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Konradin, der letzte Staufer: Das Kind, das König sein wollte

An der Spitze tausender Ritter wollte ein 15-Jähriger die Stauferdynastie wiederbeleben. Sein Tod auf dem Richtblock besiegelte jedoch den Untergang des Herrscherhauses - und lieferte Legenden und Propagandamaterial für Jahrhunderte.
Konradin besteigt das Schafott
Seine letzten Worte sollen seiner Mutter gegolten haben, so eine der unzähligen Legenden um Konradin (1252–1268). Mit dem letzten Staufer bekam das gewaltsame Ringen um Macht und Einfluss eine tragische Note, die sich hervorragend ausschlachten ließ.

»Einst, im Bierkeller zu Göttingen«, erzählt Heinrich Heine seinen französischen Lesern eine Anekdote aus der Studienzeit, »äußerte ein junger Altdeutscher, dass man Rache an den Franzosen nehmen müsse für Konradin von Staufen, den sie zu Neapel geköpft. Ihr habt das gewiß längst vergessen. Wir aber vergessen nichts.«

Das muss man sich einmal vorstellen. Da liegen die Befreiungskriege gegen Napoleon kaum ein Jahrzehnt zurück und Heines Kommilitone bringt eine fast 600 Jahre alte Episode aufs Tapet. »Ihr seht«, fügt der Dichter ironisch hinzu, »wenn wir mal Lust bekommen, mit euch anzubinden, so wird es uns nicht an triftigen Gründen fehlen.«

So abwegig die Szene aus Heines »Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« (1834) klingt, so plausibel ist, dass sie sich zugetragen hat. Im 19. Jahrhundert ist in Deutschland die Geschichte von Konradin von Hohenstaufen präsenter denn je. Das tragische Schicksal des letzten Abkömmlings aus dem berühmten Geschlecht der Staufer, der mit gerade einmal 15 Jahren an der Spitze tausender Ritter nach Italien zieht, um sein väterliches Erbe zurückzuerobern, und letztlich auf dem Schafott in Neapel endet, fällt im Zeitalter der Romantik auf äußerst fruchtbaren Boden und wird in zahllosen Dramen und Dichtungen verarbeitet – und auch instrumentalisiert.

Die historische Person aber rückt angesichts der viel wirkmächtigeren Legenden und literarischen Verarbeitungen für lange Zeit in den Hintergrund. Wer war dieser junge Herrscher, dessen Leben so früh gewaltsam beendet wurde und dessen Schicksal noch Jahrhunderte später die Gemüter in einem Göttinger Bierkeller erhitzte?

Sein Nimbus hängt wesentlich damit zusammen, dass er der letzte Spross eines der berühmtesten und mächtigsten Geschlechter des Mittelalters war: der Staufer. Mit Konrad III. hatten sich die Herzöge von Schwaben im Jahr 1138 erstmals die Reichskrone gesichert. Fortan lenkten sie die Geschicke des Reichs. Vor allem Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122–1190) und dessen Enkel, Kaiser Friedrich II. (1194–1250), begründeten einen regelrechten Staufermythos, der schon wie Blei auf den Schultern des jungen Konradin gelastet haben muss.

Sizilien war Fluch und Segen der Staufer

Weitaus stärker als ihre Thronvorgänger hatten die Staufer ihren Blick auf Italien gerichtet. Dessen nördliche Hälfte gehörte schon lange zum Reich. Seit 1194 herrschten die Schwaben aber auch direkt über das Königreich Sizilien in der südlichen Hälfte. Damit legten sie den Grundstein für eine innige und anhaltende Feindschaft mit den Päpsten. Denn mit dem Griff der Staufer nach dem Königreich Sizilien drohte dem Kirchenstaat in Mittelitalien die Umzingelung durch die deutschen Monarchen. Außerdem beanspruchte die Kirche das Königreich im Süden als ihr Lehen und damit auch das letzte Wort bei der Frage, wer dort herrschen sollte.

