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Plattentektonik: Stockender Verkehr

Sie treibt die Evolution an, beeinflusst das Klima, und ohne sie wäre wohl bald der gesamte Planet mit Wasser überdeckt, weil die Erosion alles gleich machen würde: Die Plattentektonik prägt das Antlitz der Erde auf verschiedene Weise. Bisweilen legt sie jedoch Ruhepausen ein.
Das Antlitz der Erde vor etwa 65 Millionen Jahren
In etwa 350 Millionen Jahren droht ein kolossaler Auffahrunfall: Die nach Westen driftende Nordamerikanische Platte stößt dann mit der Eurasischen zusammen und verknäuelt sich mit ihr zu einem neuen Superkontinent, der einen großen Teil der irdischen Landmasse umfassen wird. Der Zusammenprall verursacht allerdings einen Kollateralschaden, der für die nachfolgende Entwicklung der Erdoberfläche erst einmal nicht unerheblich sein wird. Denn mit der Vereinigung der großen Krustenteile verschwindet auch der Pazifische Ozean und mit ihm die zahlreichen Subduktionszonen, die seine Ränder begrenzen.

Damit geriete wohl der restliche Plattenverkehr ebenfalls ins Stocken, meinen Paul Silver vom Carnegie-Institut in Washington und Mark Behn vom Woods Hole Oceanographic Institution, denn die Subduktionszonen sind quasi der geotektonische Motor der Kontinentalbewegungen. Hier taucht der schwere Ozeanboden unter die leichtere Festlandskruste ab, schmilzt auf und speist Vulkane wie jene der Anden, Japans oder Indonesiens. Zudem gleichen sie räumlich den Gewinn neuen Seebodens aus, der entlang der Mittelozeanischen Rücken entsteht – während dieser Kontinente auseinander drückt, ziehen die Subduktionszonen sie zusammen und tragen so ihren Teil zur Plattentektonik bei.

Rekonstruktion von Rodinia | Eine der vielen diskutierten möglichen Rekonstruktionen des Superkontinents Rodinia am Ende des Proterozoikums mit den beteiligten Kratonen. Seine Entstehung brachte womöglich die Plattentektonik zeitweilig zum Erliegen.
Lahmt sie aber, verändert sich nicht nur die Verteilung der Kontinente langsamer oder gar nicht mehr. Auf Dauer gewinnt nun die Erosion die Oberhand, trägt die Gebirge ab und nivelliert die Landschaft. Im Extremfall – sollte der interne Motor nicht mehr anspringen – könnte sich die Erde endgültig zu einem Wasserplaneten fortentwickeln, da Wind und Wetter Boden und Gestein auf Dauer ins Meer spülen dürften. Gleichzeitig sinkt die Artenzahl, da mit den Gebirgen viele ökologische Nischen verschwinden, parallel dazu breiten sich auf den Superkontinenten die durchsetzungsfähigsten Spezies weit aus, während viele Spezialisten verdrängt werden. Und zu guter Letzt schwindet die Variabilität des Klimas, das dann vor allem von der Lage des jeweiligen Ortes zum Meer und vom Breitengrad abhängig ist.

Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass in der Erdgeschichte immer wieder Subduktionszonen verschwunden sind, so die beiden Geologen. Vor dreißig bis fünfzig Millionen Jahren schloss sich etwa die Tethys zwischen Europa und Afrika und stieß Indien mit Asien zusammen. Gewaltige Kräfte drückten die Alpen wie den Himalaja nach oben, zerrten und zogen an der Erdkruste, starke Spannungen bauten sich auf, die sich bis heute immer wieder in schweren Beben entladen. Theoretisch sollte dieser "Stress" andernorts neuerliche Subduktionszonen schaffen, die den Verlust jener des Tethys-Meeres ausgleichen müssten.

Doch diese fehlen: Weder südlich von Afrika noch von Indien taten sich entsprechende Gräben auf. Gleiches gilt für den südasiatischen Subkontinent selbst, der in seinem Inneren ausgedehnt deformiert ist, jedoch während der letzten fünfzig Millionen Jahre keinerlei Ansätze neuer Subduktion erkennen lässt. Überhaupt entstanden bis auf kleinere Ausnahmen sogar während der letzten achtzig Millionen Jahre alle wichtigen neuen Tiefseegräben im Pazifik.

Vor einer Milliarde Jahre stoppte die Subduktion wohl sogar weltweit für eine gewisse Zeit, wie Silver und Behn anhand von geochemischen Analysen alten Lavagesteins belegen können. Anhand des Verhältnissen von Niob zu Thorium sowie verschiedener Helium-Isotope in diesen Steinen schließen die beiden Forscher, dass damals die vulkanische Aktivität, die mit subdizierenden Prozessen verbunden ist, quasi erloschen war. Der Auslöser: Ein Meeresbecken ähnlich dem heutigen Pazifik verschwand, weil Erdplatten sich zum Superkontinent Rodinia zusammengeschlossen hatten. Es dauerte anschließend mehr als hundert Millionen Jahre, bis die Plattentektonik wieder ansprang und die Landmasse zerbrach. Diese Erkenntnis wirft nun auch neues Licht auf eine Entdeckung von Geowissenschaftler um Clinton Rowe von der Universität von Nebraska in Lincoln, die kürzlich eine These veröffentlichten, nach der Pangäa – ein weiterer Superkontinent – über Millionen Jahre hinweg ortstreu verharrte. Sie hatten Sandsteine im Südwesten der USA gefunden, deren innere Struktur auf gleichbleibende klimatische Ablagerungsbedingungen über den gesamten Zeitraum hindeutet. Das ist allerdings schwer nachvollziehbar, sollte Pangäa, wie bislang vermutet, nach Norden gedriftet sein. Silvers und Behns Erkenntnisse böten folglich eine plausible Alternative.

Ein im geologischen Sinne kurzzeitiger Stopp der Plattentektonik böte dem Planeten sogar Vorteile, wie die Geologen weiter ausführen: Die Bewegungen der Kontinente werden schließlich von Hitzeströmen aus dem Erdinneren angetrieben, die dieses langsam abkühlen, was am Ende im absoluten geotektonischen Stillstand mündet. Ein Superkontinent könnte diesen Energietransfer begrenzen und damit die nachteilige Abkühlung verlangsamen – ganz wie ein Deckel auf dem Topf mit der heißen Suppe.

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