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Trotzreaktion: Weniger Fleisch? Nein, jetzt erst recht!

»Weniger Fleisch ist gesund und gut fürs Klima.« Warum reagieren manche Menschen auf solche Infokampagnen mit Trotz und wollen nicht weniger, sondern sogar mehr Fleisch essen?
Eine Frau hält einen Teller in der Hand, auf dem ein riesiges Schnitzel liegt.
Zwar gibt es noch solche XXL-Schnitzelportionen in Restaurants, doch im Schnitt tendieren die Deutschen zu immer weniger Fleisch: Mit 52 Kilogramm pro Person sank laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft der Pro-Kopf-Verzehr 2022 im Vergleich zu 2021 um rund 4,2 Kilogramm.

»Gesund essen macht schlau!«, »Iss bunt, leb gesund«, »Einfach. Besser. Essen.«, »Weniger ist mehr: Zucker, Fette und Salz reduzieren« – zahlreiche Informationskampagnen und -broschüren versuchen, Menschen von einem gesunden Verhalten zu überzeugen. Fast täglich werden wir mit Aufforderungen konfrontiert, uns mehr zu bewegen, gesünder zu essen oder mit dem Rauchen aufzuhören. Studien haben gezeigt, dass solche Botschaften durchaus wirken können, ihre Effekte aber begrenzt sind. Ein Erklärungsansatz dafür ist das Phänomen der psychologischen Reaktanz: Durch die Aufforderung, das eigene Verhalten zu ändern, können Menschen das Gefühl haben, nicht selbst entscheiden zu können. Dann fühlen sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, reagieren verärgert und ignorieren die Botschaft oder verstärken sogar das unerwünschte Verhalten. Während die Auswirkungen psychologischer Reaktanz in vielen Bereichen gut untersucht sind, ist wenig über die zu Grunde liegenden kognitiven Prozesse bekannt.

Im Rahmen einer im Journal of Health Communication veröffentlichten Studie wurde von Forschenden der Universitäten Bamberg und Erfurt untersucht, inwiefern Reaktanz Aufmerksamkeitsprozesse beeinflusst. Dazu wurden die Teilnehmenden in mehrere Gruppen eingeteilt. Während eine Experimentalgruppe dazu aufgefordert wurde, in Zukunft kein Fleisch mehr zu konsumieren, um ihre Gesundheit und die Umwelt zu schützen, bekam eine Kontrollgruppe keine solche Botschaft. In anschließenden Messungen zeigte sich, dass omnivore, also Fleisch essende Teilnehmende der Experimentalgruppe stärker verärgert waren als omnivore Personen in der Kontrollgruppe.

Die Forschenden untersuchten das Ausmaß der Reaktanz auch mit Hilfe eines Wortgitters, in dem neben neutralen Wörtern wie etwa »Papier« oder »Mond« auch Begriffe mit Bezug zu Fleisch versteckt waren – zum Beispiel »Wurst« oder »Schnitzel«. Die Teilnehmenden sollten spontan in dem Wortgitter Wörter finden. Es zeigte sich, dass Personen, die besonders verärgert über die Aufforderung zum eingeschränkten Fleischkonsum waren, mehr fleischbezogene Begriffe im Wortgitter fanden.

»Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Gesundheitsbotschaften ausgelöste Reaktanz unsere Aufmerksamkeit in Richtung ungesunder Konsumgelegenheiten verschieben kann«, erläutert Philipp Sprengholz, Gesundheitspsychologe an der Universität Bamberg. »Dadurch kann die beabsichtigte Verhaltensänderung erschwert und ungesundes Verhalten möglicherweise sogar verstärkt werden.« In zukünftigen Studien sollen die Aufmerksamkeitsprozesse und ihre Auswirkungen auf tatsächliches Konsumverhalten genauer untersucht werden. Die aktuellen Befunde deuten bereits darauf hin, dass Gesundheitsbotschaften möglichst wenig Reaktanz auslösen oder durch geeignete Maßnahmen Aufmerksamkeitsverschiebungen korrigieren sollten.

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