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Phallusfigur und Wildschwein: Rund 12 000 Jahre alte Skulpturen in der Türkei entdeckt

An zwei Fundplätzen der frühen Jungsteinzeit haben Archäologen teils kolossale Figuren entdeckt: einen Keiler in Göbekli Tepe und einen Mann mit Phallus in der Hand in Karahan Tepe.
Bei Ausgrabungen in Karahan Tepe entdeckten türkische Archäologen diese mehr als 2,3 Meter hohe Statue.
Bei Ausgrabungen in Karahan Tepe entdeckten türkische Archäologen diese mehr als 2,3 Meter hohe Statue (rechts). Sie dürfte rund 12 000 Jahre alt sein.

Im Südosten der Türkei haben Archäologen steinzeitliche Figuren gefunden, die vermutlich rund 12 000 Jahre alt sind. Darunter befindet sich eine überlebensgroße Statue eines nackten Mannes, der seinen Penis umgreift. Wie das türkische Ministerium für Kultur und Tourismus berichtet, kam die Figur am Fundplatz Karahan Tepe zum Vorschein, wo Fachleute um Necmi Karul von der Universität Istanbul bereits auf Kreise kolossaler Steinpfeiler gestoßen waren. Derartige Monumentalanlagen sind vor allem vom Göbekli Tepe bekannt, der unweit von Karahan Tepe liegt. In Göbekli Tepe haben Forschende ebenfalls Neufunde gemacht: unter anderem die Statue eines Wildschweins, an der sich noch Farbreste abzeichnen. Damit seien erstmals Farbspuren an einem Kunstwerk jener frühneolithischen Epoche gesichert worden.

Als Archäologen in den 1980er und 1990er Jahren im Umfeld der türkischen Stadt Şanlıurfa Rundanlagen aus T-förmigen Pfeilern entdeckten, hatten sie die weltweit ältesten Steinbauten aus dem Boden gehoben. Gemeinschaften von Jägern und Sammlern hatten vor rund 12 000 Jahren die Pfeilerkreise errichtet – zu einer Zeit, als Menschen in der Region begannen, nicht nur Tiere zu jagen und Wildfrüchte zu sammeln, sondern auch Feldbau zu betreiben. Fachleute bezeichnen den Umschwung in der Lebensweise als neolithische Revolution.

Die Monolithe von Karahan Tepe, Göbekli Tepe und anderen Fundorten, die teils übersät sind mit Reliefs von wilden Tieren, gelten als die ältesten Tempel der Welt. Allerdings ist mittlerweile klar, dass die Wildbeuter an diesen Orten auch in Häusern wohnten.

Karahan Tepe | In Karahan Tepe entdeckten türkische Archäologen eine Männerstatue (rechts im Bild), die einst in eine Steinbank eingelassen worden war. Dort stießen die Fachleute auch auf steinerne Geierköpfe.

Nun haben türkische und deutsche Fachleute weitere Skulpturen der so genannten Taș-Tepeler-Kultur entdeckt. In Karahan Tepe legten sie eine zirka 2,3 Meter hohe Steinfigur eines Mannes frei. Die nackte Figur, die womöglich als sitzend dargestellt sein soll, umgreift mit beiden Händen ihren Phallus. Finger und Rippen wurden mit tiefen Ritzlinien angegeben, um den Hals hebt sich eine Art V-förmiger Kragen ab. Ebenjenes Motiv ist auch von anderen Fundstücken gut bekannt wie beispielsweise vom so genannten Urfa-Mann, einer etwa 1,8 Meter hohen Sandsteinstatue, die 1993 bei Bauarbeiten nahe der Stadt Şanlıurfa entdeckt wurde.

In seiner aktuellen Nachricht erklärt das türkische Kulturministerium nicht, aus welcher Zeit genau die Neufunde stammen. Da die Fundplätze jener Steinzeitkultur jedoch bis zu 12 000 Jahre alt sind und damit in die präkeramische Jungsteinzeit gehören, ist anzunehmen, dass auch die aktuellen Fundstücke in diese Epoche einzuordnen sind.

Wildschwein | Die Figur eines Keilers, die sich in Göbekli Tepe fand, zeigt noch Spuren von Farbresten: rote im Maul des Tiers und schwarze am Körper.

In Göbekli Tepe stieß ein Team um Necmi Karul und Lee Clare vom Deutschen Archäologischen Institut ebenfalls auf Skulpturen. So fanden sie in einem der vier bisher frei gelegten Steinkreise – mindestens 16 solcher Rundanlagen schlummern noch im Boden – die lebensgroße Statue eines Keilers. An der Figur dokumentierten die Ausgräber Spuren weißer, schwarzer und roter Farbe, etwa im zähnefletschenden Maul des Ebers. Es sei der erste Skulpturfund aus jener frühneolithischen Epoche, an dem sich noch Farbreste abzeichnen, wie das Ministerium für Kultur und Tourismus mitteilt.

Die Figur fand sich auf einer Steinbank, an der auch Köpfe von Menschen angebracht sind, ebenso Abbildungen von Schlangen und weiteren Symbolen. Von Wildschweinen kennen Archäologen mehrere Darstellungen aus Göbekli Tepe, die in Form von Reliefs auf den T-Pfeilern und als Skulpturen überliefert sind.

Bislang kamen an mehreren Fundstellen der Provinz Şanlıurfa im Südosten der Türkei ähnliche Kunstwerke zum Vorschein. Zuletzt gaben Archäologen bekannt, im Ort Sayburç ein Relief untersucht zu haben, das ebenfalls einen nackten Mann zeigt. Auch diese Figur hielt einen heute nicht mehr erhaltenen Steinphallus in Händen. Welche Bedeutung dieses Motiv einst besaß, ist unklar. Es könnte sich aber um eine Art Schöpfergott gehandelt haben.

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