Direkt zum Inhalt

Kulinarisches Labor: Gebäck aus samtweichem Brösel

Weihnachten ist vorbei. Aber für Plätzchen, die auf der Zunge zergehen, ist es nie zu spät. Das Geheimnis: zuerst die Zutaten erhitzen, dann vermengen – das verleiht ihnen Aroma und die richtige Konsistenz.
Ein Teigballen wird mit Mehl bestreut

Wie backt man gute Kekse? Rezepte gibt es zuhauf, darunter so manch gewagtes. Aber mal stimmen die Verhältnisse der Zutaten nicht, mal ist das empfohlene Vorgehen etwas eigenartig oder sogar widersprüchlich.

Ein wissenschaftlicher Geist würde zunächst fragen, wann Kekse überhaupt gut sind. Man möchte eine mürbe, krümelige Konsistenz, doch vor allem viel Geschmack, und das auf Basis der klassischen Zutaten wie Mehl, Eier, Butter und Zucker … Nicht zu vergessen die Prise Salz, die Wohlgerüche freisetzt und gleichzeitig den Geschmack verstärkt.

Konzentrieren wir uns zunächst auf die Konsistenz. Bereits 1759 führte der Straßburger Chemiker Johannes Kesselmeyer einen Versuch durch, bei dem er aus Mehl und Wasser eine Teigkugel herstellte und diese dann »auswusch«, das heißt in Wasser knetete. Daraus konnte man schließen, dass Mehl aus Stärke und Gluten (einem Mix verschiedener Proteine) besteht. Die letztgenannte Substanz ist der Grund dafür, dass der Teig zusammenhält: Das Wasser bildet Brücken zwischen den Proteinen, die dadurch ein dreidimensionales Netzwerk bilden, in dem die Stärkekörner gefangen sind. Eine solche Substanz ist allerdings fürchterlich hart – ganz anders als der krümelige Mürbeteig, den wir herstellen wollen.

Das geröstete Mehl hat einen Geschmack, der nahezu an den von Schokolade heranreicht

Die Beigabe von Zucker hilft, das Netzwerk zu lockern. Fügt man einer solchen Kugel aus Mehl und Wasser Puderzucker hinzu, verliert der Teig in wenigen Sekunden seine Konsistenz und beginnt zu zerfließen. Der Zucker zieht nämlich das Wasser aus den Proteinbrücken ab, und es entsteht ein Sirup, in den die Stärkekörnchen eingeschlossen werden. Möchte man nun noch den Beitrag des Glutens reduzieren, ist das leicht dadurch zu erreichen, dass man das Mehl im Vorfeld röstet, zum Beispiel unter dem Grill im Backofen oder in einem Topf ohne Zugabe von Fett. Man erhält köstliches, geröstetes Mehl, das von einem Teil seiner Proteine befreit wurde und so mit den übrigen Zutaten eine perfekte, krümelige Konsistenz bildet. Außerdem hat das geröstete Mehl einen Geschmack, der nahezu an den von Schokolade heranreicht.

Nun sind wir also beim Geschmack angekommen: Wie bekommt das Gebäck den besten Geschmack? Natürlich hat Butter einen Eigengeschmack, aber warum sollten wir ihr nicht noch mehr Geschmack verleihen, indem wir sie im Vorfeld erwärmen, bis sie bräunlich schimmert? Die Proteine der Butter verleihen ihr ein Aroma gegrillter Haselnüsse, das perfekt zum gerösteten Mehl passt. Den Zucker erhitzen wir ebenfalls und machen Karamell daraus, was dem Teig eine kraftvolle Note gibt.

Serie »Kulinarisches Labor«

Ein Glas Wein schmeckt am besten mit einem Stück Käse. Aber warum eigentlich? Wieso wirkt Tee entgiftend? Und wie werden Kekse richtig schön krümelig? Der Chemiker Hervé This, Experte für molekulare Gastronomie, plaudert aus dem Kochtöpfchen.

Bleibt noch das Ei. Von ihm sollte man wissen, dass es bei starkem Erhitzen Schwefelwasserstoff freisetzt, wie das folgende (nicht zum Verzehr geeignete!) Ergebnis eines Experiments zeigt: Hält man über ein kochendes Ei ein mit farbloser Blei-Azetat-Lösung getränktes Papier, färbt sich das Blatt schwarz – ein Hinweis auf Schwefelwasserstoff, der in hohen Konzentrationen giftig ist und Übelkeit erregt. In niedrigen Konzentrationen erzeugt er jedoch eine sehr angenehme Note von gekochtem Ei.

Deshalb teilen wir nun für unseren Mürbeteig das Ei: Eine Hälfte wird stark erhitzt, zerkleinert und der Mischung aus geröstetem Mehl, karamellisiertem Zucker und Nuss-Butter zugefügt, während die andere Hälfte während des Backvorgangs langsam mit dem Teig verklebt.

Und so erhalten wir, dank wissenschaftlicher Analyse, wunderbar mürbes und äußerst schmackhaftes Gebäck.

Das Rezept

  • In einem Topf 250 Gramm Mehl und 50 Gramm gemahlene Mandeln erhitzen, bis sie sich braun verfärben (hell- bis dunkelbraun, je nach Geschmack)
  • In einem weiteren Topf 150 Gramm Butter erhitzen, bis sie sich bräunlich verfärbt und ein Haselnussaroma verströmt
  • In einem dritten Topf 100 Gramm Zucker mit einem Esslöffel Wasser erhitzen, bis die Masse einen leichten Karamellton annimmt
  • Das Eiweiß in einer Pfanne erhitzen, bis es stark nach gebratenem Ei riecht
  • Wenn alle vorbereiteten Zutaten abgekühlt sind, diese sorgfältig miteinander vermischen, dann das Eigelb und eine großzügige Prise Salz zugeben
  • Eine Stunde kaltstellen, auf einer Backunterlagen ausbreiten und die Plätzchen ausstechen
  • Im heißen Backofen bei 210 Grad für 12 Minuten backen

    Schreiben Sie uns!

    Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

    Partnerinhalte

    Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.