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Mysteriöse Objekte: Größter Neutronenstern oder kleinstes Schwarzes Loch?

Ein kompaktes Objekt gibt Rätsel auf: Wurde der bislang massereichste Neutronenstern entdeckt – oder aber das kleinste bislang bekannte Schwarze Loch?
Vor einem schwarzen Hintergrund ist ein kugelrunder Haufen aus hell leuchtenden Sternen in unterschiedlichen Farben. In der Mitte des Kugelsternhaufens sind mehr Sterne, nach außen hin verringert sich die Sterndichte.
Der uralte Kugelsternhaufen NGC 1851 im Sternbild Taube (lateinisch: Columba) am Südhimmel enthält neben Hunderttausenden dicht gepackten Sternen auch den Millisekundenpulsar PSR J0514−4002E – und der hat einen mysteriösen Begleiter.

Nachdem er die Supernova-Explosion am Ende seiner Entwicklung überstanden hat, endet der Kern eines massereichen Sterns entweder als Neutronenstern oder als Schwarzes Loch. Kurios ist, dass in der Massenverteilung dieser kompakten Objekte eine Lücke klafft: Beobachtete Neutronensterne hatten bisher eine maximale Masse von 2,2 Sonnenmassen, während die kleinsten, das heißt masseärmsten Schwarzen Löchern erst bei drei Sonnenmassen anfangen. Nun haben Forscherinnen und Forscher um Ewan Barr vom Max-Planck für Radioastronomie ein kompaktes Objekt gefunden, das mit rund 2,35 Sonnenmassen genau in diese Lücke passt. Der Fund ist damit entweder das masseärmste Schwarze Loch, das je gefunden wurde, oder aber der massereichsten Neutronenstern. Allerdings, so schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift »Science«, können sie nicht zwischen diesen beiden Varianten unterscheiden.

Das kompakte Objekt befindet sich im Kugelsternhaufen NGC 1851 im Südsternbild Taube. Es handelt sich dabei um den Begleiter des Millisekundenpulsars PSR J0514−4002E. Ein solcher extrem schnell rotierender Neutronenstern entsteht, wenn dieser Teil eines engen Doppelsternsystems ist und Masse von seinem Begleiter abzieht. Der Begleiter kann entweder ein Weißer Zwerg – selbst der Überrest eines masseärmeren Sterns – oder aber ein gewöhnlicher Stern sein. Aus Beobachtungen mit dem Radioteleskop MeerKAT in Südafrika konnten die Forscher auf die Eigenschaften des Millisekundenpulsars schließen: Der Pulsar dreht sich alle 5,6 Millisekunden um die eigene Achse und die Umlaufdauer der beiden Objekte beträgt 7,44 Tage. Die Exzentrizität der Umlaufbahn in diesem System ist mit 0,71 recht hoch.

Neutronenstern oder Schwarzes Loch als Begleiter eines Pulsars

Weitere Analysen, die relativistische Effekte auf Grund der extremen Gravitationskräfte in diesem System miteinbezogen, ergaben schließlich, dass die Masse des gesamten Systems 3,887 Sonnenmassen beträgt. Dabei war die Unsicherheit dieses Werts mit 0,004 Sonnenmassen sehr gering. Der Pulsar selbst soll demnach eine Masse von rund 1,53 Sonnenmassen haben, der Begleiter rund 2,35 Sonnenmassen. Aber dieser Begleiter ist kein Stern: Ein Stern hätte in Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble im optischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums sichtbar sein sollen. Das ist nicht der Fall.

Der Begleiter muss demnach ein kompaktes Objekt sein, so die Forscher und Forscherinnen, entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Sie nehmen an, dass dieses ungewöhnliche System nicht immer so ausgesehen hat: Wahrscheinlicher sei es, dass der Millisekundenpulsar einst einen kleineren Begleiter hatte. Das System befindet sich schließlich in einem Kugelsternhaufen, in dem auf Grund der hohen Sterndichte die Wechselwirkungen dafür sorgen, dass solche Pulsare ihre Begleiter tauschen können. Deshalb halten es die Wissenschaftler für wahrscheinlich, dass dem Pulsar einst ein masseärmerer Begleiter abhandengekommen ist und er daraufhin in einem Doppelsystem mit dem kompakten Objekt endete.

Dieses könnte einst bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne entstanden sein, so die Forscher. Das erklärt vielleicht die ungewöhnliche Masse des mysteriösen Objekts: Aus Gravitationswellensignalen bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne sind zumindest einige wenige kompakte Objekte mit ähnlicher Masse bekannt.

Bleibt die Frage, was dieser Begleiter ist: Schwarzes Loch oder Neutronenstern? Ist er ein Neutronenstern, könnte er Forschenden viel darüber verraten, wo die bislang unbekannte Obergrenze für die Masse von Neutronensternen liegt. Handelt es sich hingegen um ein Schwarzes Loch, könnte es Aufschlüsse darüber liefern, wie Schwarze Löcher entstehen. Das Forschungsteam stellte verschiedene Überlegungen an, kam aber zu dem Schluss: »Wir können nicht zwischen einem Neutronenstern und einem Schwarzen Loch als Begleiter unterscheiden.« So bleibt der Begleiter des Millisekundenpulsars PSR J0514−4002E vorerst eine interessante Entdeckung, ohne dass sicher ist, was genau da entdeckt wurde.

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