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Umwelt: Rauchen tötet (nicht nur Raucher)

Global wird immer mehr geraucht. Doch der Anbau des Tabaks, die Herstellung und der Vertrieb der Zigaretten und die übrig bleibenden Kippen machen den Ökosystemen der Erde zum Teil massiv zu schaffen.
Die Reste von Zigaretten lassen sich nur schwer entsorgen.

Wer mit dem Rauchen aufhören will, denkt dabei meist an seine Gesundheit. Vielleicht auch noch an seinen Geldbeutel. Dass man damit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten könnte, hat dagegen kaum jemand auf dem Schirm. Dabei gibt es immer mehr Indizien dafür, dass dieser Schritt aus ökologischen Gründen eine gute Idee sein könnte. Denn der Anbau des Tabaks, die Herstellung und der Vertrieb der Zigaretten und die übrig bleibenden Kippen machen den Ökosystemen der Erde zum Teil massiv zu schaffen. Und diese Probleme werden nicht kleiner.

Schätzungen zufolge stecken sich eine Milliarde Raucher weltweit rund 5,8 Billionen Zigaretten im Jahr an. Zwar gehe der Konsum in reichen Ländern eher zurück, berichtet ein Team um Maria Zafeiridou vom Imperial College London, das sich mit den Umweltauswirkungen von Tabak beschäftigt hat. Global gesehen aber werde immer mehr geraucht – ein Trend, zu dem vor allem jugendliche Raucher in Entwicklungsländern beitragen.

Für die Weltgesundheitsorganisation WHO war das 2017 Grund genug, das bisherige Wissen über die Umwelteinflüsse des Tabakkonsums einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Dass es sich um ein Gesundheitsrisiko handle, das jedes Jahr mehr als sieben Millionen Menschen weltweit das Leben koste, sei hinreichend dokumentiert, so die Argumentation. Deutlich weniger gut untersucht seien dagegen die zahlreichen anderen Auswirkungen des Tabakkonsums auf Umwelt und Gesellschaft. Doch was man darüber wisse, sei durchaus Besorgnis erregend.

Tabak wächst dort, wo es ohnehin zu wenig Essen gibt

Das fängt schon damit an, dass der weltweit gefragte Tabak erst einmal irgendwo wachsen muss. So wurden 2014 auf insgesamt vier Millionen Hektar Land 32,4 Millionen Tonnen davon angebaut – und zwar vor allem in Regionen, in denen die Menschen mittlere oder geringe Einkommen erzielen. Zu den wichtigsten Anbauregionen gehören Länder wie Indien, Simbabwe, Pakistan und Malawi, die ohnehin zumindest zeitweise mit Lebensmittelknappheit zu kämpfen haben. Und wo die Tabakpflanzen für den Export immer mehr Landwirtschaftsfläche einnehmen, kann sich dieses Problem noch verschärfen.

Zudem fressen sich die Plantagen vielerorts auch zunehmend in die Wälder hinein. Und die Tatsache, dass beim Trocknen der grünen Blätter oft sehr viel Brennholz verbraucht wird, kurbelt den Schwund von Wald- und Buschland weiter an. Um den Tabak für etwa 300 Zigaretten zu trocknen, geht Schätzungen zufolge etwa ein Baum in Flammen auf.

Schon seit Mitte der 1970er Jahre sei der Einfluss des Tabakanbaus auf die Wälder der Erde Besorgnis erregend, resümiert der WHO-Bericht. In China zum Beispiel habe diese Form der Landwirtschaft Mitte der 1990er Jahre zum Verlust von rund 16 000 Hektar Wald pro Jahr beigetragen. Das entspricht der Fläche von Liechtenstein. Und auch in Afrika sei das Problem massiv. 90 Prozent der gesamten Tabakanbauflächen des Kontinents liegen in den tropischen Trockenwäldern und Buschländern, die Fachleute »Miombo« nennen. Rund die Hälfte des verloren gegangenen Waldes in diesen Ökosystemen hat nach WHO-Angaben mit dem Anbau und dem Trocknen von Tabak zu tun.

Tabakanbau lässt Wüsten wachsen

Das hat in einigen Bereichen der Miombo-Region, aber auch in Jordanien, Indien, Kuba und Brasilien zur Ausbreitung von Wüsten geführt. Denn Tabakfelder sind anfällig für Bodenerosion, weil diese Pflanzen den Oberboden kaum vor Wind und Wasser schützen. Zudem nehmen Tabakpflanzen im Vergleich zu vielen anderen Nutz- und Nahrungspflanzen mehr Stickstoff, Phosphor und Kalium auf. Deshalb laugt dieser Anbau die Böden rasch aus und erfordert üppiges Düngen. Dazu kommt dann noch ein relativ großer Bedarf an Pestiziden und anderen Agrarchemikalien.

