Direkt zum Inhalt

Pflanzenzüchtung: EU-Staaten finden keine Position zur Lockerung der Gentechnik-Regeln

Viele Wissenschaftler und Landwirte drängen darauf, die Gentechnik-Regeln in der EU zu lockern. Doch der Streit um den richtigen Umgang mit den neuen Züchtungsmethoden ist festgefahren – auch wegen Deutschland.
Eine Wissenschaftlerin untersucht einen Sämling
Von gentechnisch veränderten Pflanzen geht nach derzeitigem Wissensstand keine größere Gefahr für Menschen aus als durch herkömmlich gezüchtete Pflanzen.

Die EU-Staaten haben unter anderem wegen Bedenken aus Deutschland vorerst keine gemeinsame Position zu lockereren Gentechnik-Vorgaben gefunden. Der spanischen Ratspräsidentschaft war es nicht gelungen, eine ausreichende Mehrheit für eine Deregulierung so genannter neuer Gentechniken zu finden. Dies zeige, dass Vorbehalte der Bundesrepublik gegen eine Deregulierung von Gentechnik auch von anderen Staaten geteilt würden, sagte Bundesagrarminister Cem Özdemir zu der Blockade. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur aus Diplomatenkreisen hätte es jedoch eine Mehrheit gegeben, wenn Deutschland einem Kompromiss zugestimmt hätte.

Viele gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel sollen einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge in der Europäischen Union künftig einfacher erforscht und ohne spezielle Kennzeichnung verkauft werden. Entsprechende Lockerungen hatte die Behörde Anfang Juli in Brüssel vorgeschlagen. Pflanzen, deren Erbgut durch moderne Methoden wie etwa die Genschere CRISPR-Cas verändert wurden, sollen von den strengen Gentechnik-Regeln ausgenommen werden, wenn das Ergebnis auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden hätte entstehen können. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drängen schon lange darauf, dass Regeln gelockert werden.

Der Vorschlag der Kommission wird derzeit von den EU-Staaten und dem Europaparlament diskutiert. Beide Parteien müssen erst ihre Position und im Anschluss einen gemeinsamen Kompromiss finden, bevor neue Regeln in Kraft treten können. Das Parlament wird seine Position voraussichtlich im Januar festlegen. Da die Agrarminister aber nun zu keiner gemeinsamen Position gekommen sind, ist unklar, ob das Vorhaben vor der Europawahl Mitte nächstes Jahr noch abgeschlossen werden kann. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär betonte aber: »Die Deregulierung der Gentechnik in der Landwirtschaft ist noch nicht vom Tisch.«

Ziel der Lockerung ist es unter anderem, Landwirten Zugang zu widerstandsfähigeren Pflanzen zu ermöglichen, die etwa weniger Pestizide benötigen oder besser mit Trockenheit und steigenden Temperaturen zurechtkommen. Cem Özdemir und Verbraucherschützer kritisieren unter anderem, dass sich Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bewusst gegen Gentechnik im Essen entscheiden könnten, sollten die neuen Regeln wie derzeit diskutiert in Kraft treten. Von durch neue Gentechnik veränderten Pflanzen geht nach derzeitigem Wissensstand allerdings keine größere Gefahr für Menschen aus als durch herkömmlich gezüchtete Pflanzen.

Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik lobte Özdemir. Dieser habe richtigerweise gesagt, dass die milliardenschweren Märkte für Biolebensmittel und gentechnikfreies Essen existenziell bedroht würden. Entsprechend äußerte sich auch der Verband Bioland erfreut darüber, dass es vorerst keine Einigung gibt. Die FDP-Fraktionsvize Carina Konrad dagegen sagt, angesichts des Klimawandels sei es katastrophal, wenn die Landwirtschaft wegen politischer Fehlentscheidungen in der Vergangenheit stecken bleibe. Die Modernisierung des EU-Gentechnikrechts sei zentral, um die Landwirtschaft für kommende Herausforderungen fit zu machen. (dpa/kmh)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.