleute CBCVd auch im weltweit größten Hopfenanbaugebiet, in der Hallertau in Bayern. Doch wie gelangte das Viroid aus den tropischen Früchten in den Hopfen, der tausende Kilometer entfernt angebaut wird?

Nun hat ein Team um den Agrarwissenschaftler Michael Hagemann von der Universität Hohenheim eine Vermutung über den Ursprung des Erregers erhärtet. Wie es in der Fachzeitschrift »Journal of Plant Pathology« berichtet, enthalten Zitrusfrüchte, die in Deutschland und Slowenien im Handel verkauft werden, sehr oft Viroide – neben CBCVd auch das ebenfalls für Hopfen gefährliche Hopfenstaucheviroid (HSVd). Ursache des Problems ist wohl, dass solche Viroide beim Anbau der Zitrusfrüchte gezielt eingesetzt werden. Die Bäume bleiben durch die Erreger kleiner und lassen sich besser bewirtschaften – ohne dass der Ertrag sinkt.

Die Arbeitsgruppe untersuchte rund 50 Proben aus Slowenien und fand bei zehn Prozent aller Zitrusfrüchte das Viroid CBCVd, von mehr als 300 Proben aus der Region Hallertau waren sechs Prozent infiziert. Schon beim Ausbruch 2007 in Slowenien entdeckten Fachleute illegal entsorgte Obstabfälle nahe den infizierten Hopfenkulturen. Die neuen Ergebnisse bestätigen nun, dass Abfälle von handelsüblichen Zitrusfrüchten den Erreger auf Hopfenkulturen übertragen können.

Viroide sind die kleinsten aller Krankheitserreger. Sie bestehen nur aus einem einzelnen ringförmigen Strang RNA – anders als Viren sind sie nicht von einer Membranhülle oder einem Capsid umgeben, und ihr Erbgut codiert auch keine Proteine. Die Proteine der Wirtszelle vervielfältigen die RNA der Viroide deswegen direkt, die Zellen werden, anders als bei Viren, nicht durch den Erreger gekapert und umgebaut. Wie und warum ein Viroid eine Pflanze überhaupt krank machen kann, ist darum weitgehend unklar. Eine Rolle scheinen kurze RNA-Abschnitte des Viroids zu spielen, die mit der RNA der Wirtspflanze wechselwirken und so zelluläre Funktionen stören.

Trotz ihrer Einfachheit sind Viroide ein Problem, denn viele von ihnen befallen Kulturpflanzen. Außerdem werden sie vor allem in der Agrarwirtschaft leicht durch mit Viroiden verseuchte Geräte oder Pflanzensaft weitergetragen. Besonders heimtückisch: Die Infektion mit dem Erreger bleibt etwa ein Jahr symptomlos, so dass sich der Erreger unentdeckt verbreiten kann. Danach zeigen sich schnell Schäden wie aufplatzende Rinde und Wachstumsstörungen, die Hopfendolden bleiben klein und enthalten weniger der beim Brauen begehrten Bitterstoffe. Nach etwa drei bis fünf Jahren stirbt die Pflanze ab.

Dass CBCVd in alltäglichen Früchten so verbreitet ist, stellt eine erhebliche Bedrohung für den Hopfenanbau dar. Der Erreger verbreite sich rasant nicht nur innerhalb von Plantagen, sondern auch von Hopfengarten zu Hopfengarten, warnt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Die Ertragseinbußen durch den Erreger seien erheblich. In dem Bundesland sind ungefähr 110 Hektar Hopfenplantagen befallen, allerdings geht Hagemann von einer hohen Dunkelziffer aus. Hagemann mahnt deshalb, Abfälle von Südfrüchten in Hopfenanbaugebieten nicht unachtsam zu entsorgen, um die Verbreitung nicht noch zu fördern. Allerdings ist das Viroid womöglich auf diese Hilfe nicht mehr angewiesen. Es sei anzunehmen, dass sich CBCVd in warmen Regionen Deutschlands auch im Freiland ansiedeln könne, schreibt das LfL.

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