Mit dem Anbau und dem Trocknen der Tabakpflanzen sind die Umweltprobleme allerdings noch nicht zu Ende. Auch die Herstellung der Zigaretten sowie ihr Vertrieb verschlechtern die Umweltbilanz von Tabakprodukten. Denn diese Schritte verbrauchen große Mengen von Wasser, Energie und anderen Ressourcen. Außerdem entstehen dabei Emissionen und jede Menge Abfall.

All diese Aspekte hat Maria Zafeiridou zusammen mit Nicholas Hopkinson und Nikolaos Voulvoulis vom National Heart and Lung Institute in London analysiert, um daraus einen globalen ökologischen Fußabdruck des Rauchens zu erstellen – und zwar vom Anbau und dem Trocknen des Tabaks über die Herstellung und den Vertrieb der Zigaretten bis hin zum Wegwerfen der Kippen. Die Bilanz der Wissenschaftler fällt nicht gut aus.

Raucher erzeugen so viel Treibhausgase wie Israel

Da ist zum Beispiel der Einfluss des Rauchens auf den Klimawandel. Nach den Berechnungen der Forscher werden durch Produktion und Konsum von Zigaretten jedes Jahr Treibhausgase frei, deren Wirkung einer Menge von fast 84 Millionen Tonnen Kohlendioxid entspricht. Das ist fast so viel, wie Länder wie Peru oder Israel insgesamt in einem Jahr ausstoßen. Wer 50 Jahre lang jeden Tag ein Päckchen Zigaretten raucht, produziert der Analyse zufolge etwas mehr als fünf Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Um das auszugleichen, müsste er 132 junge Bäume zehn Jahre lang wachsen lassen. Besonders negativ schlägt in der Klimabilanz das Trocknen der Tabakblätter zu Buche.

Beim Anbau dagegen entsteht 70 Prozent des berechneten Umweltschadens durch Bewässerung und Düngung. In einer typischen Zigarette stecken nach Angaben der Forscher 3,7 Liter Wasser. Insgesamt benötigt die Herstellung von Tabakprodukten mehr als 22 Milliarden Kubikmeter Wasser im Jahr – und damit mehr als das 2,5-fache der gesamten Wasserversorgung für die Bevölkerung Großbritanniens. Ganz abgesehen von einem Verbrauch an fossilen Energien, der 21 Millionen Tonnen Öl entspricht. Das ist etwa so viel, wie Neuseeland oder Ungarn im Jahr an Primärenergie verbrauchen.

Angesichts solcher Werte wäre es nach Einschätzung der Forscher gerade in Entwicklungsländern oft sinnvoller, die Flächen und Ressourcen zur Produktion von bestimmten Nahrungsmitteln einzusetzen. So könnten die fast 1300 Quadratmeter Land, die zur Produktion von einer Tonne grünem Tabak notwendig sind, in geeigneten Regionen südlich der Sahara etwa sechs Tonnen Tomaten oder fast eine halbe Tonne Weizen liefern. Der Wasserverbrauch von 670 Kubikmetern pro Tonne Tabak ist vergleichbar mit dem von einer Tonne Reis und fünf- bis achtmal höher als bei Tomaten oder Kartoffeln.

Tabak ist ein Gesundheitsrisiko für den Planeten

Zwar bemüht sich die Tabakindustrie durchaus um Effizienzsteigerungen bei der Herstellung ihrer Produkte. Nach eigenen Angaben hat zum Beispiel die Firma Philip Morris ihren Kohlenstoff- und Wasserverbrauch zwischen 2010 und 2015 um fast ein Viertel gesenkt. Der Hersteller British American Tobacco berichtet von einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 47 Prozent zwischen 2000 und 2016. Bis 2050 sollen die Einsparungen gegenüber dem Jahr 2000 dort sogar auf 80 Prozent sinken.

Maria Zafeiridou und ihre Kollegen glauben allerdings nicht, dass diese Einsparungen genügen werden, um die Umweltfolgen des weltweit zunehmenden Tabakkonsums auszugleichen. Sollte dieser bis 2025 auf neun Billionen Zigaretten pro Jahr steigen, wie es einige Prognosen annehmen, dürften sich ihrer Einschätzung nach die Probleme noch verschärfen. Ein Rückgang auf Mengen von 3,26 Billionen Glimmstängeln pro Jahr, wie sie in den 1970er Jahren üblich waren, könne den globalen Fußabdruck dagegen in allen Kategorien fast halbieren. Das Resümee der Studie ist eindeutig: Tabakwaren seien ein Gesundheitsrisiko für den Planeten – und nicht nur für den Raucher.

