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»Wolfskinder«: Auf der Flucht

Der Zweite Weltkrieg traumatisierte eine ganze Generation. Besonders Kinder waren den Gewaltereignissen schutzlos ausgesetzt. In den Städten harrten sie nächtelang in Bunkern aus. Im Osten des Reichs flohen sie als »Wolfskinder« durch die Wälder Preußens.
Ein Mädchen, das zu einem Flüchtlingstreck in der Nachkriegszeit gehört, hält seine Puppe im Arm.

Heiligabend 1943, die 15-jährige Liselotte G. meinte, dass es in dieser Nacht nicht so schlimm werden würde. Es war spät, kurz nach drei Uhr, und im Berliner Ortsteil Friedrichshagen war es ruhig. Dann heulten die Sirenen auf. »Es war entsetzlich«, schrieb das Mädchen später in ihr Tagebuch. »Plötzlich, wir waren schon im Keller, ein fürchterlicher Knall, das Licht ging aus, wir sprangen auf, ergriffen unsre Koffer u[nd] wollten rausstürzen, glaubten, die Mauern fallen schon zusammen, Kalk rieselte, Fenster klirrten, draußen sahen wir rote Glutwolken. Unsere Männer sorgten für Ordnung, verboten uns, rauszugehen, weil noch Flakbeschuss u[nd] Bombenfallen war. Eine halbe Stunde saßen wir im Dunkeln unter entsetzlichem Geknalle, dicht zusammengekauert u[nd] warteten auf das Letzte.«

Serie: »Kinder im Zweiten Weltkrieg«

77 Jahre liegt das Ende des Zweiten Weltkriegs zurück. Am 7. Mai 1945 unterzeichnete die Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, einen Tag später trat diese in Kraft. Hitler und die Nationalsozialisten hatten die Welt zuvor in einen Krieg gestürzt, in dem Millionen Menschen starben.

Wer damals Kind war, gehört heute zur Generation der Ältesten. Historikerinnen und Historiker haben die Erfahrungen der Kinder aus Tagebüchern rekonstruiert – die Serie auf »Spektrum.de«:

Die Bombardierung deutscher Städte war Teil der britischen Kriegsstrategie, die auf die Zerstörung wichtiger Industrien und die Demoralisierung der Bevölkerung setzte. Arthur Harris (1892–1984), Leiter des Bomber Command bei der Royal Air Force, erklärte Anfang November 1943: »Wir können Berlin von einem Ende bis zum anderen zerstören, wenn sich die Amerikaner daran beteiligen. Es wird uns zusammen 400 oder 500 Flugzeuge kosten. Deutschland aber wird es den Krieg kosten.« Nur: Berlin kapitulierte nicht so schnell wie erwartet. 1944, als die Alliierten bereits die Lufthoheit über Deutschland innehatten, griffen die US und Royal Air Force mit immer größeren Geschwadern und schwereren Bomben an. Allein über Berlin wurden von Februar bis April 1945 mehr als 100 000 Tonnen Sprengstoff und Phosphor abgeworfen. Schätzungen zufolge starben in deutschen Städten ungefähr 410 000 bis 600 000 Menschen bei den Flächenbombardements.

Die Luftangriffe wurden zur nahezu täglichen Tortur für viele Kinder und Jugendliche, denen einzig die Flucht in stickige, überfüllte Kellerräume und Bunker blieb. Flucht bestimmte auch das Leben zahlreicher Menschen in der späten Kriegsphase. Seit Herbst 1944 versuchten sie, aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern oder der Neumark Brandenburg vor der heranrückenden russischen Armee in Richtung Westen zu entkommen. Darunter jede Menge Kinder, die sich im Winter alleine bis ins Baltikum durchschlugen. »Wolfskinder« nannte man sie, weil sie einige Zeit ohne menschliche Fürsorge blieben und sich von der Gesellschaft entfremdeten.

