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Coronavirus-Varianten: Neue Art von Immunescape bei Alpha

Schon die erste neue Corona-Variante verbreitete sich besser, weil sie dem Immunsystem entkam. Der Mechanismus ist aber ganz anders – und hat nichts mit dem Spike-Protein zu tun.
Antikörper binden an Virus

Schon die allererste neue Variante von Sars-CoV-2, B.1.1.7 oder dann Alpha genannt, verbreitete sich effektiver, weil sie dem menschlichen Immunsystem entkam. Verantwortlich dafür waren aber, anders als bei späteren Immunescape-Varianten, nicht Mutationen im Spike-Protein, berichtet ein Team um Lucy G. Thorne vom University College London. Denn die entscheidenden Veränderungen richten sich nicht gegen die Antikörper, sondern gegen eine andere Komponente der Körperabwehr. Wie die Arbeitsgruppe nun in »Nature« schreibt, betrafen die entscheidenden Veränderungen drei Gene, die wesentliche Alarmsignale der angeborenen Immunantwort dämpfen.

Die Arbeitsgruppe untersuchte, welche RNA und Proteine in Zellen der Atemwege entstehen, wenn sie mit Alpha und der ursprünglichen Version des Virus befallen sind. Dabei stellte sie fest, dass Alpha die drei Gene N, Orf9b und Orf6 viel stärker abliest und mehr von den entsprechenden RNA und Proteinen herstellt. Die entstehenden Proteine stören mehrere Signalwege, über die eine infizierte Zelle das Virus bemerkt und das angeborene Immunsystem alarmiert. »In den frühen Stadien der Infektion kann Alpha sich so unbemerkt vermehren. Wir glauben, dass sich dadurch seine Chancen deutlich verbessern, wenn es in Nase oder Lunge einer anderen Person landet«, sagt Thorne laut einer Pressemitteilung.

Das von Orf9b codierte Protein stört die Weitergabe von Signalen eines Rezeptors, der die eingedrungene Virus-RNA registriert, während das N-Protein und das von Orf6 gebildete Produkt Signalwege stören, durch die der Alarmstoff Interferon gebildet wird. Interferon wiederum versetzt Zellen der angeborenen Immunantwort sowie andere Körperzellen in Alarmbereitschaft, so dass sie Viren die Vermehrung erschweren. In der Untersuchung des Teams um Thorne zeigte sich, dass die in der Zellkultur gemessenen Interferonkonzentrationen weit geringer waren als bei allen vorherigen Versionen des Virus. Das Team vermutet, dass sich das Virus bei einer realen Infektion dadurch schneller vermehrt.

Nach Angaben der Arbeitsgruppe ist Alpha damit die erste Immunescape-Variante, die sich gegen die angeborene Immunantwort richtet. Dieses System bekämpft Viren bereits kurz nach der ersten Ansteckung – und es muss dem Erreger nicht schon zuvor begegnet sein, weil es auf allgemeinere Reize wie Virus-RNA reagiert. Außerdem betreffen die entscheidenden Veränderungen nicht die »Passform« der Proteine – wie bei späteren Immunescape-Varianten, die durch Mutationen im Spike-Protein Antikörpern entkommen –, sondern die Menge der Proteine, die in der Zelle gebildet werden.

Bei solchen Veränderungen der Genregulation ist die Bedeutung einzelner Mutationen deutlich schwieriger einzuschätzen als bei ausgetauschten Bausteinen des Spike-Proteins, durch die ein Antikörper schlechter passt. Deswegen ist bisher nicht klar, ob der Effekt bei anderen Varianten eine Rolle spielt. Einige der bei Alpha auftretenden Mutationen in den Genen für N und Orf9b tauchen auch bei anderen, später entstandenen Varianten auf. So tragen zum Beispiel Delta und Omikron ebenfalls eine bei Alpha beobachtete Veränderung in einer Einleitungssequenz des N-Proteins, die womöglich für die größere Menge des Proteins verantwortlich ist. Allerdings legen die stärker veränderten Spike-Proteine dieser Varianten nahe, dass die Abwehr von Antikörpern die größere Rolle beim Erfolg dieser Varianten spielte.

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