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Steinzeit: Europas ältester Krieg

Krieg ist leider ein steter Begleiter der europäischen Geschichte. Das zeigt ein steinzeitliches Massengrab in Spanien - der älteste bekannte Fund von Kriegsopfern.
Zahlreiche menschliche Überreste liegen in einem steinzeitlichen Massengrab. Details sind kaum zu erkennen
Zahlreiche menschliche Überreste liegen in einem steinzeitlichen Massengrab. Sie weisen viele schwere Verletzungen auf.

Um sich die Köpfe massenhaft einzuschlagen, brauchen wir Menschen keine Staaten. Das zeigt ein steinzeitliches Massengrab in Nordspanien mit hunderten Skeletten und Knochen, die teilweise heftige Verletzungen aufweisen. Für Teresa Fernández-Crespo von der Universidad de Valladolid und ihre Arbeitsgruppe sind die 5000 Jahre alten Gebeine die ältesten bisher bekannten Spuren eines Krieges auf europäischem Boden – 1000 Jahre älter als der vorherige Rekordhalter. Ihre Analysen berichten die Forscher in »Scientific Reports«.

1985 hatte ein Baggerfahrer bei Bauarbeiten die Begräbnisstätte von San Juan ante Portam Latinam geöffnet; anschließende Radiokarbondatierungen ergaben dann, dass die Toten zwischen 3380 und 3000 v. Chr. hier beerdigt worden waren. Fernández-Crespos Team untersuchte nun ein Teil der 90 kompletten und 200 unvollständigen Skelette, die zusammen mit tausenden losen Knochen in dem Massengrab lagen: Viele davon wiesen Spuren von Verletzungen auf. Neben den menschlichen Überresten gruben Archäologen zudem zahlreiche Waffen wie Steinäxte und steinerne Speerspitzen aus.

Ursprünglich galten die Toten als Opfer eines einzelnen Massakers, doch die neue Analyse kommt zu einem anderen Schluss. Vielmehr habe es sich um einen längeren, fortgesetzten Konflikt gehandelt, der überwiegend von jungen Männern ausgetragen wurde. Insgesamt konnte das Team mindestens 338 Opfer ausmachen, von denen ein knappes Viertel sichtbare Wunden aufwies: eine der höchsten Raten von Gewaltspuren in prähistorischen Fundstätten. Darunter fanden sich 65 nicht verheilte und 89 verheilte Wunden, die also nicht zum unmittelbaren Tod geführt hatten, was einen langen Konflikt andeute, so die Forscher. Überwiegend entstanden die Verletzungen durch stumpfe Gewalt wie Axthiebe, Knüppelschläge oder Steinwürfe.

Gegen ein Massaker spricht das Geschlechterverhältnis. Es wurden deutlich mehr Männer unter den Toten identifiziert, die auch bei den Verletzten dominierten: 45 Prozent der Männer wiesen schwere Wunden auf, jedoch nur 24 Prozent der Frauen. Noch deutlicher fiel das Verhältnis bei den nicht verheilten Verletzungen auf, die wahrscheinlich zum Tod geführt hatten: Knapp 75 Prozent entfielen auf Männer. Derartige Unterschiede kennt man aus keinem anderen neolithischen Massengrab.

Der Krieg habe mindestens mehrere Monate angedauert, so Fernández-Crespo und Co. Was in ausgelöst haben könnte, liegt aber bislang völlig im Dunkeln der Geschichte. Sicher ist dagegen, dass dieser Konflikt mindestens 1000 Jahre früher ausbrach als die bisher ältesten bekannten Waffengänge auf europäischem Boden. Diese sollen vor 4000 bis 2800 Jahren vor heute in der Bronzezeit stattgefunden haben. Noch älter ist dagegen ein Fund aus dem Niltal vor mehr als 13 400 Jahren: Hier sollen sich Jäger und Sammler ebenfalls über einen längeren Zeitraum bekämpft und dabei Fernwaffen wie Speere eingesetzt haben.

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