Unter Friedrich II. eskalierte der Konflikt vollends. Um die Angst der Kirche vor einer Umklammerung zu zerstreuen, hatte Friedrich zugesagt, einen Regenten für Sizilien einzusetzen, und trotzdem einfach weiterregiert. Der Ton der Kirche wurde schärfer: Friedrich wurde zum Häretiker und »Vorläufer des Antichristen« stilisiert, schreibt der Historiker Knut Görich von der LMU München in »Die Staufer – Herrscher und Reich«. 1245 gipfelte der Machtkampf in der Absetzung des bereits exkommunizierten Kaisers durch Papst Innozenz IV. (um 1195–1254) auf dem Konzil von Lyon. Friedrich blieb bis zu seinem Tod 1250 zwar unangefochtener Herrscher über Sizilien, doch zwischen ihn und die deutschen Fürsten hatte der Papst erfolgreich einen Keil getrieben. Es gelang Friedrich nicht mehr, im Heiligen Römischen Reich Fuß zu fassen.

Der Hass der Kurie auf Friedrich II. hatte sich auf dessen ganzes Geschlecht übertragen. Die Staufer wurden als »Verfolger der Kirche« und »Otterngezücht« gebrandmarkt, wie der Journalist und Historiker Gerald Huber in seiner Biografie »Konradin, der letzte Staufer – Spiele der Macht« darstellt. Ein Wiedererstarken der Dynastie sollte nach Friedrichs Tod um jeden Preis vermieden werden. Auch die Fürsten im Reich zeigten kein Interesse an einer starken Zentralmacht. Sie wählten Könige und Gegenkönige, von denen sich keiner dauerhaft behaupten konnte. Das Interregnum, die kaiserlose Zeit, hatte begonnen.

Friedrichs Sohn und einziger legitimer Nachfolger, Konrad IV. (1228–1254), hatte nun die Wahl: Sollte er in Deutschland bleiben, wo die Lage für die Staufer immer aussichtsloser wurde, oder in die Heimat seines Vaters nach Sizilien gehen, wo sich der Papst schon kurz vor dem Triumph wähnen durfte? Er entschied sich für Letzteres. 1251 ließ Konrad seine schwangere Frau Elisabeth von Bayern zurück und begab sich nach Italien, wo er drei Jahre später mit 26 Jahren wahrscheinlich an einer Krankheit verstarb.

Auf Falkenjagd | Die bekannteste Abbildung des jungen Staufers stammt aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift, dem »Codex Manesse«. Sie zeigt, wie der »Kiunig Chuonrat der Junge« mit seinem Freund Markgraf Friedrich von Baden-Österreich auf die Falkenjagd geht. In dem Werk aus dem frühen 14. Jahrhundert werden Konradin zwei Minnelieder zugeschrieben.

Der letzte Staufer wuchs ohne Vater auf

Nun gab es nur noch einen rechtmäßigen Staufer: Konrads 1252 geborener Sohn gleichen Namens. Der italienische Volksmund nannte ihn später fast schon liebevoll Corradino (kleiner Konrad) – und das, obwohl er nicht einmal ein komplettes Jahr im Land verbracht hatte. In Deutschland wird aus Corradino Konradin, der Name, unter dem er bis heute hauptsächlich bekannt ist.

Zunächst aber brauchte der Zweijährige einen Vormund. Und es ist auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar, warum sich Konrad IV. dazu entschieden hatte, die Vormundschaft im Fall seines Todes ausgerechnet dem Erzfeind der Familie, dem Papst, anzutragen. Ein Zeichen der Entspannung? In der Tat zeigte sich Innozenz IV. halbwegs versöhnlich: »In einem Beileidsbrief erkannte der Papst dem jungen Konradin die Titel eines Königs von Jerusalem und Herzogs von Schwaben zu, drückte sich aber nicht klar aus, was sein Recht auf die Krone des Königreichs Sizilien betraf«, schreibt die Historikerin Cristina Andenna von der Universität des Saarlandes in einem Aufsatz des Sammelbands »Konradin« aus dem Jahr 2018.

