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Alltagsphysik: Höher, schneller, weiter schaukeln

Intuitiv scheint der Mensch zu wissen, wie man schaukelt. Aber wie lässt sich das mathematisch beschreiben? Ein japanisch-australisches Forschungsteam hat die Bewegung modelliert.
Ein schaukelndes Kind
Wer schaukelt, fühlt sich schwerelos. Der Bewegungsablauf lässt sich mathematisch beschreiben - ist jedoch alles andere als trivial.

Die allermeisten von Ihnen werden sich daran erinnern, wann und wie sie Fahrradfahren gelernt haben. Aber wissen Sie auch noch, wann Sie ein Gefühl dafür entwickelt hatten, in welchem Rhythmus Sie Ihren Oberkörper sowie Ihre Beine vor- und zurückbewegen müssen, um Schwung beim Schaukeln aufzunehmen? Ein japanisch-australisches Forschungsteam hat nun ein mathematisches Modell für die ultimative Schaukelstrategie entwickelt. Das Modell zeigt insbesondere, wie Menschen ihre Schwungtechnik anpassen, je höher und schneller sie schaukeln.

Doch zunächst zu den physikalischen Grundlagen: Ein Mensch auf einer Spielplatzschaukel lässt sich als gekoppeltes System aus zwei Pendelkörpern beschreiben, die jeweils Schwingungen ausführen können. Das bedeutet, dass zwischen der Schaukel und dem Schaukelnden Energie ausgetauscht wird. Beginnt der Mensch sich rhythmisch hin- und herzubewegen, schwingt die Schaukel mit. Wie effizient das gekoppelte System schwingt, hängt von drei Faktoren ab: der Frequenz, mit der die Person auf der Schaukel ihren Körper vor- und zurückbewegt, der Amplitude, also wie stark die Schaukel nach oben ausgelenkt wird, und schließlich der Phase, die ausdrückt, um welchen Zeitabstand die Bewegung des Körpers gegen die der Schaukel verschoben ist.

Anhand der Bewegungsdaten von zehn Versuchsteilnehmerinnen, die auf Schaukeln mit drei verschiedenen Schaukellängen saßen, ermittelte das Team um Chiaki Hirat von der Jumonji University in Niiza den optimalen Bewegungsablauf. Das Ergebnis hat es im Fachmagazin »Physical Review E« veröffentlicht.

»Unser Modell sagt vorher, dass die Schaukel in der Anfangsphase am besten schwingt, wenn man sich genau dann maximal zurücklehnt, sobald sich die Schaukel in einer vertikalen, das heißt mittleren, Position befindet«, erklären die Autoren. Sobald die Schaukelbewegung an Fahrt aufnimmt, müsse man sich zunehmend früher zurücklehnen – idealerweise am höchsten Punkt, bevor es wieder in die Vorwärtsbewegung geht. Die periodischen Kurven von Schaukel- und Körperbewegung verschieben sich entsprechend mit zunehmender Schwingungsamplitude gegeneinander.

Bisherige Beschreibungsversuche hätten dieses Verhalten nur unzureichend erfasst. So gehe das Fest-Frequenz-Modell (FFM) beispielsweise davon aus, dass die schaukelnde Person sich mit einer immer gleichen Frequenz vor- und zurückbewegt und der Körper eine gleich bleibende Sinuswelle erzeugt. Mit zunehmender Amplitude stimme dieses Modell jedoch nicht mehr mit der Realität überein. Das Rechteck-Wellen-Modell (SWM) dagegen kalkuliere zwar mit ein, dass Menschen ihr Gewicht automatisch verlagern, je nachdem, wie weit sie schwingen und an welcher Stelle sie sich befinden. Allerdings suggeriere es eine ruckartige, unnatürliche Anpassung der Position, während dieser Vorgang in Wirklichkeit nahtlos erfolgt. Die Forscher entwarfen auf der Grundlage ihrer experimentellen Beobachtungen ein verbessertes Modell, das die sanfte Oberkörperbewegung des FFM mit der Frequenzanpassung des SWM kombiniert.

Es bleiben jedoch noch einige Forschungsfragen offen, unter anderem die, warum das alles so selbstverständlich für uns ist. Eine Erklärung, die die Wissenschaftler vorschlagen, ist, dass unser unterbewusstes Gespür für die im System wirkenden Fliehkräfte uns in die Lage versetzt, kleine, aber bedeutsame Korrekturbewegungen beim Schaukeln auszuführen – ganz ohne exakte Berechnung.

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