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Selbstwahrnehmung: Blind für die eigenen Gefühle?

Wer seine negativen Emotionen nicht gut voneinander unterscheiden kann, erkrankt eher an einer Depression.
Verzweifeltes junges Mädchen

Man fühlt sich unwohl, ohne so recht zu wissen, wo der Schuh drückt: Das hat jeder schon einmal erlebt. Manchen Menschen fällt es allerdings ganz grundsätzlich schwer, zwischen Frust und Trauer, Ärger und Enttäuschung zu unterscheiden. Ein folgenreiches Handikap, wie eine Studie in der Fachzeitschrift »Emotion« nahelegt. Eine gute Selbstwahrnehmung kann demnach schon in der Jugend vor Depressionen schützen.

Ein Team um Psychologin Lisa Starr von der University of Rochester hatte rund 200 Jugendliche diagnostischen Interviews unterzogen und sie gebeten, eine Woche lang viermal am Tag Stimmung, etwaigen Stress und damit verbundene Ereignisse zu protokollieren. Anderthalb Jahre später gaben die Jungen und Mädchen erneut Auskunft über ihr Befinden. Konnten sie bei der ersten Erhebung nur vage zwischen negativen Gefühlen differenzieren, litten sie anderthalb Jahre später eher unter depressiven Beschwerden. Der Zusammenhang verstärkte sich, wenn in der Zwischenzeit stressreiche Ereignisse im Alltag auftraten.

»Teenager, die ihre negativen Gefühle präzise und nuanciert beschreiben, sind besser vor Depressionen geschützt als Gleichaltrige, die das nicht können«, schließen die Psychologinnen aus den Protokollen. Die Jugendlichen könnten so aus ihren Erfahrungen mehr lernen und bessere Strategien für den Umgang mit negativen Emotionen und belastenden Erlebnissen entwickeln. »Man muss wissen, wie man sich fühlt, um daran etwas ändern zu können«, erläutert Lisa Starr in einer Pressemitteilung.

Dass eine schwache Selbstwahrnehmung auch bei Erwachsenen ein Warnsignal ist, zeigte kürzlich schon ein Experiment mit mehr als 1000 Versuchspersonen mittleren Alters. Je weniger ihr subjektives Stresserleben zu objektiven Stressindikatoren passte, desto schlechter entwickelte sich bei ihnen langfristig das psychische und körperliche Wohlbefinden. Daraus lässt sich zwar nicht ableiten, dass das undifferenzierte Erleben von Emotionen die psychischen Beschwerden tatsächlich mitverursacht. Doch in jungen wie mittleren Jahren ist es ein Indiz dafür, dass es mit dem Gefühlshaushalt nicht zum Besten steht.

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