Unter Innozenz' 1255 gewähltem Nachfolger war dann jedoch schnell klar, wie es mit Sizilien weiterzugehen habe. Der neue Papst Alexander IV. (1199–1261) sah sich ungeniert nach einer Alternative zu den Staufern um und war entschlossen, dem englischen Prinzen Edmund von Lancaster die Krone zu übertragen. »Dieses Vorgehen erlaubte es der Familie mütterlicherseits, den Wittelsbachern, die Vormundschaft für den Jüngling Konradin zu erhalten«, erläutert Andenna.

Es waren die beiden Brüder seiner Mutter, die Herzöge Ludwig II. und Heinrich von Bayern, die sich nun der Sache des kleinen Staufers annahmen. Es darf gemutmaßt werden, dass dies nicht ganz uneigennützig geschah, denn sollte es gelingen, ihr Mündel zum römisch-deutschen König und eines Tages sogar zum Kaiser emporzuheben, konnten die Wittelsbacher davon nur profitieren. Nüchtern betrachtet sprach jedoch nicht besonders viel für den jungen Thronanwärter: Er hatte zwar einen großen Namen und große Vorfahren, doch vom alten Glanz und Einfluss der Staufer war nicht mehr viel geblieben.

Die staufische Machtbasis in Nord und Süd schwand

Selbst das einst so bedeutende Herzogtum Schwaben war zusammengeschrumpft, und was noch übrig war, wurde von anderen beansprucht. Die jahrzehntelange Vernachlässigung durch die staufischen Könige und Kaiser hatte zu einem »Ausverkauf der herzoglichen Macht« geführt, schreibt der Generalmajor außer Dienst Hans Uwe Ullrich in seiner Biografie »Konradin von Hohenstaufen: Die Tragödie von Neapel«. Es musste also erst einmal darum gehen, Konradins verbliebene Titel und Besitztümer zu sichern und gleichzeitig so viel wie möglich von dem Verlorenen zurückzugewinnen.

In Sizilien hingegen schien die Ausgangssituation gar nicht so schlecht zu sein. Zwar schwebte der päpstliche Anspruch allzeit wie ein Damoklesschwert über den Staufern, doch ihre Herrschaft war zumindest vor Ort anerkannt und wurde der Familie nicht streitig gemacht. Mit Manfred (1232–1266) übte ein unehelicher Sohn Kaiser Friedrichs II. die Regentschaft für Konradin aus. Manfred, an den noch heute die 1256 von ihm gegründete Stadt Manfredonia in Apulien erinnert, war in der Darstellung Hubers ein »Einheimischer mit Stallgeruch und angeborenem Gefühl für die Komplexität dieses arabisch-italienisch-normannisch-deutschen Reiches«. Er versuchte zunächst, den Streit mit der Kurie friedlich beizulegen, indem er zu großen Kompromissen bereit war. In den Verhandlungen unterwarf sich Manfred formal der Oberhoheit des Papstes. Im Gegenzug sollte dieser Konradins Rechte im Königreich bestätigen. Der Pontifex dachte jedoch nicht daran, sich an die Abmachungen zu halten, und belehnte unverdrossen den englischen Prinzen Edmund mit Sizilien.

Edmund wiederum ließ kaum Interesse erkennen, diesen Anspruch auch durchzusetzen. Manfred konnte dadurch weitgehend ungestört seine Herrschaft über das Reich in Süditalien stabilisieren. Als 1258 plötzlich das Gerücht aufkam, Konradin sei im fernen Deutschland gestorben, fackelte der Sizilianer nicht lange und setzte sich selbst die Krone auf. Das war nicht weniger als ein Staatsstreich, denn Manfred hatte nicht einmal eine Gesandtschaft nach Bayern geschickt, um die Fama zu überprüfen, betont Huber.