Derartige Eindrücke traumatisierten eine ganze Generation, die während des Zweiten Weltkriegs Kinder und Jugendliche waren. In Tagebüchern und späteren Interviews berichteten sie über das Erlebte, Historiker und Psychologen analysierten ihre Erzählungen. Wie im Fall von Liselotte G. aus Berlin, deren Aufzeichnungen die Historikerin Susanne zur Nieden und die Dramaturgin Ingrid Hammer veröffentlicht haben.

Massiver Stress schon im Mutterleib

Liselotte schlief wochenlang keine Nacht mehr durch. Dämmerte sie doch einmal weg, träumte sie von Bomben. Tagsüber war sie ständig angespannt. Das Ausharren im Keller zerrte an ihr, ließ sie spüren, »wie die Nerven langsam kaputtgehen«. Während die 15-Jährige im Luftschutzkeller saß, ermahnte sich das von der nationalsozialistischen Ideologie durchdrungene Mädchen immer wieder selbst, Haltung zu bewahren: »So will ich tapfer sein im Leben u[nd] im Sterben, will ein preußisch-deutsches Mädel sein, will so tapfer sein wie alle Soldaten.«

Dresden | Eine Frau geht durch eine Straße im kriegszerstörten Dresden, 1945.

Wie prägend die Kriegserfahrungen waren, hat die emeritierte Geschichtsprofessorin Barbara Stambolis in zahlreichen Zeitzeugeninterviews erforscht. »Diese Kinder waren massivem Stress ausgesetzt.« Vermutlich wirkte die psychische und körperliche Belastung schon auf das Ungeborene im Mutterleib ein, erklärt die Historikerin. Die Kinder selbst nahmen verschiedene Eindrücke wahr – Hitze, Feuer, das Schreien von Menschen, die Angst ihrer Mütter, spezielle Sinneswahrnehmungen. »Menschen berichteten später zum Beispiel, dass sie den Geruch von verbranntem Fleisch nie vergessen konnten.« Er rief ihnen Jahrzehnte später die Kriegserfahrung wieder ins Gedächtnis. Helga Jutt etwa, die bei Kriegsausbruch vier Jahre alt war, schilderte, dass sie noch Jahrzehnte danach keine geschlossenen Räume mochte, Flugzeugmotoren und Sirenen »ungute Erinnerungen« bei ihr weckten.

Für Gefühle war kein Platz

Das Trauma ließ die Kinder emotional erstarren. So schilderten Beobachter, dass Kinder, die nach Kriegsende zur Erholung an die Nordsee und in andere Gegenden verschickt wurden, an sich tot stellende Tiere erinnerten. Ihre Erfahrungen würden die Kleinen sachlich, emotionslos und knapp schildern, ihre Gesichter blieben dabei unbewegt.

Die Kalendernotizen einer 17-jährigen Berlinerin bestätigen die Nachkriegsberichte. An fast jedem Tag im März 1944 schrieb sie »Alarm!« in ihren Kalender, manchmal mit lapidaren Zusätzen wie »Matratzen geklopft«. Am 30. April 1945 notierte das Mädchen: »Die Russen sind da (...). Nachts Vergewaltigungen. Ich nicht, Mutti ja.« Später wird sie sagen, dass damals für Gefühle kein Platz gewesen sei.

Besonders das Sirenengeheul prägte sich tief in das Gedächtnis der Kriegskinder ein. Für viele der Jüngeren waren das und die Dunkelheit der beengten Schutzräume die eindrücklichste und teils früheste Kindheitserinnerung – zusammen mit der Angst der Erwachsenen. Ein Junge aus Essen beschrieb das Erlebte in den 1950er Jahren: »Ich selbst war bei Ausbruch des Krieges gerade erst geboren, so dass ich mich an die ersten Jahre nicht erinnern kann. Vom fünften Lebensjahr an aber steht mir vieles unerschütterlich ins Gedächtnis geschrieben. Lange Bombennächte hindurch saß ich zwischen zitternden Erwachsenen im Keller oder Bunker.«

Ähnliches berichtet ein anderer Zeitzeuge. Ein damals 14-Jähriger hat die Bombardierung Dresdens im Keller eines Familienhauses erlebt: »Wir atmeten schwer, den Mund voller Kalkstaub von den Wänden durch die Erschütterungen der Detonationen der Fliegerbomben. Immer wieder das unheimliche Pfeifen und Surren, unser banges Abwarten und im nächsten Moment der furchtbare Knall (...). ›Erstecht mich doch, erstecht mich doch!‹, schrie meine Schwester in Panik.«

