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Körperbild: Du gehörst zu mir

Ob Hammer oder Harke – wenn wir mit Werkzeugen arbeiten, nimmt unser Gehirn sie wie verlängerte Gliedmaßen wahr, als wären sie ein Teil des Körpers. Mit ­komplizierten Geräten tut sich das Denkorgan jedoch schwer, wie Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund herausfanden.
Erstaunliche Leistung

Die 14-jährige Dorothee möchte ein Poster ihrer Lieblingsband aufhängen. Sie nimmt eine Reißzwecke und versucht, diese durchs ­Papier hindurch in die Wand zu drücken. Doch der Putz ist hart, die Reißzwecke verbiegt und fällt hinters Bett, während sich das Mädchen den schmerzenden Daumen reibt. Ich brauche ­einen Hammer, denkt sie, und wird in Papas Werkzeugkiste fündig. Mit entschlossenen Schlägen nagelt sie das Poster, nach einigen unangenehmen Treffern auf Daumen und Zeigefinger, schließlich fest.
Diese kleine Szene aus dem Alltag zeigt: Könnten wir nur unseren Körper einsetzen, um auf die Umwelt einzuwirken, würden wir an vielen Aufgaben scheitern. Zum Glück haben der Mensch sowie auch einige Tierarten im Lauf der Evolution gelernt, Gegenstände zu manipulieren und als Werkzeuge zu benutzen. Da diese "verlängerten Gliedmaßen" andere physikalische Eigenschaften haben als Körperteile, können wir unser Handlungsspektrum damit beträchtlich erweitern. Im Eingangsbeispiel ist der Finger zu weich und der Arm zu schwach, um die Reißzwecke in den Putz zu drücken. Der harte Hammerkopf hingegen, über einen langen Schaft kraftvoll geschwungen, löst das Problem.
Ein wesentliches Merkmal von Werkzeugen ist also, dass sie unsere körperlichen Beschränkungen ein Stück weit aufheben. Die Axt verleiht unseren Schlägen Wucht, so dass wir Holzscheite spalten können. Der Hebelkorkenzieher verstärkt unsere Kraft, so dass wir mühelos eine Weinflasche öffnen können. Die Pinzette ist viel feiner als unsere Finger, so dass wir mit ihr zum Beispiel einen Holzsplitter greifen und entfernen können.
Obwohl uns das im Alltag nicht immer bewusst ist, zählt die Fähigkeit zu scheinbar mühelosem Werkzeuggebrauch zu den faszinierendsten Leistungen unseres motorischen Systems ...

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Gehirn&Geist – Selbstüberschätzung: Wie Unwissenheit zu falschem Selbstvertrauen führt

Laut dem Dunning-Kruger-Effekt führt Unwissenheit zur Selbstüberschätzung, weil die Kompetenz fehlt, seine Grenzen zu erkennen. Andere Fachleute bezweifeln die psychologische Erklärung, manche halten den Effekt sogar für ein reines statistisches Artefakt. Ist dem wirklich so? Daneben geht David Dunning im Interview auf seine Studien über Selbstüberschätzung, Wunschdenken und leichtfertiges Vertrauen ein. Darüber hinaus erfahren Sie in dieser Ausgabe, wie künstliche Intelligenz die Analyse von Hirnaktivitäten auf ein neues Niveau hebt und damit neue Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ermöglicht. Lähmungen oder Zittern ohne erkennbare Ursache galten lange als rätselhaft, doch langsam werden funktionelle Bewegungsstörungen immer besser verstanden und wirksame Therapien entwickelt. Im Rahmen der Serie »Die Sprache der Wale« stellen wir die komplexe Sprache der Delfine und Wale vor und wie diese mit künstlicher Intelligenz entschlüsselt wird. Zudem berichtet der Biologe Lars Chittka über seine Forschungen an Bienen und andere Insekten, die weitaus komplexere kognitive Fähigkeiten besitzen als bislang gedacht.

Spektrum - Die Woche – Wer inkompetent ist, überschätzt sich gern

Wer in Tübingen lebt, kommt kaum am Stocherkahn vorbei – charmant wie eine Gondel, aber mit Muskelkraft betrieben. Was einfach aussieht, entpuppt sich als schweißtreibend. Warum wir uns oft überschätzen und was der Dunning-Kruger-Effekt wirklich erklärt, lesen Sie in unserer Titelgeschichte.

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  • Quellen

Maravita, A., Iriki, A.:Tools for the Body (Schema). In: Trends in Cognitive Sciences 8, S. 79-86, 2004

Massen, C., Sattler, C.:Coor­dinative Constraints in Bi­manual Tool Use. In: Experimental Brain Research 206, S. 71-79, 2010

Massen, C., Sattler, C.:Bimanual Interference with Compatible and Incompatible Tool Transformations. In: Acta Psychologica 135, S. 201-208, 2010

Pruetz, J. D., Bertolani, P.:Savanna Chimpanzees, Pan roglodytes verus, Hunt with Tools. In: Current Biology 17, S. 412-417, 2007

Krützen, M. et al.:Cultural Transmission of Tool Use in Bottlenose Dolphins. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 102, S. 8939-8943, 2005

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