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Berühmtes Experiment: »Ursuppe« zündet nur im Glaskolben richtig

Blitze zucken durch den Ursuppendunst, und wie aus dem Nichts entstehen die chemischen Bausteine des Lebens. Doch bei der Beschreibung des Experiments wurde eine Zutat übersehen.
Laborgeräte – auch ihr Material kann manchmal wichtig sein

Mit dem heute so genannten Miller-Urey-Experiment demonstrierten Stanley Miller und Harold Urey im Jahr 1953, wie aus einfachsten Zutaten auf der Urerde die Bausteine für das Leben entstehen konnten. Sie ließen dazu in einem geschlossenen Kreislauf stark basisches Wasser (das Urmeer) in einer Uratmosphäre aus Ammoniak, Methan und Wasserstoff kontinuierlich verdampfen und kondensieren. Elektrische Entladungen im Kolben simulierten Blitze.

Mehr brauche es nicht, lautete das Ergebnis ihres bahnbrechenden Experiments, um organische Verbindungen wie beispielsweise Aminosäuren zu erzeugen. Tatsächlich wurde der Versuch inzwischen unzählige Male mit verschiedenen Abwandlungen durchgeführt – immer wieder mit demselben Ergebnis, auch wenn die Wissenschaft inzwischen uneins darüber ist, ob das Experiment die Eigenschaften der Urerde überhaupt präzise genug abbildet.

Nun wirft ein Team der Universität Tuscia im italienischen Viterbo einen weiteren, bislang übersehenen Aspekt an dem Lehrbuchexperiment auf. Die Gruppe um Ernesto di Mauro ist allerdings der Auffassung, dass Miller und Urey die Verhältnisse auf der Urerde zumindest in einem Punkt noch genauer abbildeten als gedacht – wenn auch ungewollt.

Di Mauro und Kollegen prüften für ihre Veröffentlichung im Fachmagazin »Scientific Reports«, welche Rolle das Material des Behälters spielt, in dem das Ursuppenexperiment abläuft. Sie verglichen dazu die Ausbeute an organischen Molekülen einmal in den üblichen Behältern aus Borosilikatglas und einmal in Teflonbehältern. Dabei zeigte sich, dass das Glas eine wichtige Rolle zu spielen scheint, denn in den äußerst reaktionsträgen Teflongefäßen bildeten sich nur wenige und zudem nur wenig komplexe organische Moleküle. Erst wenn sie wieder Borosilikatglas in Form von Glasscherben in die Ursuppe legten, entwickelte sich mehr von der sonst üblichen Molekülausbeute. Das Material des Behälters scheint also tatsächlich einen bedeutenden Einfluss auf das Ergebnis zu haben.

Das Silikatglas simuliert das Gestein der frühen Erde

Für die italienischen Forscher ist das jedoch weniger eine Schwäche als vielmehr eine Stärke des Experiments. Das Glas simuliert ihrer Einschätzung nach das Silikatgestein, das ebenfalls auf der Urerde verfügbar war. Dass Gestein einen Beitrag zur Entstehung des Lebens geleistet hat, wird bereits seit Langem diskutiert.

In ihrem Fachbeitrag schreibt die Gruppe, durch den hohen pH-Wert der Lösung von 11,1 werde die Oberfläche des Glases angegriffen, weshalb unter anderem Silikat- und Siliziumoxidpartikel freigesetzt werden, die als Katalysatoren wirken könnten. Silanolgruppen an ihrer Oberfläche könnten die Vorläufermoleküle einfangen oder mit ihnen Komplexe bilden. Auch dürften sich in den Partikeln Poren ausbilden, in denen wiederum Reaktionen besser ablaufen. Wie sich das Glas im Detail auf die Vorgänge im Experiment auswirkt, haben sie allerdings nicht untersucht.

»Für mich bestätigt diese Studie, dass die Miller-Urey-Experimente noch viel cleverer waren als ursprünglich gedacht«, sagt die Chemikerin Valentina Erastova von der University of Edinburgh dem britischen Wissenschaftsmagazin »New Scientist«.

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