Was der Krieg mit Kindern macht

Beschäftigten sich damals nur wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den psychischen Folgen von Kriegserlebnissen bei Kindern, so ist man sich heute in der Forschung weitgehend einig darüber, was derartige Erfahrungen bewirken. Kriegskinder zeigen oft Symptome eines erlebten Traumas. Nachts haben sie Albträume und tagsüber Probleme, sich zu konzentrieren. Häufig sind sie auffallend ängstlich, nervös und gereizt, wie die Politologin Roos van der Haer von der Universität Leiden im Onlineexpertenmagazin »The Conversation« beschreibt. »Sind [Kinder] immer wieder einem Kriegsgeschehen ausgesetzt, kann das sogar zu Posttraumatischen Belastungsstörungen, Depression und schweren Persönlichkeitsveränderungen führen.«

Im Krieg erleben Erwachsene zwar das Gleiche, doch oft treffe es die Kinder härter als sie, findet die Psychiaterin Joanna Santa Barbara, die an der McMaster University im kanadischen Hamilton lehrte. Der Krieg reiße die jungen Menschen aus ihrer Entwicklung. Meist können sie nicht mehr zur Schule gehen, harren womöglich in Flüchtlingslagern aus oder sind körperlich versehrt worden. Die Folgen würden die Kinder ein Leben lang spüren: »Noch lange nach dem Ende des Kriegs werden diese Menschen nie wieder die Chancen haben, die sie hatten, bevor der Krieg auf sie einwirkte.«

Fasziniert von der Bombennacht

Doch Kinder gehen mit den Eindrücken auch auf überraschende, teils befremdliche Weise um. Während des Zweiten Weltkriegs versuchten manche, anhand der Geräusche Sprengbomben von Brandbomben zu unterscheiden. Letztere klangen für sie wie das Klatschen einer Ohrfeige. Zudem beobachteten einige Kinder die alliierten Flugzeuge anfangs mit einer Mischung aus Faszination und Ehrfurcht. Ein Mädchen erinnerten die US-Bomber an »silberne Vögel unter blauem Himmel«, die ihr »schön und majestätisch« erschienen.

Flüchtlinge | In einer langen Kolonne ziehen Flüchtlinge mit ihrem Hab und Gut durch Berlin. Die später kolorierte Aufnahme entstand im Sommer 1945.

Dem damals 13-jährigen Harald Holzhausen erging es ähnlich: Nach dem Angriff auf Hamburg im Juli 1943 betrachtete er nachts das grelle Farbenspiel der brennenden Öltanker im Hafen – und war fasziniert: »Noch nie sah ich, auch später nicht, ein so sauberes, leuchtendes Gelb, ein so pralles Rot, ein so strahlendes Orange. Dieser Anblick war für mich das eindrücklichste Erlebnis des ganzen Krieges. Ich stand minutenlang auf der Straße und blickte in diese Farbensinfonie.« Am nächsten Tag fand Holzhausen in den Straßen Aluminiumstreifen, die zur Täuschung des deutschen Radarsystems abgeworfen worden waren. Für ihn sahen sie aus wie Lametta.

Geprägt von der Angst, verloren zu gehen

Während Jugendliche wie Liselotte G. oder Harald Holzhausen in Schutzräume flohen, versuchten ihre Altersgenossen im Osten, der heranrückenden Roten Armee zu entkommen. Flüchtlinge, zumeist Frauen und Kinder, schleppten sich kilometerweit durch Schnee und Kälte, hungernd, durchfroren, erschöpft. Immer wieder sanken Menschen am Wegesrand zusammen oder brachen im Eis ein und ertranken.