Konradins Vormünder protestierten zwar gegen Manfreds Vorgehen, doch ihre Priorität war ohnehin, die Stellung ihres Schützlings in Deutschland zu verbessern. Der Erfolg war bescheiden. Dreimal, zuletzt 1264, wurde der junge Staufer zur Wahl des römisch-deutschen Königs gestellt, dreimal scheiterte er trotz einflussreicher Fürsprecher am Widerstand des Papstes und anderer Fürsten.

Für Papst und Reich | Die Wandmalerei aus dem späten 13. Jahrhundert zeigt, wie Papst Clemens IV. den Grafen der Provence, Karl von Anjou, mit Sizilien belehnt. Endlich hatte der Pontifex einen Streiter gegen die Staufer gefunden.

Karls von Anjou Griff nach Sizilien

Und dann, nur ein Jahr später, machte auch die Lage im Süden eine Kehrtwende zum Schlechteren. 1265 hatte der neue Papst Clemens IV. (um 1200–1268) endlich einen Kandidaten gefunden, der bereit war, seine Ansprüche gegen die Staufer gewaltsam durchzusetzen. Was hieß: Am Krieg führte nun kein Weg mehr vorbei.

Karl von Anjou, Graf der Provence und jüngerer Bruder des französischen Königs Ludwig IX., sehnte sich danach, selbst über ein mächtiges Reich zu regieren. Als er vom Pontifex das Königreich Sizilien auf dem Silbertablett serviert bekam, musste er nur zugreifen. Am 6. Januar 1266 wurde der Franzose persönlich von seinem Landsmann Clemens IV. in Rom gekrönt. Knapp acht Wochen später, am 26. Februar, trafen Karls und Manfreds Heere bei der Stadt Benevent etwa 50 Kilometer nordöstlich von Neapel aufeinander. Der Sohn Kaiser Friedrichs II. verlor die Entscheidungsschlacht und obendrein sein Leben. Damit war die staufische Herrschaft in Süditalien nach mehr als 70 Jahren gebrochen. Karl von Anjou zog als König in Neapel ein, das er zu seiner neuen Hauptstadt erhob.

Doch die Staufer, deren Anhänger man in Italien Ghibellinen nannte – nach der Bezeichnung »Waiblinger« für das Staufergeschlecht –, hatten noch immer viele Unterstützer in Sizilien. Einige von diesen Getreuen, die in Manfreds Diensten und mitunter schon in denen seines Vaters gestanden hatten, flohen nun aus dem Königreich in Richtung Norden zu ihrem letzten Hoffnungsträger: Konradin. »Sie forderten ihn auf, das Erbe seines Vaters im Königreich Sizilien gegen die Usurpation Karls zu verteidigen«, schreibt Andenna. »Der nun 14-jährige Staufer wurde faktisch von seinen Unterstützern gezwungen, einen Italienzug zu organisieren.«

Aber vielleicht kam Konradin die Kunde von Karls Machtergreifung und Manfreds Tod auch gar nicht so ungelegen, bot die neue Entwicklung doch eine große Chance für den jungen Staufer. In Deutschland war seine Situation festgefahren. Trotz aller Bemühungen hatten seine Angehörigen ihm nicht die nötige Machtbasis für die Königswahl verschaffen können. Mit Sizilien im Rücken hätten sich Konradins Aussichten auch im Wettbewerb um die Krone im Heiligen Römischen Reich zweifellos verbessert. »Wenn der einzige legitime Staufererbe nicht als deutscher König nach Italien ziehen konnte, dann wollte er es eben machen wie sein Großvater Friedrich II.: erst das sizilische Erbreich besitzen und dann von Süden aus das Reich im Norden erobern«, fasst Huber zusammen.

