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Impfstoffentwicklung: Einmal kopieren bitte

Vakzine auf DNA-Basis könnten die Impfstoffe der Zukunft sein. Sie sollen gegen eine Vielzahl von Viruserkrankungen wirken, doch sind sie bislang wenig effektiv. Langsam zeigt sich, wie diese Impfungen erfolgreicher werden könnten.
Schutzimpfungen wirken, indem das Immunsystem eine ungefährliche Version oder einzelne charakteristische Bausteine eines Krankheitserregers kennen lernt. So kann es bei einer echten Infektion effektiv reagieren, bevor die Krankheit ausbricht. Solche Impfstoffe zu entwickeln, ist jedoch schwierig und dauert lange. Schuld ist der Krankheitserreger, der sich vor dem Immunsystem zu verbergen weiß: Viele Parasiten und Viren tarnen sich, indem sie ihre Oberflächenstruktur ständig verändern, so dass die Zellen des Immunsystems sie nicht mehr erkennen.

Forscher verbringen daher oft Jahrzehnte damit, einen zuverlässigen Schwachpunkt eines Krankheitserregers zu finden, der für eine wirksame Schutzimpfung geeignet ist. Da sich Epidemien sehr schnell ausbreiten können, wie es zum Beispiel bei der Spanischen Grippe Anfang des 20. Jahrhunderts der Fall war und wie es für die Vogelgrippe befürchtet wird, bleibt nicht immer die Zeit, jahrelang nach der Achillesferse des Erregers zu suchen.

Mit Genen gegen Viren

Als mögliche Lösung für dieses Zeit-Problem traten in den letzten Jahren die DNA-Impfungen ins Rampenlicht der medizinischen Forschung. Dabei werden Erbgut-Stücke des Krankheitserregers in die Körperzellen des Patienten eingeschleust, welche die eingebrachte DNA erst in RNA und diese wiederum in Proteine übersetzen. Der eigentliche Impfstoff entsteht demnach erst im Patienten anstatt im Labor. Da DNA-Vakzine sehr viel einfacher herzustellen sind als bisherige Impfstoffe, lassen sie sich schnell an plötzlich auftretende, unbekannte Krankheitserreger oder neue Varianten bekannter Viren anpassen.

West-Nil-Viren isoliert aus einem Krähengehirn | Dank des neu entwickelten DNA-Vakzins dürfte bald eine Schutzimpfung gegen das West-Nil-Virus möglich sein.
Bislang sind diese Vakzine jedoch wenig effektiv: Um eine Wirkung zu erzielen, ist eine sehr hohe Dosis des DNA-Impfstoffs erforderlich, da nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Zellen die DNA aufnimmt und die Virusproteine erzeugt. Die DNA-Vakzine sind somit weniger wirksam als traditionelle Impfstoffe aus abgeschwächten Erregern.

Forscher um Alexander Khromykh von der University of Queensland in Australien haben nun aber eine elegante Methode entwickelt, einen DNA-Impfstoff effektiver zu machen, die sie am West-Nil-Virus demonstrieren. Sie lassen die Zellen eine Generation kompletter, funktionsfähiger Viren erzeugen, deren Vermehrung jedoch nach einer einzigen Infektionsrunde stoppt. Auf diese Weise impft das Virus viele weitere Zellen, welche die Erreger-Proteine produzieren und somit eine wirkungsvollere Immunisierung auslösen. Aus diesen Zellen kann das Virus jedoch nicht mehr entkommen.

Virus in der Sackgasse

Wie setzt man ein Virus in einer Zelle fest? Die vorprogrammierte Notbremse beruht auf einem Baustein, ohne den die Viren sich nicht korrekt zusammensetzen können: dem Kapsid. Während die Forscher dem Virus alles mitgaben, was es zur Vervielfältigung seines eigenen Genoms und zur Produktion der Virushülle benötigte, fehlte ihm das Kapsid, um beide zu infektiösen Viruspartikeln zusammenzufügen.

Damit jedoch in den Zellen, welche den DNA-Impfstoff aufgenommen hatten, eine Generation funktionstüchtiger Viren entstehen konnte, fügten die Forscher dem unvollständigen Virus-Genom noch die fehlende Sequenz für das Kapsid auf einem separaten Stück DNA hinzu. Dieses besaß weder die Fähigkeit, sich selbst zu vervielfältigen, noch die Zelle in Viruspartikel verpackt zu verlassen. Somit kamen ausschließlich in den zuerst "befallenen" Zellen alle Bestandteile zusammen, um den Zusammenbau der Viren zu erlauben. Diese waren zwar in der Lage, andere Körperzellen zu infizieren, ihnen fehlte jedoch die entscheidende Erbinformation, welche ihnen erlaubte, Kapsid und somit weitere funktionstüchtige Erreger zu erzeugen. Die Viren saßen somit in einer Sackgasse.

Aber funktioniert diese Idee auch? Im Tierversuch mit Mäusen und Pferden konnten die Forscher tatsächlich eine Immunantwort selbst bei kleiner Dosis des Impfstoffs feststellen. Die so geimpften Nager wurden testweise dem West-Nil-Virus ausgesetzt und zeigten sich immun gegen den Erreger, während ihre ungeimpften Artgenossen typische Symptome wie Hirnhautentzündung entwickelten. Dass das Virus tatsächlich auf andere Zellen übersprang, konnten die Wissenschaftler beweisen, indem sie Virusprotein in Zellen außerhalb des geimpften Gewebes nachwiesen. Zu einer unkontrollierten Ausbreitung des Erregers im Organismus kam es jedoch nicht.

Gerade im Kampf gegen das West-Nil-Virus und die ihm verwandten Dengue-Viren eröffnen sich damit wichtige neue Möglichkeiten: Die für traditionelle Schutzimpfungen verwendeten abgeschwächten Stämme können in seltenen Fällen einen tatsächlichen Ausbruch der Krankheit auslösen. Aus diesem Grund gibt es bislang keine zugelassene Impfung gegen diese Viruserkrankungen. Das Sicherheitsrisiko könnte sich nun jedoch mit dem neuen DNA-Impfstoff für Viren mit vorprogrammierter Notbremse umgehen lassen. Das gleiche Konzept ließe sich auch auf Impfstoffe gegen andere Erreger anwenden und könnte DNA-Vakzine somit deutlich wirksamer machen als bisher.

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