In der Sonntagsmesse am 8. Januar 1945 erfuhr der zwölfjährige Hans-Peter Kutscha im schlesischen Fraustadt (heute Wschowa), dass der Befehl zur Räumung der Stadt ergangen sei. Schon kurze Zeit später befand sich der Junge zusammen mit seinen Brüdern und seiner Mutter auf dem Marktplatz. Die Straßen waren vereist und überfüllt, es herrschte Panik. Bald klagte Hans-Peter, der sich kurz zuvor den Fuß verstaucht hatte, immer lauter über Schmerzen. Eine Bekannte, die damals auf ihn aufpasste, ließ den Jungen auf dem Wagen eines Bauern mitfahren – und trennte ihn so versehentlich von seiner Familie. Nur durch Zufall fanden sie sich Tage später wieder.

Die Geschichte von Hans-Peter Kutscha ist kein Einzelfall. Immer wieder wurden Kinder und Jugendliche auf den Trecks oder im dichten Gedränge der Bahnhofsplätze von ihren Angehörigen getrennt. Das spiegelt sich auch in Erzählungen wider, erklärt Barbara Stambolis: »Ehemalige Kriegskinder berichten von ihrer Angst, verloren zu gehen und allein zurückzubleiben.« Trotz der belastenden Situation hätten sie aber rasch ein Gespür dafür entwickelt, welches Verhalten man nun von ihnen erwarte. »Die Flucht war für Mütter und Kinder extrem anstrengend. Da war es überlebensnotwendig, sich unauffällig zu verhalten und nicht zusätzliche Probleme zu verursachen.« Diese Verhaltensweisen seien prägend geworden. Ehemalige Kriegskinder würden selten klagen und auch im Alter auf ihrer Selbstständigkeit beharren. Und für Angehörige kann es mitunter schwierig sein, mit dieser Verschlossenheit umzugehen.

Auf der Flucht ging die Identität verloren

Waisenkinder mussten am Kriegsende oft komplett auf sich allein gestellt zurechtkommen – wie die so genannten Wolfskinder. Sie flohen nach der Eroberung Ostpreußens durch die Rote Armee auf eigene Faust in Richtung Litauen. Dort, so hieß es, gebe es zumindest Brot. Elternlos und getrieben von Hunger machten sich auch zwei Brüder, der damals zwölfjährige Heinz und der zehnjährige Arnold Willuweit aus Königsberg, auf den Weg nach Litauen. Von den Höfen verjagt, schliefen die Kinder mal in Schuppen und Ställen, mal im Unterholz. In den Wäldern ernährten sie sich von Baumrinden, Gras und Fröschen. Als sie schließlich 1946 barfuß Litauen erreichten, hatten sie bereits viele ihrer Altersgenossen sterben sehen. Die Brüder Willuweit haben ihre Geschichte später der Journalistin Sonya Winterberg erzählt, die auch mit anderen ehemaligen »Wolfskindern« sprach und deren Fluchtgeschichten aufschrieb.

Schätzungen zufolge irrten etwa 25 000 Kinder alleine durch die Sümpfe und Wälder Litauens und Ostpreußens. Dieter Gröning, der bei seiner Flucht sechs Jahre alt war, berichtete später, wie er auf ein Dutzend orientierungsloser Kinder traf, die weder wussten, wohin sie gehen sollten, noch wie sie jemanden ausfindig machen konnten, der ihnen den Weg zeigen würde. Manche von ihnen fanden Unterschlupf bei litauischen Bauern, wo sie arbeiteten und Essen erhielten.

Die »Vokietukai«, die »kleinen Deutschen«, hatten in den Wirren des Krieges nicht nur ihr Zuhause und ihre Familie, sondern ebenso ihre Identität verloren – laut Joanna Santa Barbara ein häufig dokumentiertes Schicksal von Kriegskindern, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Wolfskinder durften kein Deutsch sprechen, Erinnerungsstücke wie Fotos oder Briefe wurden verbrannt, selbst die Namen der Kinder wurden geändert: So wurde aus Gisela Launert in der Diaspora Irena Jakštaitė. Heinz Willuweit vergaß sogar seine Muttersprache. Alles auszulöschen, was zum früheren Leben der Kinder gehörte, geschah zu ihrem Schutz und dem ihrer Helfer. Litauen war 1945 Teil der Sowjetunion, die Aufnahme von Feinden, also auch deutschen Kindern, stand unter hoher Strafe.