Alles auf eine Karte

Für Oktober wurde in Augsburg ein Hoftag anberaumt, auf dem mit anderen Fürsten hitzig über die Italienpläne diskutiert wurde. Laut einem Chronisten soll Konradin seinen »Herzenswunsch«, nach Italien zu ziehen, »mit Feuereifer« vorgetragen haben. Inwiefern diese Begeisterung dem 14-Jährigen im Nachhinein angedichtet wurde, lässt sich heute kaum noch rekonstruieren. Seine Vormünder hatten ihn zweifellos in und zu dem Bewusstsein erzogen, dass er nicht bloß zum Herzog von Schwaben, sondern zum König und Kaiser bestimmt war. Folgte Konradin nun diesem inneren Ruf? Oder brauchte es familiäre Strippenzieher im Hintergrund? Mindestens einer aus Konradins engstem Zirkel, sein Onkel und Vormund Heinrich von Bayern, soll sich gegen den Italienzug ausgesprochen haben.

Am Ende zählten seine Bedenken nichts, die Entscheidung stand fest: Im Spätsommer des folgenden Jahres würde Konradin mit einem Heer über die Alpen ziehen, um das Erbe seiner Vorfahren in Besitz zu nehmen. Bis dahin war noch reichlich Zeit für Vorbereitungen, und die brauchte der junge Herzog von Schwaben und nominelle König von Jerusalem auch. Denn es mangelte ihm an zwei für einen Krieg unerlässlichen Ressourcen: Verbündeten und Geld. Zumindest für Letzteres fand sich eine pragmatische Lösung. Nahezu sämtlicher Besitz, der Konradin geblieben war, wurde verpfändet, sogar solcher, über den er eigentlich nur als römisch-deutscher König hätte verfügen dürfen. Damit war alles auf eine Karte gesetzt. Bei einer Niederlage gegen Karl wäre Konradin nichts mehr geblieben.

Was die Unterstützung betraf, musste der Staufer neben seinen deutschen Verbündeten vor allem auf die italienischen setzen. Nicht nur in Sizilien gab es Ghibellinen, sondern auch wichtige Städte wie Verona, Pisa oder Siena standen auf Konradins Seite.

Schlacht | Die Heere Konradins (rechts) und Karls von Anjou (links) standen sich 1268 bei der Schlacht von Tagliacozzo gegenüber. Die französische Buchmalerei entstand um 1335/40.

Anfang September 1267 war es so weit: Von Augsburg aus setzte sich das nach Ullrichs Angaben zwischen 4000 und 6000 Rittern starke Heer in Bewegung. In einem wohlformulierten Manifest an die deutschen Fürsten lieferte Konradin eine Rechtfertigung für seine Entscheidung und stellte klar, dass er nicht gegen den Papst, sondern gegen Karl von Anjou zu Felde zog: »Nur gegen Karl, unseren Feind, der uns unsere Rechte vorenthält, wollen wir unsere Macht erproben. Wir wollen uns mit ihm im kriegerischen Schachspiel messen, die Schwerter sollen für unser Recht sprechen!«

Papst Clemens IV. hinderte das nicht daran, alle Register zu ziehen. Schon im Mai hatte er dem Staufer verboten, Italien zu betreten. Als dieser nicht gehorchte, erfolgte am 18. November die Exkommunikation. Im April 1268 wurde Konradin der Titel eines Königs von Jerusalem aberkannt. Da stand er mit seinem Heer bereits kurz vor Pisa.

Konradin gelang ein Durchmarsch

Bisher war Konradins Italienzug sehr erfolgreich verlaufen. In mehreren ghibellinisch dominierten Städten war er umjubelt empfangen worden. Auch die erhoffte Unterstützung in Form von Geld und weiteren Truppen kam. Und nun schien sogar noch das Glück auf seiner Seite, denn die Sarazenen, die muslimische Minderheit im Königreich Sizilien, denen es unter den Staufern gut ergangen war, lehnten sich gewaltsam gegen Karl von Anjou auf. Ende Juli zog der junge Staufer triumphal in Rom ein, wo er von einem seiner wichtigsten Verbündeten empfangen wurde. Heinrich von Kastilien, ein Bruder Königs Alfons X. von Kastilien und León, war Senator von Rom und damit Herr über die Stadt. Viel wichtiger aber: Karl von Anjou war sein Todfeind. Dabei hatte er den Franzosen zunächst bei dessen Kampf gegen Manfred unterstützt und dafür umfangreiche Ländereien zugesagt bekommen. Doch Karl hatte, wie Hans Uwe Ullrich erklärt, sein Versprechen nicht eingelöst.

