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Lexikon der Kartographie und Geomatik: Geomatik

Geomatik
Andreas Müller, Trier
Geomatik, E geomatics, ist das Wissenschaftsgebiet, das technologische Erkenntnisse zur Gewinnung und Verarbeitung georäumlicher Daten, einschließlich ihrer wissenschaftlichen Grundlagen und Anwendungen zusammenführt. Sie kann damit als Bindeglied zwischen entsprechend spezialisierten Bereichen der Geodäsie, der Geowissenschaften und einiger Ingenieurswissenschaften sowie der angewandten Informatik gesehen werden. Die Geomatik basiert auf Methoden, Verfahren und Anforderungen der genannten Fachdisziplinen, strukturiert und formalisiert deren Inhalte, um effiziente, häufig fachübergreifende, rechnerbasierte Lösungen und Produkte anzubieten oder bestehende zu verbessern.
Untersucht werden vor allem die Einsatzmöglichkeiten und Funktionen von Geoinformationssystemen in diesen Bereichen. In diesem Sinne wird die Geomatik teilweise als Synonym zur Geoinformatik verstanden, teilweise wird die Geomatik als die übergeordnete Disziplin gesehen. Ursache für diese begriffliche Unschärfe sind zum Teil unterschiedliche nationale und nationalsprachliche Entwicklungen. Während im angelsächsischen Sprachraum der Begriff geographic information science gebraucht wird, findet im französischen Sprachraum der Begriff Geomatique Anwendung. Das internationale Normungskomitee ISO/TC 211 zur Standardisierung von Geodaten und Geoinformation verwendet die Begriffe allerdings wieder synonym, wenn auch darauf hingewiesen wird, dass die Geomatik in ihrer Entstehung und Ausrichtung den Bereichen Geodäsie und Vermessungswesen zuzuordnen ist, während die Geoinformatik im Schwerpunkt die Entwicklung von Geoinformationssystemen betreibt. Diese Trennung spiegelt sich auch in der Ausrichtung von Hochschulinstituten und Vereinigungen wider.
Unabhängig von dieser Diskussion stellt sich die Geomatik als eine relativ junge Fachdisziplin dar, die ihre Forschung auf den Erkenntnissen anderer Disziplinen aufbaut, ohne allerdings deren theoretische Grundlagen für sich beanspruchen zu können. So fehlt gegenüber der Kartographie, insbesondere der kartographischen Informatik, die Ausrichtung auf die graphische Gestaltung und die visuelle Kommunikation von Geoinformation. Zu den inzwischen angenommenen Erkenntnissen der Geomatik gehören: 1. die mathematischen Grundlagen aus der Informatik, Mathematik und Kybernetik, welche die Theorien und Methoden zur Strukturierung, Kodierung und Übermittlung von Informationen liefern, 2. Konzeptionen des Raums aus den Kognitionswissenschaften (Raumkognition), der Linguistik und der Geographie, welche die Prinzipien des Abstrahierens, Erkennens und des Interpretierens erklären, 3. die Technik der Abbildung des Raumes aus der Geodäsie, dem Vermessungswesen, der Photogrammetrie, der Fernerkundung und der Kartographie, was einerseits die Geräte, andererseits die Methoden und Verfahren zur Erfassung und Darstellung von Daten betrifft, 4. Erkenntnisse aus Anwendungsdisziplinen wie der Stadtplanung und Regionalplanung, den Geowissenschaften und zahlreichen Ingenieurswissenschaften, wie z. B. dem Markscheidewesen, welche jeweils fachspezifische Anforderungen an die Beschreibung und Analyse raumbezogener Informationen formulieren, 5. die gesellschaftlichen Grundlagen der Informationsverarbeitung aus Wirtschafts- und Rechtswissenschaft, welche die Rahmenbedingungen des Einsatzes kulturtechnischer Instrumente aufzeigen.
