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Lexikon der Mathematik: Die Holonomiegruppe

Die Holonomiegruppe ist das Charakteristikum eines linearen Zusammenhangs. Sie wird allgemeiner auch für Zusammenhänge in Prinzipalbündeln definiert. Wir beschränken uns auf die Erläuterung von Holonomiegruppen linearer Zusammenhänge.

Es sei M eine mit einem linearen Zusammenhang ∇ versehene Mannigfaltigkeit. Sind x, yM zwei Punkte, so sei Γx, y die Menge aller auf dem Intervall [0, 1] ⊂ ℝ definierten stückweise glatten Kurven γ(t) in M mit γ(0) = x und γ(1) = γ. Die Abbildung \begin{eqnarray}{\mathscr{H}}:\gamma \in {{\rm{\Gamma }}}_{x,y}\to {{\rm{\Pi }}}_{\gamma }\in {\text{Hom(T}}_{\text{x}}(\text{M}),\space \space \text{T}_{\text{y}}(\text{M})\text{),}\end{eqnarray} die jeder Kurve γ die Parallelübertragung Πγ längs γ zuordnet, ist die Holonomie von (M, ∇) in den Punkten x und γ.

Genauer: Ist \({\mathfrak{t}}\space \in \space {T}_{x}\text{(}M\text{)}\) ein beliebiger Tangentialvektor, so gibt es genau ein Feld \({\mathfrak{t}}\text{(}t\text{)}\in {T}_{\gamma (t)}(M)\) von längs γ parallel übertragenen Vektoren mit \({\mathfrak{t}}(0)={\mathfrak{t}}\). Πγ ordnet \({\mathfrak{t}}\) den Vektor \({\mathfrak{t}}\text{(1)}\in {T}_{y}(m)\) zu. Es gilt \begin{eqnarray}{{\rm{\Pi }}}_{\gamma }(r{\mathfrak{t}}+s{\mathfrak{s}})=r{{\rm{\Pi }}}_{\gamma }({\mathfrak{t}})+s\space {{\rm{\Pi }}}_{\gamma }({\mathfrak{s}})\end{eqnarray} für alle r, s ∈ ℝ und \({\mathfrak{t}}\text{,}\space {\mathfrak{s}}\in {T}_{x}\text{(}M\text{)}\), d. h., Πγ ist linear. Bezeichnet \(\tilde{\gamma }\in {\Gamma }_{y,x}\) die in entgegengesetzter Richtung durchlaufene Kurve γ, d.h. \(\tilde{\gamma }(t)=\gamma (1-t)\), so ist \({\Pi }_{\tilde{\gamma }}\circ{\Pi }_{\gamma }\) die identische Abbildung von Tx(M), d.h., Πγ ist bijektiv.

Wir bezeichnen mit Hx, y ⊂ End(Tx(M), Ty(M)) die Bildmenge \( {\mathcal H} (\gamma \in {\Gamma }_{x,\space y})\). Für x = y ist Hx = Hx, x eine Untergruppe der Gruppe Gl(Tx(M)) aller bijektiven linearen Abbildungen des Tangentialraums Tx(M) in sich. Diese Gruppeneigenschaft ist eine direkte Folgerung aus der Verträglichkeit der Parallelübertragung mit dem Zusammensetzen von Kurven.

Hx heißt Holonomiegruppe von (M, ∇) im Punkt x. Wenn M das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt ist, ist Hx eine Liesche Untergruppe von Gl(Tx(M)), d. h., eine abgeschlossene glatte Untermannigfaltigkeit, die gleichzeitig eine Untergruppe ist. Das Einselement von Hx ist die identische Abbildung Id, und der Tangentialraum \({{\mathfrak{h}}}_{x}={T}_{\text{Id}}({H}_{x})\) von Hx im Punkt Id heißt Holonomiealgebra von (M, ∇) im Punkt x. Sie ist ein linearer Unterraum des Raumes End(Tx(M)) der Endomorphismen von Tx(M) und in bezug auf die Kommutatorbildung \((\alpha, \space \beta )\in {{\mathfrak{h}}}_{x}\times {{\mathfrak{h}}}_{x}\to [\alpha, \space \beta ]\space =\space \alpha \space \circ \space \beta \space – \space \beta \space \circ\space \alpha \) abgeschlossen. Somit ist \({{\mathfrak{h}}}_{x}\) eine Liesche Unteralgebra von End(Tx(M)).

Der Krümmungstensor eines beliebigen linearen Zusamenhangs ∇ ist analog zum Riemannschen Krümmungstensor als Abbildung definiert, die jedem Paar von Tangentialvektoren X, YTx(M) den Endomorphismus R(X, Y) : UTx(M) → ∇X(∇YU) − ∇Y(∇XU) − ∇[X, Y]UTx(M) zuordnet. Das Holonomietheorem von Ambrose und Singer besagt, daß die Holonomiealgebra durch R bestimmt ist:

Die Holonomiealgebra \({{\mathfrak{h}}}_{x}\)von (M, ∇) im Punkt xM wird als Liesche Unteralgebra von der Teilmenge {R(X, Y) ∈ End(Tx(M)); X, Y ∈ Tx(M)} erzeugt.

Lassen sich zwei Punkte x, yM durch eine stückweise glatte Kurve γ(t) (t ∈ [0, 1], γ(0) = x, γ(1) = y) verbinden, so ist durch αHy → (Πγ)−1α ○ ΠHx eine Isomorphie zwischen Hx und Hy gegeben. Daher sind alle Holonomiegruppen einer bogenweise zusammenhängenden Mannigfaltigkeit untereinander isomorph.

