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Molnupiravir: Virostatikum könnte Coronamutationen vorantreiben

Das Medikament Molnupiravir wirkt, indem es für Mutationen im Genom des Virus sorgt. Doch in einigen Fällen überlebt der Erreger. Kann das die Entwicklung neuer Varianten fördern?
Medizinerin mit Mundschutz hält antivirale Pille in die Kamera
Molnupiravir war eines der ersten antiviralen Mittel, das während der Covid-19-Pandemie für die Behandlung schwerer Fälle zur Verfügung stand. Es ruft Mutationen im Genom des Virus hervor, wodurch dieses daran gehindert wird, sich zu vermehren. (Symbolbild)

Einst handelte man es als »Gamechanger« im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie – das antivirale Medikament Molnupiravir. In Deutschland darf es nicht mehr verordnet werden, in einigen Ländern weltweit ist es noch im Einsatz. Es mehren sich jedoch Hinweise darauf, dass das Coronavirus mitunter die Behandlung überlebt, was zu mutierten Versionen führt, die sich auf den Menschen übertragen können. Das berichtet ein Team um Theo Sanderson vom Francis Crick Institute in London in der Fachzeitschrift »Nature«. Die Ergebnisse seien wichtig für die weitere Bewertung von Molnupiravir und ähnlichen Medikamenten, die aktuell entwickelt werden.

Molnupiravir ist ein antiviraler Arzneistoff der Pharmaunternehmen Merck Sharp & Dohme (MSD) und Ridgeback Biotherapeutics und wird unter dem Markennamen Lagevrio vertrieben. Am 24. Februar 2023 verweigerte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) seine Zulassung in der EU. Sie begründete das mit dem fehlenden Nachweis eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses zur Behandlung von Covid-19. In Deutschland darf das Mittel nicht mehr abgegeben werden.

Das Medikament löst während der Replikation spezifische Mutationen in der RNA des Virus aus und verhindert so dessen Vermehrung. In manchen Fällen könne das Coronavirus allerdings die Behandlung überleben – in der mutierten Form, die auf andere Menschen übertragbar ist, berichten die Forscherinnen und Forscher.

Für seine Studie hatte das Team globale Sequenzierungs-Datenbanken durchforstet, somit mehr als 15 Millionen Sars-CoV-2-Genome. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten die charakteristischen Mutationen in Sequenzen aus dem Jahr 2022, also nach der Einführung der Molnupiravir-Therapie. Viele der Länder, in denen die Mutationen auftraten, meldeten 2022 einen weit verbreiteten Einsatz des Medikaments. Hierzu gehören Großbritannien, Australien, die USA und Japan. Im Gegensatz dazu wies zum Beispiel Kanada, das Molnupiravir nicht zugelassen hat, eine geringere Anzahl der Mutationen in den untersuchten Sequenzen auf.

Weitere Analysen ergaben, dass die Mutationen häufiger in Viren von älteren Patienten auftraten, die eher mit dem Virostatikum behandelt werden. Außerdem zeigte sich, dass Virusproben aus England, die die charakteristischen Mutationen aufwiesen, überzufällig häufig zu Patienten gehörten, die mit Molnupiravir behandelt worden waren.

Es ist nicht klar, ob die Mutationen die Toleranz gegenüber Molnupiravir beeinträchtigen. Es gibt auch keine Beweise dafür, dass das Mittel gefährlichere Varianten von Covid hervorgebracht hat. Den Autoren zufolge erhöhen die Mutationen aber die genetische Vielfalt des Virus und schaffen dadurch mehr Möglichkeiten für ihre Evolution. »Die Menschen haben einige Bedenken gegenüber Molnupiravir, und in gewisser Weise werden diese dadurch konkreter«, sagte Theo Sanderson gegenüber »The Guardian«.

Die Autoren empfehlen den Gesundheitsbehörden, die Auswirkungen von Molnupiravir auf das virale Genom und die Übertragbarkeit weiter zu untersuchen. Die Daten könnten für die laufende Bewertung der Risiken und des Nutzens der Behandlung nützlich sein und die künftige Entwicklung von mutagenen Wirkstoffen als Virostatika leiten.

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