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Gesellschaftlicher Wandel: Alte Vorurteile schwinden - mit einer Ausnahme

In den USA bewerten Menschen einander immer weniger anhand von Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung. Ein anderes Merkmal spielt allerdings - unbewusst - eine zunehmend große Rolle.
Nahaufnahme von zwei Gesichtshälften: ein schwarzer und ein weißer Mann Kopf an Kopf

Mögen Sie Heterosexuelle lieber als Homosexuelle? Die Zahl derer, die diese Frage bejahen würden, nimmt in den USA seit Jahren ab. Ebenso ist es bei Fragen, die die Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung oder mit dunkler Hautfarbe, gegenüber Älteren oder Übergewichtigen erfassen. Doch bei den unbewussten Vorurteilen sieht es anders aus, wie Tessa Charlesworth und Mahzarin Banaji von der Harvard University in der Fachzeitschrift »Psychological Science berichten.

Die Psychologinnen analysierten Online-Umfragedaten und Testergebnisse von mehr als vier Millionen Menschen aus den Jahren 2004 bis 2016. Diese wurden teils explizit befragt, ob sie beispielsweise Jüngere oder Ältere lieber mögen; teils wurden ihre unbewussten Assoziationen anhand von Reaktionszeiten getestet ( »Wie misst man Vorurteile?«). Die stärkste Veränderung in Richtung neutraler Bewertung beobachteten die Forscherinnen bei den expliziten Vorurteilen gegenüber Homosexuellen, und das galt für Befragte aller Generationen. Auch explizite und implizite rassistische Einstellungen nahmen ab, wobei der Wandel der unbewussten Assoziationen den explizit geäußerten Ansichten sogar vorausging. Allein bei US-Amerikanern afrikanischer Herkunft zeigte sich ein solcher Wandel nicht; sie bevorzugten ihre eigene Ethnie.

Rückläufig waren auch offen geäußerte, nicht aber unbewusste negative Einstellungen gegenüber Älteren oder Menschen mit Behinderung. Beim Thema Übergewicht entwickelten sich offene und versteckte Vorlieben sogar gegenläufig: Unbewusste negative Assoziationen mit Übergewicht, vor allem mit rundlichen Gesichtern, nahmen mit den Jahren zu, und das unabhängig vom eigenen Körpergewicht. Besonders deutlich war der Effekt bei den jüngsten Befragten.

»Innerhalb eines Jahrzehnts wandelten sich alle expliziten Einstellungen Richtung Neutralität«, fassen die Autorinnen zusammen. Eine solche Tendenz sei zwar auch bei vielen impliziten Einstellungen zu beobachten, nicht aber in Hinblick auf Übergewicht, eine Behinderung oder fortgeschrittenes Alter. Das könne daran liegen, dass diese mit nachweislichen körperlichen Einschränkungen assoziiert würden, vermuten die Psychologinnen von der Harvard University. Wie sie einräumen, stellten die gut vier Millionen Befragten zwar keine repräsentative Stichprobe der US-Bevölkerung dar. Doch bei bevölkerungsrepräsentativer Gewichtung der Daten hätten sich dieselben Trends ergeben.

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