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Lotuseffekt: Nanostruktur lässt Bakterien abprallen

Simpel herzustellen, aber raffiniert aufgebaut: Die Nanofalten dieser Plastikfolie lassen gefährlichen Keimen keine Chance, sich festzusetzen.
Krankenschwester im Untersuchungszimmer hält ein Instrument.

Von einer neuen Plastikfolie mit Nanostruktur prallt alles ab – Wasser, Öl und sogar gefährliche Bakterien. Und der Clou: Das Material lässt sich mit einfachen Verfahren in großen Mengen produzieren, berichten Leyla Soleymani und Tohid Didar von der kanadischen McMaster University. »Omniphobe« Oberflächen sind für sich genommen keine Neuerung, doch meistens stellt man sie mit Verfahren her, die zu aufwändig sind, um sie großtechnisch zu nutzen – das sei bei diesem Material anders. Man könne solche Folien verwenden, um Gegenstände und Oberflächen zu beschichten oder gar um Lebensmittel zu verpacken, schreibt das Team im Fachblatt »ACS Nano«. Die von ihm entwickelte Oberfläche nutzt den lange bekannten Lotuseffekt, bei dem Mikro- und Nanostrukturen dafür sorgen, dass Flüssigkeiten spurlos abperlen; gleichzeitig lässt Hitze die Folie schrumpfen, so dass man mit ihr Türgriffe und andere Objekte »verpacken« kann.

Das Material soll zum Beispiel in Krankenhäusern verhindern, dass Krankheitserreger per Schmierinfektion von Hand zu Hand wandern und sich so verbreiten. In ihren Experimenten zeigte die Arbeitsgruppe, dass die gegen viele Antibiotika resistenten Krankheitserreger MRSA (methicillinresistenter Staphylococcus aureus) und Pseudomonas aeruginosa tatsächlich ebenso wenig auf der behandelten Oberfläche haften wie Wasser, Blut und das Lösungsmittel Hexadecan. Diese omniphobe Struktur erzeugte die Arbeitsgruppe mit Hilfe einer raffinierten Oberflächenbehandlung, von der jeder Herstellungsschritt nach Angaben des Teams auch in großem Maßstab funktioniert.

Zuerst behandelten die Forscher eine ganz normale Plastikfolie aus Polyolefin oder Polystyrol – zwei gängigen Kunststoffen für Verpackungen – mit Ozon und UV-Licht, so dass eine chemisch veränderte Schicht an der Oberfläche entstand. Anschließend beschichtete das Team diese mit Nanopartikeln und einem fluorhaltigen Molekül, das sowohl Öl als auch Wasser abweist. Beim abschließenden Erhitzen schrumpfte die im ersten Schritt erzeugte Oberflächenschicht nicht so stark wie der unbehandelte Kunststoff – und warf unzählige, nur wenige hundert Nanometer große Falten, die unter dem Mikroskop wie Hirnwindungen aussehen. Auf der entstehenden im Mikrometer- wie im Nanometermaßstab rauen Oberfläche hafte nahezu nichts, berichten Soleymani und Didar.

Das Team brachte die Folie auf verschiedene Gegenstände wie zum Beispiel einen Stift oder ein Stethoskop auf. Diese berührte es dann für zehn Sekunden mit einer Art Bakterienstempel: einem Stück Nährboden, auf dem grün leuchtende Bakterien wuchsen. Indem sie die Gegenstände anschließend auf ihre Fluoreszenz untersuchte, stellte die Arbeitsgruppe fest, ob Bakterien daran kleben geblieben waren. Und tatsächlich: Die Stellen, die von der Folie bedeckt gewesen waren, lieferten kaum ein Signal, während unbedeckte Stellen stark leuchteten.

Anders als Beschichtungen, die Ionen oder Silberpartikel freisetzen, tötet die Folie Bakterien nicht direkt ab, sondern verhindert lediglich deren Anheftung. Dafür verliert sie allerdings weniger schnell an Wirksamkeit. Anders als bei einem Desinfektionsmittel, das Keime zwar kurzzeitig effektiv bekämpft, aber schnell verdampft, bleibt die Folie dem kanadischen Team zufolge über Monate hinweg wirksam. Zudem enthalte sie keine Stoffe, gegen die die Mikroben resistent sind oder werden könnten. Ob die Folien für uns ungiftig und damit tatsächlich zur Verpackung von Lebensmitteln geeignet sind, wollen die Forscher in weiteren Studien klären.

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