Immer an Konradins Seite stand auch sein wohl wichtigster Freund und Begleiter. Mit dem drei Jahre älteren Markgrafen Friedrich von Baden-Österreich verband den Staufer nicht nur eine Freundschaft, sondern ein ähnliches Schicksal. Auch Friedrich war ein Herrscher ohne Land, der danach strebte, seinen familiären Rechtsanspruch auf die Herzogtümer Österreich und Steiermark gegen den böhmischen König Ottokar durchzusetzen, der diese annektiert hatte. Er wird darauf spekuliert haben, dass Konradin ihm dabei helfen könnte, mutmaßt Huber.

Gemeinsam mit Heinrich von Kastilien und dessen Männern zog das Heer nun der unausweichlichen Entscheidungsschlacht entgegen. Bei einem ersten Gefecht im Arnotal gelang es Konradins Truppen, unter Friedrichs Führung die Soldaten Karls zu besiegen und einen seiner Marschälle gefangen zu nehmen. Doch zum eigentlichen Showdown kam es dann am Morgen des 23. August 1268 in der Nähe des Ortes Tagliacozzo, etwa 65 Kilometer östlich von Rom. Binnen kurzer Zeit überrannte Konradins zahlenmäßig überlegenes Heer mit Heinrich von Kastilien an der Spitze den Gegner.

Als der Spanier Karls prächtige Rüstung inmitten des Getümmels erkannte, gab es für ihn kein Halten mehr: Er drosch auf den Mann ein und tötete ihn vor den Augen der französischen Soldaten. Diese suchten ihr Heil in der Flucht, wie Ullrich in seinem Buch das Geschehen schildert. Zwar setzte Heinrich noch dem versprengten Heer nach, um den Franzosen den Rest zu geben, doch die Schlacht war geschlagen. Konradin, der mit einigen seiner Kämpfer nicht einmal hatte eingreifen müssen, war der strahlende Sieger. Das Königreich Sizilien stand ihm und seiner Dynastie wieder offen. Aber er täuschte sich.

Eine Kriegslist wurde Konradin zum Verhängnis

Denn diesmal war Karl der Zufall zu Hilfe gekommen. Kurz vor der Schlacht war er auf einen alten Weggefährten getroffen: Der Kreuzritter Érard de Valéry, der schon Jahre zuvor an Karls Seite gekämpft hatte, machte auf der Rückreise aus dem Heiligen Land in Süditalien Station. In Palästina hatte Érard Bekanntschaft mit der überlegenen Kriegstaktik der Muslime gemacht – und die riet er Karl nun gegen Konradin einzusetzen. Sein Plan bestand aus zwei Listen: Erstens sollte einer von Karls Marschällen sich als der König ausgeben und in dessen Rüstung schlüpfen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zweitens sollte sich das staufische Heer in der Offensive aufreiben, um dann von der französischen Reserve niedergewalzt zu werden.

Um ein Haar wäre der Plan gescheitert, weil die Franzosen empfindliche Verluste hinnehmen mussten. Doch als das deutsch-italienisch-spanische Heer die Schlacht für beendet hielt, ließen die Soldaten wie erwartet alle Vorsicht fahren. Sie begannen, ihre Rüstungen und Waffen abzulegen und, wie üblich, die toten Feinde zu plündern. »Die vermeintlichen Sieger merkten nicht, wie im Versteck auf den Hügeln die Helme aufgesetzt und die Lanzen eingelegt wurden, mit dem festen Entschluss, mit einem Himmelfahrtskommando alles auf eine Karte zu setzen«, schreibt Huber.