Die eingeschränkte Holonomiegruppe \({H}_{x}^{0}\) ist als Menge aller Parallelübertragungen Πγ längs null-homotoper geschlossener Kurven γ ∈ Γx, x definiert, d. h. längs geschlossener Kurven, die sich stetig innerhalb von M auf den Anfangspunkt x zusammenziehen lassen. \({H}_{x}^{0}\) ist eine Untergruppe von Hx und stimmt mit der topologischen Zusammenhangskomponente des Einselementes Id ∈ Hx überein.

Ist M eine Riemannsche Mannigfaltigkeit mit der Riemannschen Metrik g und ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang von g, so ist die Länge von Vektoren bei der Parallelübertragung invariant. Somit ist Hx eine Untergruppe der orthogonalen Gruppe O(Tx(M), gx) von Tx(M).

Da Hx in diesem Fall kompakt ist, ist Tx(M) als Darstellungsraum von Hx vollständig reduzibel, d. h., es existiert eine Zerlegung \({T}_{x}(M)=\displaystyle {\sum }_{i=1}^{k}{T}_{x}^{(i)}\) in invariante Unterräume, die de Rham-Zerlegung von Tx(M). Da ferner die Darstellungsräume Tx(M) der Gruppen Hx für alle Punkte xM untereinander isomorph sind, sind auch die de Rham-Zerlegungen untereinander isomorph. Genauer: Die Parallelübertragung längs einer stückweise glatten, zwei Punkte x und γ verbindenden Kurve γ(t) überführt die Komponenten \({T}_{x}^{(i)}\) der de Rham-Zerlegung von Tx(M) in die entsprechenden Komponenten der de Rham-Zerlegung von Ty(M).

Die de Rham-Zerlegung der Tangentialräume überträgt sich unter bestimmten Voraussetzungen auf die Mannigfaltigkeit M. Es gilt der Zerlegungssatz von de Rham:

Es sei M eine einfach zusammenhängende und vollständige Riemannsche Mannigfaltigkeit und \({{\rm{\Delta }}}^{(i)}:y\in M\to {T}_{y}^{(i)}\space (i=1,\ldots ,k)\)die Abbildung, die jedem Punkt den Unterraum \({T}_{y}^{(i)}\)der de Rham-Zerlegung von Ty(M) zuordnet. Dann ist Δ(i) ein vollständig integrables Pfaffsches System. Durch jeden Punkt von M geht eine maximale Integralmannigfaltigkeit, d. h., eine zusammenhängende Untermannigfaltigkeit NM, deren Tangentialräume in allen Punkten yN mit Δ(i) (y) übereinstimmen, und die in keiner sie echt umfassenden Integralmannigfaltigkeit enthalten ist.

Bezeichnet man mit N(i) die maximale Integralmannigfaltigkeit von Δ(i) durch einen fest gewählten Punkt xM, so ist die gesamte Mannigfaltigkeit M zu dem direkten Produkt der N(i) isomorph: \begin{eqnarray}M={N}^{(1)}\times {N}^{(2)}\times \cdots \times {N}^{(k)}.\end{eqnarray}

Diese Aussage schließt mit ein, daß auch g das direkte Produkt der Riemannschen Metriken der N(i) ist.

Tritt in dieser Zerlegung nur ein Faktor auf, so heißt M irreduzibel. Die Holonomiegruppen von irreduzibeln Riemannschen Mannigfaltigkeiten der Dimension n, die keine symmetrischen Räume sind, gehören nach einem Satz von M. Berger einer der folgenden acht Klassen an:

Abbildung 1 zum Lexikonartikel Die Holonomiegruppe
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Dabei ist n in den Fällen U(n/2) und SU(n/2) eine gerade Zahl, und eine durch 4 teilbare Zahl im Fall der Gruppen Sp(n/4) Sp(1) und Sp(n/4). G2 ist als Untergruppe von GL(7, ℝ) erklärt, die die alternierende 3-Form \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}\varphi & = & d{x}^{5}\wedge d{x}^{6}\wedge d{x}^{7}+\\ & & (d{x}^{1}\wedge d{x}^{2}-d{x}^{3}\wedge d{x}^{4})\wedge d{x}^{5}+\\ & & (d{x}^{1}\wedge d{x}^{3}-d{x}^{4}\wedge d{x}^{2})\wedge d{x}^{6}+\\ & & (d{x}^{1}\wedge d{x}^{4}-d{x}^{2}\wedge d{x}^{3})\wedge d{x}^{7}\end{array}\end{eqnarray} invariant läßt. Spin(7) und Spin(9) sind als zweiblättrige Überlagerungsgruppen von SO(7) bzw. SO(9) definiert. Um sie als Holonomiegruppen verstehen zu können, müssen sie jedoch als Untergruppen einer linearen Gruppe GL(n, ℝ) angesehen werden. Man kann Untergruppen von GL(8, ℝ) und GL(16, ℝ) angeben, die zu Spin(7) bzw. zu Spin(9) isomorph sind.

Literatur

[1] Kobayashi., S; Nomizu., K.: Foundations of Differential geometry I. Interscience Publishers, New-York & London 1963.

[2] Salamon, S.: Riemannian geometry and holonomy groups. Longman Scientific & Technical, Großbritannien, 1989.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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