In Konsequenz dieser interdisziplinären Ausrichtung unterstützt die Geomatik zum einen die Dokumentation von Zuständen und die Analyse von Prozessen in der Geosphäre, zum anderen die Erfassung und Überwachung der sich komplex und schnell ändernden menschlichen Umwelt und die Planung nachhaltiger Landnutzungssysteme, jeweils durch geeignete informationsverarbeitende Techniken. Somit wird deutlich, dass der Einsatz der Datenverarbeitung und Informationstechnik eine Verbindung zwischen den aufgeführten Fächern begünstigt; allerdings muss auch die Geomatik eine Abgrenzung zu anderen benachbarten Disziplinen finden.
In diesem Sinne entwickelt die Geomatik Modelle der Verarbeitung von Geoinformation, insbesondere der mathematischen Grundlagen, sowie Methoden und Verfahren zur Datenerfassung aus originären und sekundären Quellen und zur Datenverwaltung, etwa durch die Entwicklung raumbezogener Abfragesprachen für Geodatenbanken.
Grundlage dessen sind Datenmodelle, die der Abbildung des Raums und zur Abstraktion von der Komplexität der Realität dienen. Hierzu werden die Geometrie und die Semantik von Geoobjekten strukturiert und klassifiziert, indem Attribute zu ihrer Beschreibung festgelegt werden. Die Implementierung dieser Modelle geschieht in Form von Geodatenbanken, die über spezielle Datenstrukturen und Algorithmen zur Verwaltung von Geometriedaten verfügen. Innerhalb von Geoinformationssystemen haben sich hierfür Vektordatenmodelle und Rasterdatenmodelle etabliert, für die spezielle Methoden zur Datenanalyse, insbesondere zur geometrischen Analyse entwickelt werden.
Erkenntnisse aus diesen Bereichen gehen im Wesentlichen in die Weiterentwicklung von Geoinformationssystemen ein, teilweise indem neue technische Grundlagen geschaffen oder erschlossen werden, teilweise indem aufbauend auf diesen Grundlagen fachspezifische Systeme (z. B. Fachinformationssysteme) abgeleitet werden. Ein weiterer Schwerpunkt besteht in der Entwicklung internationaler Standards im Bereich Geoinformation, die vor allem den Datenaustausch zwischen Systemen und die Nutzbarmachung von Geodaten durch deren Beschreibung über Metadaten sichern sollen.
Basis dieser Weiterentwicklungen ist die Einbindung neuester technologischer Entwicklungen in mögliche Anwendungsfelder, die prinzipiell von der Nutzung der Technik raumbezogener Informationsverarbeitung profitieren können. Hierzu gehört die Bewirtschaftung natürlicher Rohstoffe, z. B. die Implementierung von Lagerstättenmodellen durch den Einsatz von Geoinformationssystemen im Markscheidewesen. Im Umweltschutz betrifft dies den Aufbau von digitalen Archiven im Rahmen von Umweltinformationssystemen, ebenso in der Verwaltung von Liegenschaften durch den Aufbau digitaler Liegenschaftskataster. Bei der Planung von Infrastruktur, im Gesundheitssektor und im Katastrophenschutz sowie beim Militär spielen Simulationen, Prognosen und Szenarien der räumlichen Entwicklung eine große Rolle. In den Bereichen der Navigation werden für die einzelnen Verkehrsträger u. a. Fahrzeugnavigationssysteme, Luftnavigationssysteme und Systeme zur Seenavigation (vgl. ECDIS) geschaffen. Anwendungen in der Wirtschaft betreffen z. B. das Geomarketing oder Informations- und Reservierungssysteme im Tourismus.
Aktuelle technische Entwicklungen innerhalb der Geomatik, die in diesen Anwendungsbereichen, teilweise zusammen, eingesetzt werden, umfassen positionsbestimmende Verfahren und Dienste (vor allem das Global Positioning System), hochauflösende Aufnahmetechniken der Fernerkundung (vgl. aktive Fernerkundungsverfahren) einschließlich der auswertenden Verfahren der digitalen Bildverarbeitung sowie generell die Weiterentwicklung und Diversifizierung im Bereich der Geoinformationssystem. Die Vielfalt der innerhalb weniger Jahre entstandenen Institutionen, Datenbanken und Datenbanksysteme insbes. der Geoinformatik verdeutlicht die Zusammenstellung (Tab.). Die in der Tabelle aufgeführten Akronyme sind Belege für die mit der aktuellen Entwicklung verbundenen neuen Begriffsbildungen.

