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Vögel: Ein Geier kreist über Bayern

Mangels Nahrung haben es Aasfresser in Deutschland schwer. Dennoch verirren sich immer wieder Geier zu uns. In Bayern ist nun ein Gänsegeier unterwegs - der zweite in kurzer Zeit.
Gänsegeier im Berchtesgadener Land
Gänsegeier sind in Deutschland derzeit nicht heimisch. Aber immer wieder durchstreifen manche der großen Greifvögel die Bundesrepublik wie dieser hier bei Bad Reichenhall.

Zum zweiten Mal im Winter 2022/23 hat sich ein seltener Gänsegeier (Gyps fulvus) nach Bayern gewagt, meldet der Bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) auf seiner Seite. Nachdem im Dezember bereits einer der Greifvögel im Landkreis Lindau gemeldet wurde, streift nun ein Tier durch die Gegend um Bad Reichenhall. Dort sind derartige Sichtungen nicht völlig ungewohnt, da immer wieder Gänsegeier aus einer halbwilden Kolonie aus dem Zoo Salzburg einfliegen. Doch im Gegensatz zu diesen Artgenossen ist der aktuelle Besucher nicht markiert und stammt daher aus einer anderen Region.

»Wahrscheinlich kommt der Gänsegeier bei Bad Reichenhall aus dem Südosten Europas, zum Beispiel aus dem italienischen Friaul oder Kroatien. Dort gibt es größere Bestände, von denen wir durch Besenderung und Beringung einzelner Vögel wissen, dass sie regelmäßig in die Nordostalpen fliegen«, sagt Toni Wegscheider vom LBV. Vor allem Jungvögel können weit umherstreifen. Der Gänsegeier von Bad Reichenhall wirkt laut Wegscheider auch gut genährt und fit. »An den umgebenden Bergen kann er genügend Innereien von erlegtem Jagdwild finden. Dank der großen Flächen der Bayerischen Staatsforsten sollten diese auch weitgehend bleifrei sein, da dort keine für Greifvögel hochgiftige Bleimunition mehr verwendet werden darf«, so Wegscheider. Über die Nahrung gewinnt der Gänsegeier ausreichend Energie, um auch bei der im Winter schwachen Thermik im so genannten Ruderflug fliegen zu können. In warmen Monaten legen die Tiere dank aufsteigender Luftmassen sehr große Distanzen im Energie sparenden Gleitflug zurück.

In den letzten Jahren kam es immer wieder zum Einflug von Gänsegeiern nach Mitteleuropa, wo sie seit Jahrhunderten ausgestorben sind. Zum einen liegt das an erfolgreichen Wiederansiedlungsprojekten wie etwa in Frankreich, von wo aus Jungtiere auf Wanderschaft gehen. 2006 und 2007 trieb allerdings der Hunger Geier in größerer Zahl nach Deutschland. Damals hatte die Europäische Union beschlossen, dass zur Verhinderung von Seuchen keine Kadaver von Rindern oder Pferden mehr in der Natur bleiben dürfen. In Spanien wurden anschließend sogar extra ausgewiesene Ablageplätze nicht mehr mit toten Tieren bestückt, die zuvor teils seit Jahrzehnten als eine Art Geier-Raststätte dienten. Die zahlreichen Geier des südeuropäischen Landes musste deshalb auf Wanderschaft gehen, um nach Nahrung zu suchen, und gelangten dabei bis nach Deutschland. Inzwischen ist die Praxis dort wieder erlaubt.

In Deutschland gibt es derartige Kadaverplätze nicht, und Aas wird rasch aus der Umwelt entfernt, was auch zahlreichen anderen Arten schadet. Inzwischen laufen wissenschaftliche Untersuchungen dazu, doch außerhalb des Gebirges bleiben Kadaver in ausreichender Menge wohl noch lange rar.

In der Nähe des Einflugorts bei Bad Reichenhall wildert der LBV zudem zusammen mit verschiedenen Partnern gegenwärtig Bartgeier aus. Diese waren früher in den Alpen ebenfalls heimisch, wurden dann aber fast vollständig ausgerottet. Gänse- und Bartgeier konkurrieren dabei nicht um Nahrung, da Bartgeier vor allem Knochen verendeter Tiere verwerten, während Gänsegeier verrottendes Fleisch bevorzugen.

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