Metzler Lexikon Philosophie: Institution
(1) vielschichtiger sozialwissenschaftlicher Begriff, mit dem alle auf Dauer gestellten, der direkten Disposition durch einzelne entzogenen Organisationsformen einer Gesellschaft bezeichnet werden. I.en geben Verhaltens-, Handlungs- und Denkmuster vor, die auf die Individuen einen rechtlich, moralisch oder religiös sanktionierten Druck ausüben. Malinowski erklärt die Entstehung von I.en aus der durch sie ermöglichten und dauerhaft gesicherten Bedürfnisbefriedigung. Da befriedigten Bedürfnissen stets neue nachwachsen, wandeln und differenzieren sich I.en im Laufe der Kulturentwicklung. Gehlen bestimmt I.en als auf Dauer gestellte, gemeinsame Reaktionen von Seiten aller Mitglieder einer Gemeinschaft auf eine bestimmte Situation. Konkret umfasst der Begriff im Grunde das ganze Feld menschlicher Leistungen, die im Zusammenspiel von instrumentellem und ideenschaffendem Verhalten hervorgebracht werden: vom Werkzeuggebrauch über gesellschaftlich-politische Gebilde bis zu Ausdrucksformen in der Kunst und Sprache. Wesentlich ist den I.en ihre stabilisierende und entlastende Funktion, da sie dem einzelnen sowohl Sinngebungsmuster, als auch den Rahmen von Handlungsmöglichkeiten vorgeben. Gehlen ist der Ansicht, dass eine Gesellschaft chaotisch wäre, »in der die konstitutionelle Plastizität der menschlichen Antriebe, die Variabilität der Handlungen und die Unerschöpflichkeit der Dingansichten zur Geltung kämen« (Urmensch und Spätkultur, S. 21). I.en müssen daher eine übersubjektive Eigenständigkeit haben, an der der Einzelne teilhat, sie stellen gleichsam den Kristallisationspunkt eines gemeinsamen Selbstbewusstseins dar. Ihre Funktion erfordert eine räumlich-zeitliche Konstanz und ein verstehendes und lernendes Einfügen des Individuums in ihre übergreifende Existenz.
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(2) In einem handlungstheoretischen Sinne gründet sich jede I. auf ein von vielen Menschen praktiziertes, ziemlich regelmäßiges Verhalten. Die durch zwischenmenschliche Beziehungen vermittelten Verhaltensmuster stellen ein System von Handlungsprinzipien oder -regeln dar. In Gestalt solcher Handlungsregeln fungieren sie als I.en, die den Rahmen von Handlungsweisen abstecken, zur Richtschnur eigenen Handelns werden können und deren Übertretung verurteilt wird. Am Bsp. der I. des Verspechens wird deutlich, dass sich die I. zum einen aufgrund der gewöhnlich herrschenden Lebensverhältnisse bildet, zum andern einen allgemeinen gesellschaftlichen Erwartungshorizont derart darstellt, dass die Einhaltung und Erfüllung des Versprechens gefordert, dessen Nichteinhaltung missbilligt wird. Grundlegend für solche I.en sind nicht in erster Linie abstrakte normative Regeln und Verhaltensvorschriften, sondern eine Vielfalt von Einstellungen im Denken, Handeln und Fühlen: Das Verflochtensein in eine I. bedeutet, dass man die für sie charakteristischen Begriffe verwendet, ihre Regeln gutheißt oder sich auf sie beruft und in jener spezifischen Weise denkt, die dazu beiträgt, die I. aufrechtzuerhalten. [PP]
Literatur:
- A. Gehlen: Urmensch und Spätkultur. Frankfurt/Bonn 1956
- B. Malinowski: Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur. Frankfurt 31988
- W. Lipp: Institution und Veranstaltung. Berlin 1968
- J. L. Mackie: Ethik. Stuttgart 1983. S. 101 ff
- H. Schelsky (Hg.): Zur Theorie der Institution. Düsseldorf 1970.
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