Die Kinder dürfte zudem die Trennung von ihren Familien und der Identitätsverlust stark belastet haben. Die Psychoanalytikerinnen Dorothy Burlingham und Anna Freud, Tochter von Sigmund Freud, untersuchten bereits 1943, wie sich die Kriegsevakuierung von Kindern auf deren psychisches Befinden auswirkte. Ihr Fazit lautete, dass die Trennung von ihren Eltern sie viel stärker belasten würde als etwa die Bombardierung einer Stadt.

Am Kriegsende gab es 13 Millionen Waisenkinder

Über Leben und Tod der Wolfskinder entschied nicht allein das Mitleid der litauischen Bevölkerung, sondern auch der Zusammenhalt Gleichaltriger. Als die zwölfjährige Dora Müller völlig orientierungslos durch eine litauische Kleinstadt stolperte, nahm sich ihrer ein Junge an. Er zeigte ihr, wie man bettelte und stahl, machte sie mit anderen Kindern bekannt und warnte sie davor, in größere Städte zu gehen. Dort käme es nämlich unter den Kindern häufig zu Prügeleien um die Beute. »Diese Gruppen Gleichaltriger konnten zeitweise ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln«, weiß Stambolis. »Sie haben aufeinander aufgepasst und hatten eine klare Struktur. Das half den Kindern, zu überleben.«

Was wurde aus diesen Kindern? Manche fanden ihre Familien wieder, andere nicht. »Viele der jüngeren Kinder haben nie ihre eigenen Wurzeln kennen gelernt und wussten nicht, wohin sie eigentlich geografisch gehörten. Einige kannten nicht einmal ihren eigenen Namen«, berichtet Stambolis. Selbst wenn die Kriegskinder später zu ihren Angehörigen zurückkehren konnten, fühlten sie sich oft nicht mehr zugehörig und zu Hause. Auch weil sich ihre Familien verändert hatten.

Forschende schätzen die Zahl der Waisenkinder zu Kriegsende in Europa auf etwa 13 Millionen. Unzählige von ihnen hatten zudem ihre Heimat verloren. Um die Zahl der Todesopfer wird nach wie vor gestritten: Zwischen 500 000 und zwei Millionen Deutsche könnten infolge von Flucht, Zwangsumsiedlung und Vertreibung ums Leben gekommen sein, mehr als die Hälfte davon waren Frauen und Kinder. Doch das sind nur Schätzungen. »Europa war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Nomadenlandschaft. Die Dimensionen sind unvorstellbar. Viele Kinder waren nirgendwo bürokratisch erfasst, sie existierten offiziell gar nicht«, sagt Historikerin Stambolis. »Hier liegt bis heute viel im Ungewissen.«

Aushang | Das Deutsche Rote Kreuz suchte nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Vermissten und Verschollenen wie hier im Durchgangslager Friedland bei Göttingen. Der Suchdienst wurde erstmals im Deutsch-Französischen Krieg 1870 tätig.

Eltern suchen ihre Kinder

Noch immer sucht das Deutsche Rote Kreuz nach Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Kurz nach Kriegsende galten mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland als verschollen. Im Jahr 1959 waren noch 2,5 Millionen Suchanfragen offen, 1,2 Millionen davon konnte der Suchdienst aufklären. Doch weiterhin wollen Menschen – die Kriegskinder und ihre Nachkommen – über den Verbleib von Angehörigen Auskunft erhalten: 2020 hat das DRK etwas mehr als 11 500 Anträge registriert, mehr als 8500 davon ließen sich beantworten, für 1700 »konnten schicksalsklärende Auskünfte erteilt werden«, wie das DRK erklärt. Dies gelang auch in der Nachkriegszeit für fast 300 000 Kinder, die von ihren Eltern durch Flucht und Vertreibung getrennt wurden. Bei weiteren 5000 Kindern blieb die Suche erfolglos. In naher Zukunft will der Suchdienst seine Arbeit einstellen. Voraussichtlich im Jahr 2025.

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