Literatur: [1] BARTELME, N. (2000): Geoinformatik. [2] ISO OSI/TC 211: Geographic Information/Geomatics, International Draft Standard.


Geomatik (Tab. 1)Geomatik (Tab. 1)

Geomatik (Tab. 2)Geomatik (Tab. 2)
  • Die Autoren

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lexikons der Kartographie und Geomatik

Herausgeber und Redaktion (jew. mit Kürzel)

JBN

Prof. Dr. Jürgen Bollmann, Universität Trier, FB VI/Kartographie

WKH

Prof. Dr. Wolf Günther Koch, Technische Universität Dresden, Institut für Kartographie

ALI

Dipl.-Geogr. Annette Lipinski, Köln

Autorinnen und Autoren (jew. mit Kürzel)

CBE

Prof. Dr. Christoph Becker, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Fremdenverkehrsgeographie

WBE

Dipl.-Met. Wolfgang Benesch, Offenbach

ABH

Dr. Achim Bobrich, Universität Hannover, Institut für Kartographie und Geoinformatik

GBR

Dr.-Ing. Gerd Boedecker, Bayrische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Erdmessung, München

JBN

Prof. Dr. Jürgen Bollmann, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

WBO

Dr. Wolfgang Bosch, Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut, München

CBR

Dr. Christoph Brandenberger, ETH Zürich, Institut für Kartographie, (CH)

TBR

Dipl.-Geogr. Till Bräuninger, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

KBR

Prof. Dr. Kurt Brunner, Universität der Bundeswehr, Institut für Photogrammetrie und Kartographie, Neubiberg

MBR

Prof. Dr. Manfred F. Buchroithner, TU Dresden, Institut für Kartographie

EBN

Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Ernst Buschmann, Potsdam

WBH

Prof. Dr. Wolfgang Busch, TU Clausthal-Zellerfeld

GBK

Dr. Gerd Buziek, München

ECS

Prof. Dr. Elmar Csaplovics, TU Dresden, Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung

WDK

Prof. Dr. Wolfgang Denk, FH Karlsruhe, Hochschule für Technik, FB Geoinformationswesen

FDN

Doz. Dr. Frank Dickmann, TU Dresden, Institut für Kartographie

RDH

Prof. Dr. Reinhard Dietrich, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

DDH

Dr. Doris Dransch, Berlin

HDS

Prof. Dr. Hermann Drewes, Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut, München

DER

Dr. Dieter Egger, TU München, Institut für Astronomische und Physikalisch Geodäsie

RET

Dr. jur. Dipl.-Ing. Rita Eggert, Karlsruhe

HFY

Dipl.-Geogr. Holger Faby, Europäisches Tourismus Institut GmbH an der Universität Trier

GGR

Univ. Ass. Dr. MA Georg Gartner, TU Wien, Institut für Kartographie und Reproduktionstechnik, (A)

CGR

Prof. Dr. Cornelia Gläßer, Martin-Luther-Universität, Halle/S.-Wittenberg, Institut für Geographie

KGR

Dr. Konrad Großer, Institut für Länderkunde, Leipzig

RHA

Dr. Ralph Hansen, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

HHT

Dipl.-Met. Horst Hecht, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Hamburg

BHK

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Heck, Universität Karlsruhe, Geodätisches Institut

FHN

Dr. Frank Heidmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart

RHN

Prof. Dr. Reinhard Hoffmann, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Didaktik der Geographie

KIK

Prof. Dr. Karl-Heinz Ilk, Universität Bonn, Institut für Theoretische Geodäsie

WKR

Dipl.-Geol. Wolfgang Kaseebeer, Universität Karlsruhe, Lehrstuhl für Angewandte Geologie

KKN

Prof. Dr. Ing. Karl-Hans Klein, Bergische Universität Wuppertal, FB 11, Vermessungskunde/ Ingenieurvermessung

AKL

Dipl.-Geogr. Alexander Klippel, Universität Hamburg, FB Informatik

CKL

Dr. Christof Kneisel, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

WKH

Prof. Dr. Wolf Günther Koch, Technische Universität Dresden, Institut für Kartographie

IKR

Prof. Dr. Ingrid Kretschmer, Universität Wien, Institut für Geographie und Regionalforschung, (A)

JKI

Dr. Jan Krupski, Universität Wroclaw (Breslau), Institut für Geographie, (PL)

