Direkt zum Inhalt

Wir Werden Alle Sterben: Die schlimmste vorstellbare Pandemie

Eine hochansteckende Prionenkrankheit breitet sich unter Wildtieren aus. Fachleute rätseln, ob sie auch Menschen infizieren kann – und dann womöglich auch ansteckend wäre.
Die schlimmste vorstellbare Pandemie

Seit sechs Jahrzehnten breitet sich eine heimtückische Krankheit unter Hirschen und verwandten Arten aus, die auch unter Menschen eine Katastrophe verursachen könnte. Die Chronic Wasting Disease (CWD) wird von Prionen ausgelöst, die das Gehirn befallener Tiere zerstören. Die Krankheit ist in den USA inzwischen recht weit verbreitet.

Die Krankheit ähnelt menschlichen Prionenerkrankungen wie BSE oder Creutzfeld-Jakob. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass befallene Tiere die Prionen ausscheiden und so auf andere Tiere übertragen können. Noch bevor Symptome auftreten, sind Speichel und andere Körperflüssigkeiten ansteckend. Außerdem überleben die Prionen im Boden, auf Pflanzen und anderen Oberflächen jahrelang, wodurch sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch Tiere anstecken können. Die Fallzahlen stiegen in den letzten Jahrzehnten teilweise exponentiell an.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Wir wissen von BSE, dass sich Menschen mit tierischen Prionen anstecken und davon krank werden können. Außerdem ist inzwischen nachgewiesen, dass die Prionen von CWD auch Raubtiere, Nager und sogar bestimmte Affen befallen können. Deswegen besteht die Befürchtung, dass CWD unter bestimmten Umständen auch auf Menschen überspringen kann. Zuletzt gab es sogar zwei konkrete Fälle, in denen sich Menschen möglicherweise mit CWD angesteckt haben.

Eine Prionenseuche, die nach dem Muster von CWD von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wäre gruseliger als jede bisherige Pandemie. Zum einen gibt es bisher trotz jahrzehntelanger Forschung keine Möglichkeit, solche degenerativen Hirnkrankheiten zu behandeln. Zum anderen sind befallene Tiere schon ansteckend, lange bevor sie Symptome entwickeln. Wenn sich also CWD beim Menschen vergleichbar verhielte, dann wären bei den ersten Warnzeichen schon sehr viele Menschen infiziert.

Die wahre Gefahr durch die Prionen ist noch unklar

Grundsätzlich ist das alles auch nicht vollkommen abwegig. Menschen jagen und essen Wild, insofern nehmen Menschen die CWD-Prionen schon jetzt immer wieder auf. BSE hat gezeigt, dass man sich durch den Verzehr von infizierten Tieren mit tierischen Prionen anstecken kann. Und in den USA, wo die Seuche schon lange grassiert, nehmen auch die Prionenerkrankungen bei Menschen zu.

Man muss bei der Interpretation solcher Daten allerdings etwas vorsichtig sein. Der Anstieg könnte auch andere Gründe haben. CWD war über lange Zeit hinweg selten, und man würde eher erwarten, dass die Übertragung der Krankheit auf Menschen erst bei höheren Fallzahlen auffällt. Zumal die Inkubationszeit bei Menschen womöglich viele Jahre dauert. Außerdem gibt es verschiedene Linien der CWD-Prionen mit unterschiedlichen Eigenschaften, und vermutlich kann, wenn überhaupt, nur ein kleiner Teil der Versionen des Proteins Menschen anstecken. Auch das spricht eventuell eher dagegen, dass man da schon jetzt einen Effekt von CWD sieht.

Laboruntersuchungen, welche Prionen menschliche Proteine umwandeln können, haben auch widersprüchliche Resultate gebracht. Einerseits gibt es Hinweise darauf, dass Menschen sich gar nicht infizieren können. Andererseits waren in bestimmten Versuchen Prionen von Elchen und Rentieren am ansteckendsten. Gleichzeitig aber war aber das BSE-Protein in solchen Experimenten nicht infektiös, was ja bekanntermaßen nicht stimmt. Es kann also sein, dass solche Experimente komplett auf die falsche Fährte führen.

Wie groß die Bedrohung für Menschen ist, ist deswegen unklar. Bisher jedenfalls erscheint die größte Gefahr durch Chronic Wasting Disease, dass es langfristig Wildtierpopulationen in Nordamerika dezimieren könnte, darunter geschützte Arten wie das Karibu. Andererseits erhöhen steigende Fallzahlen bei Wildtieren die Zahl der Menschen, die mit den Prionen in Kontakt kommen – und natürlich wächst auch die Vielfalt unterschiedlicher Prion-Linien. Dadurch steigen prinzipiell die Chancen, dass sich auch Menschen anstecken. Aber ob das in der Praxis tatsächlich geht, ist noch unklar.

Vor allem wissen wir nicht, ob CWD unter Menschen ebenfalls ansteckend ist. Wenn ja, wäre das in der Tat eine immense Bedrohung. Und zwar eine, die permanent anwächst und der wir vermutlich erst spät begegnen könnten. Denn wenn wir mitbekommen, dass die Prionen von Mensch zu Mensch übertragen werden, wäre es wegen der langen symptomlosen Zeit vermutlich schon viel zu spät.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.