Direkt zum Inhalt

Biodiversität: Artensterben beschleunigt sich

Trauriger Neueinsteiger: der Eisbär
Die Rote Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten der Erde wuchs auch während der letzten zwölf Monate stark an und umfasst nun mehr als 16 000 Spezies – darunter auch erstmals den Eisbär (Ursus maritimus) und das Nil- oder Flusspferd (Hippopotamus amphibius).

Ebenfalls Neueinsteiger: Flusspferde | Auch die Flusspferde sind neu auf der Roten Liste. Der Grund: Überjagung wegen ihres Fleisches und der Zähne.
Innerhalb eines Jahres stieg die Anzahl gefährdeter Tiere und Pflanzen damit um 500 Arten, wie die internationale Naturschutzorganisation IUCN der Vereinten Nationen in einer Veröffentlichung bekannt gibt. Mittlerweile gelten ein Drittel aller Amphibien, ein Viertel der Säugetiere und Nadelbäume, jede zehnte Vogelart, die Hälfte aller Süßwasserschildkröten und mindestens zwanzig Prozent der vorhandenen Hai- und Rochenspezies in irgendeiner Form global vom Aussterben bedroht. Weitere 720 Tier- und Pflanzenvertreter rangieren sogar bereits in der Kategorie "Ausgestorben" und 65 als "in freier Natur ausgestorben". Mehr als ein Drittel aller untersuchten Spezies fanden Eingang in die Rote Liste.

Pfeilgiftfrosch | Ein Drittel aller Amphibienart gilt als vom Aussterben bedroht – so wie der Blaue Pfeilgiftfrosch Dendrobates azureus.
Neu in der Liste taucht nun der Eisbär auf, dem die zunehmende Erwärmung der Arktis – seines einzigen Lebensraums – zusetzt. Der Rückgang des Meereises verringert seinen Jagderfolg und damit ebenso die Nachwuchsrate; Wissenschaftler prognostizieren deshalb einen Bestandsrückgang des größten Landraubtiers um mindestens ein Drittel in den kommenden Jahrzehnten. Ebenfalls gefährdet ist jetzt auch das Nilpferd, dem vor allem in der Demokratischen Republik Kongo (vormals Zaire) massive Wilderei wegen seines Fleischs und der Zähne für den Elfenbeinhandel zusetzen. Mehr als 95 Prozent des einst 30 000 Tiere umfassenden Bestands wurden deswegen geschossen. Der Yangtse-Flussdelfin oder Baiji (Lipotes vexillifer) könnte in der Zwischenzeit womöglich gänzlich ausgestorben sein – eine Suche nach den letzten Exemplaren während des letzten Monats erbrachte keinen einzigen Nachweis mehr.

Aufgegessen: Haie | Ein Fünftel aller Haie und Rochen gilt als bedroht – wegen Überfischung für den Haifischflossen- und Schillerlockenmarkt in Asien und Europa.
Die Liste nimmt allerdings auch deshalb zu, weil manche Wirbeltiergruppen besser untersucht werden. So fanden wesentlich mehr Haie und Rochen Eingang in die Erfassung als zuvor, weil Wissenschaftler gezielt die Bestände der Tiere erforschten. Auch Europa ist davon betroffen, denn Überfischung und – im weltweiten Kontext – die teils illegale Jagd nach den in Asien begehrten Haifischflossen ließen manche Populationen der Fische regelrecht zusammenbrechen. Der Atlantische Engelshai (Squatina dumeril) etwa gilt in der Nordsee jetzt als ausgestorben, der Glattrochen (Raja batis) als vom Aussterben bedroht. Beide wurden gerne im Fischhandel verkauft.

Auch Pflanzen sind bedroht | Im Mittelmeerraum gefährden Massentourismus und Intensivlandwirtschaft die Zukunft von nur dort vorkommenden Pflanzen wie etwa Femeniasia balearica.
Eine intensivere Betrachtung von Süßwasserfischen und Pflanzen des Mittelmeerraums erbrachte außerdem, dass mehr als die Hälfte der nur dort heimischen Fische durch Wasserverschmutzung und Baumaßnahmen in Bedrängnis gebracht werden. Und viele endemische Pflanzenarten leiden unter Überweidung, industrieller Landwirtschaft sowie dem Massentourismus und seinen Folgen. Auch Regionen, die bislang dem menschlichen Einfluss eher entzogen schienen – wie Wüsten –, entleeren sich in steigendem Ausmaß: Verschiedene in Wüsten und Steppen heimische Antilopenarten werden durch Trophäenjagd an den Rand des Aussterbens getrieben.

Einer der wenigen Lichtblicke: der Seeadler | Der in Europa und Russland heimische Seeadler (Haliaeetus albicilla) gehört zu den wenigen positiven Ausnahmen der Roten Listen: Sein Bestand hat sich aufgrund von Schutzmaßnahmen in den letzten Jahren so stark vergrößert, dass er nicht mehr akut bedroht ist.
Zu den Hauptursachen des Artensterbens zählen Überjagung und -fischung, Lebensraumzerstörung, eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten sowie Umweltverschmutzung. Zunehmend negativen Einfluss hat allerdings auch der Klimawandel, der die Anpassungsfähigkeit vieler Pflanzen- und Tierarten überfordert.

Es gibt allerdings auch einige wenige gute Nachrichten: Seit dem Jahr 2004 wuchsen etwa die Bestände verschiedener seltener Vogelarten wie die des Graufuß-Tölpels (Sula abbotti) wieder an.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.