Aus dem Nichts griff Karls Reserve mit Érard an der Spitze an. In Konradins Truppe kam es zu Chaos und Panik. Seine Soldaten flohen schließlich in alle Himmelsrichtungen. Auch Konradin selbst eilte mit etwa 500 Rittern davon. »Dabei hätte nüchterne Überlegung ergeben, dass nach den furchtbaren Verlusten der Franzosen lediglich die Reserve noch kampffähig gewesen ist«, so Ullrichs Fazit. Wäre es gelungen, das Heer wieder zu sammeln und zu ordnen, hätte das Blatt erneut gewendet werden können. Doch dazu kam es nicht.

Konradin befand sich nun auf der Flucht, Heinrich von Kastilien bereits in Gefangenschaft. Wie sollte es weitergehen? Der junge Staufer hätte sich auf dem schnellsten Wege zurück nach Deutschland begeben können, um zumindest sein nacktes Leben zu retten. Aber war das wirklich eine Option? »Alles Gut und Geld befand sich in den Händen anderer«, gibt Ullrich zu bedenken. »Er selbst hatte keinen nennenswerten Eigenbesitz mehr. Sein Heil und seine Zukunft lagen nach wie vor allein im Süden.«

Vermutlich hoffte Konradin darauf, sich auf der Insel Sizilien an die Spitze des Aufstands gegen Karl setzen zu können. Sicher ist nur, dass er zusammen mit einigen seiner Getreuen um den 8. September herum auf dem Meer aufgegriffen und gefangen genommen wurde. Nahe der Burg Torre Astura, knapp 60 Kilometer südlich von Rom, hatte die Gruppe ein Fischerboot angeheuert, das sie nach Sizilien bringen sollte. Das war dem Burgherrn Johannes Frangipane nicht entgangen. Ausgerechnet er, ein Günstling der Staufer, der von Friedrich II. zum Ritter geschlagen worden war, verriet nun dessen Enkel und übergab ihn an Karl von Anjou. Damit war Konradins Schicksal besiegelt.

Auch besiegt blieb Konradin eine Bedrohung

Als Triumphator hatte der inzwischen 16-Jährige eigentlich in Neapel einziehen wollen. Nun kamen er und seine Gefährten in Ketten und wurden im Castel dell'Ovo, das noch heute steht, eingekerkert. Konradin war für Karl von Anjou zu gefährlich, als dass er ihn hätte verschonen können. Und so folgte unausweichlich und ohne einen Prozess das Todesurteil. Eine gewisse Uneinigkeit besteht in der Forschung bis heute, auf welcher Rechtsgrundlage dieses gefällt wurde. Der Historiker Giancarlo Andenna geht in seinem Aufsatz im Sammelband »Konradin« davon aus, dass der jugendliche Monarch nach den von seinem Großvater eingeführten Gesetzen als Invasor verurteilt wurde. »Auch wenn sich Konradin hundertmal als sizilischer König und als Sizilianer fühlte – für den Papst und für Karl von Anjou war er nichts anderes als ein Eindringling, ein angehender Thronräuber«, schreibt auch Huber.

Am 29. Oktober 1268, vor 755 Jahren, wurden Konradin und mindestens zehn seiner Mitstreiter, darunter auch Friedrich von Baden-Österreich, auf dem Marktplatz von Neapel, der heutigen Piazza del Mercato in der Nähe des Hafens, durch Enthauptung hingerichtet. Ihre Gebeine wurden zunächst beim Strand verscharrt, zwei Jahre später aber ausgegraben und in die unweit der Hinrichtungsstätte gelegene Kirche Santa Maria del Carmine überführt, wo sie bis heute ruhen. Dass dies auf Veranlassung von Konradins Mutter geschah, ist laut dem Historiker Hansmartin Schwarzmaier (1932–2021) eine von unzähligen Legenden, die um den letzten Staufer und auch um seine Mutter entstanden. Ihr sollen seine letzten Worte gegolten haben, und sie wiederum soll das Kloster Stams in Tirol, in dem sich ihr Grab befindet, zu seinem Andenken gestiftet haben. Belegen lässt sich das allerdings nach Meinung mehrerer Historiker nicht. Es ist nicht einmal geklärt, ob das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn tatsächlich so innig war. Mit Konradins Erziehung hatte Elisabeth jedenfalls kaum etwas zu tun. 1259 hatte sie den Grafen Meinhard II. von Tirol geheiratet, mit dem sie wiederum mehrere gemeinsame Kinder hatte.