CLT

Dipl.-Geogr. Christian Lambrecht, Institut für Länderkunde, Leipzig

ALI

Dipl.-Geogr. Annette Lipinski, Köln

KLL

Dr. Karl-Heinz Löbel, TU Bergakademie Freiberg

OMF

Dr. Otti Margraf, Beucha

SMR

Prof. Dr. Siegfried Meier, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

SMI

Dipl.-Geogr. Stefan Neier-Zielinski, Basel (CH)

GML

Dr. Gotthard Meinel, Institut für Ökologische Raumentwicklung, Dresden

RMS

Roland Meis, Puls

BMR

Prof. Dr. Bernd Meißner, Technische Fachhochschule Berlin, FB 7

MMY

Doz. Dr. Dipl.-Ing. Miroslav Miksovsky, TU Prag, Fakultät Bauwesen, (CZ)

AMR

Dr. Andreas Müller, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt.Kartographie

JMR

Dr.-Ing. Jürgen Müller, TU München, Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie

MND

Dr. Maik Netzband, Universität Leipzig, Institut für Geographie

JNN

Prof. Dr. Joachim Neumann, Wachtberg

ANL

Dr. Axel Nothnagel, Universität Bonn, Geodätisches Institut

FOG

Prof. Dr. Ferjan Ormeling, Universität Utrecht, Institut für Geographie, (NL)

NPL

Dr. Nikolas Prechtel, TU Dresden, Institut für Kartographie

WER

Dr. Wolf-Dieter Rase, Bundesamt für Städtebau und Raumplanung, Abt. I, Bonn

KRR

Prof. Dr. em. Karl Regensburger, TU Dresden, Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung

WRT

Prof. Dr. Wolfgang Reinhardt, Universität der Bundeswehr, Institut für Geoinformation und Landentwicklung, Neubiberg

HRR

Heinz W. Reuter, DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Offenbach

SRI

Dipl.-Geogr. Simon Rolli, Basel (CH)

CRE

Dipl.-Ing. Christine Rülke, TU Dresden, Institut für Kartographie

DSB

PD Dr. Daniel Schaub, Aarau (CH)

MST

Dr. Mirko Scheinert, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie

WSR

Dr.-Ing. Wolfgang Schlüter, Wetzell

RST

Dr. Reinhard-Günter Schmidt, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

JSR

PD Dr. Ing. Johannes Schoppmeyer, Universität Bonn, Institut für Kartographie und Geoinformation

HSN

Prof. Dr. Heidrun Schumann, Universität Rostock, Institut für Computergraphik, FB Informatik

BST

PD Dr. Brigitta Schütt, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Physische Geographie

HSH

Prof. Dr.-Ing. Harald Schuh, TU Wien, Institut für Geodäsie und Geophysik, (A)

GSR

Prof. Dr. Günter Seeber, Universität Hannover, Institut für Erdmessung

KSA

Prof. Dr. Kira B. Shingareva, Moskauer Staatliche Universität für Geodäsie und Kartographie, (RU)

JSS

Dr. Jörn Sievers, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt

MSL

Prof. Dr. Michael H. Soffel, TU Dresden, Lohrmann-Observatorium

ESS

Prof. Dr. em. h.c. Ernst Spiess, Forch (CH)

WSS

Doz. i.R. Dr. Werner Stams, Radebeul

MSR

Dipl.-Geogr. Monika Stauber, Berlin

KST

Prof. Dr. em. Klaus-Günter Steinert, TU Dresden, Lohrmann-Observatorium

PTZ

Dr. Peter Tainz, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

ETL

Dr. Elisabeth Tressel, Universität Trier, FB VI/Physische Geographie

AUE

Dr. Anne-Dore Uthe, Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg, Frankfurt/Oder

GVS

Dr.-Ing. Georg Vickus, Hildesheim

WWR

Dipl.-Geogr. Wilfried Weber, Universität Trier, FB Geographie/Geowissenschaften – Abt. Kartographie

IWT

Prof. Dr. Ingeborg Wilfert, TU Dresden, Institut für Kartographie

HWL

Dr. Hagen Will, Gießen

DWF

Dipl.-Ing. Detlef Wolff, Leverkusen

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