Konradins tragisches Schicksal hat über Jahrhunderte die Fantasie der Menschen in Legenden und Dichtungen beflügelt. Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts sollen die Bauern in der süditalienischen Provinz von dem Staufer »wie von einem ihrer Nationalhelden« gesprochen und seinen Tod beklagt haben, schreibt Carlo Levi in seinem autobiografischen Roman »Christus kam nur bis Eboli«. Zugleich wurde die Geschichte auch immer wieder instrumentalisiert. Schon Martin Luther machte damit Propaganda gegen den Papst, im 19. und 20. Jahrhundert diente sie als »Steilvorlage für anti-welsche, anti-französische Ressentiments«, wie Klaus Graf, Historiker an der Universität Freiburg und der RWTH Aachen, es im Fachjournal »Schwäbische Heimat« ausdrückt. Heine hat das in seiner Anekdote eindrücklich veranschaulicht.

Jeder Mythos braucht einen Schurken

Im selben Maß, wie Konradin zum unschuldig gemordeten Jüngling verklärt wurde, stilisierte die Nachwelt, zumindest in Deutschland, Karl von Anjou zum Finsterling und Bösewicht. Auch wenn der Franzose wohl selbst nach mittelalterlichen Maßstäben weit von den Idealvorstellungen eines Herrschers entfernt war, ist die Wissenschaft heute doch um eine differenziertere Darstellung seiner Person bemüht. Karl habe zwar grausam, aber eben nicht grausamer als andere mittelalterliche Herrscher, darunter auch die Staufer, gehandelt, argumentiert etwa Huber. Denn die schwäbische Dynastie war in der Vergangenheit nicht zimperlich mit jenen umgegangen, die ihre Herrschaft anfochten.

Tatsächlich fing die Vereinnahmung jedoch schon viel früher an. Bereits kurz nach Konradins Tod begann der Kampf zwischen den Anhängern und den Feinden der Staufer um die Deutung der Ereignisse. Nachdem 1282, also 14 Jahre nach der Hinrichtung, ein Massenaufstand gegen die Herrschaft Karls von Anjou ausgebrochen war – die so genannte Sizilianische Vesper –, setzte sich König Peter III. von Aragon an die Spitze der Widerstandsbewegung und entriss Karl die Insel. »Die aragonischen Herrscher stellten dann einen direkten Zusammenhang zwischen der Hinrichtung Konradins und der Vesper-Revolte her, die für die Dynastie der Anjou im Verlust Siziliens resultierte«, schreibt der Historiker Giovanni Vitolo, der ehemals an der Universität Neapel Federico II lehrte, im Sammelband »Konradin«.

Als Legitimation für seine Herrschaft führte Peter übrigens seine Ehe mit Konstanze an, die als Tochter Manfreds denselben Großvater hatte wie auch Konradin: den großen Stauferkaiser Friedrich II. Das änderte freilich nichts daran, dass die direkte männliche Linie der Staufer mit Konradin ausgestorben war. Der Untergang des Hauses, das mehr als 100 Jahre lang das Heilige Römische Reich dominiert hatte, ebnete anderen aufstrebenden Dynastien den Weg. So kam 1273 mit Rudolf IV. der erste Habsburger auf den römisch-deutschen Königsthron. Viele weitere sollten folgen.

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