Dabei richten Zigaretten nicht nur bis zu dem Moment Schaden an, in dem der Tabak in Rauch aufgegangen ist. Gerade die Überreste machen oft noch jede Menge weiteren Ärger. Denn von den sechs Billionen weltweit gerauchten Zigaretten landen Schätzungen zufolge rund 4,5 Billionen als achtlos weggeworfene Kippen in der Umwelt. Zum Beispiel an Stränden, wo man solche Abfälle vielerorts massenweise findet.

Zigarettenkippe am Strand

Giftige Reste

Umweltschützer bestätigen das jedes Jahr wieder. Die Organisation Ocean Conservancy zum Beispiel organisiert seit 1986 einmal im Jahr eine große Müllsammelaktion an Stränden rings um die Welt. 2018 haben mehr als eine Million Freiwillige aus 122 Ländern mitgemacht. Und wie schon seit Jahren waren Zigarettenkippen mit mehr als 5,7 Millionen Stück die bei Weitem häufigsten aufgesammelten Objekte.

Außer Papier, Tabakresten und Asche enthalten solche Stummel meist einen Filter, der aus Zelluloseazetat besteht. Das ist eine synthetische Substanz, die über verschiedene chemische Prozesse aus der pflanzlichen Verbindung Zellulose gewonnen wird. Anders als viele Raucher vermuten, ist dieses Polymer im Gegensatz zu seinem natürlichen Pendant nur schlecht biologisch abbaubar. So haben Giuliano Bonanomi und seine Kollegen von der Universität Neapel Federico II in einem Experiment festgestellt, dass gerauchte Kippen nach zwei Jahren im Durchschnitt gerade einmal 37,8 Prozent ihrer ursprünglichen Masse verloren hatten und nur sehr begrenzt Spuren von Attacken durch Mikroorganismen zeigten. Und anders als Holzstöckchen zersetzten sie sich auch in einem üppigen, stickstoffreichen Substrat nicht schneller.

Dieser Abfall bleibt also lange in der Umwelt. Dort wird er vom Wind durch die Gegend geweht, treibt mit Flüssen und Meeresströmungen in neue Gebiete oder bleibt einfach da liegen, wo er weggeworfen wurde. Und das ist keineswegs nur ein ästhetisches Problem. Denn Zigaretten enthalten mehr als 5000 verschiedene Stoffe, von denen mindestens 150 als hochgiftig gelten – vor allem, weil sie Krebs und Mutationen auslösen können. Diese Substanzen konzentrieren sich vorwiegend in den Tabakresten und im Filter. Doch da bleiben sie nicht.

Zigaretten enthalten 150 hochgiftige Substanzen

Das haben Wissenschaftler um Amy Roder Green von der Technischen Universität (TU) Berlin in Experimenten nachgewiesen. Lagen die Kippen zum Beispiel in einer Pfütze, so enthielt deren Wasser anschließend Konzentrationen von 2,5 Milligramm Nikotin pro Liter. Die Hälfte davon war schon nach nicht einmal einer halben Stunde nachweisbar. Als die Forscher die Zigarettenreste nicht dauerhaft einweichten, sondern wie bei einer Folge von Regengüssen mehrfach durchnässten und wieder trocknen ließen, war die Belastung zwar geringer. Auch dadurch aber wurde ein guter Teil des Nikotins ausgewaschen, so dass er in Böden und Gewässer gelangen konnte. Nach Einschätzung der Forscher kann eine einzige Kippe genügen, um tausend Liter Wasser mit umweltrelevanten Nikotinmengen zu belasten.

Tatsächlich kann die Konfrontation mit solchen Zigarettenstummeln für viele Tiere lebensgefährlich werden. Fische und Vögel, Wale und Meeresschildkröten fressen sie mitunter aus Versehen mit und laufen so Gefahr, sich die Verdauungsorgane damit zu verstopfen oder sich zu vergiften. Doch auch das aus den Filtern herausgewaschene Nikotin kann fatale Folgen haben.

Das zeigt zum Beispiel ein Experiment, das ein Team um Elli Slaughter von der San Diego State University durchgeführt hat. Die Forscher haben die Filter von gerauchten Zigaretten mit und ohne Tabakreste in Wasser eingeweicht und dann Vertreter verschiedener Fischarten dazu gesetzt. Dabei genügte eine tabakhaltige Kippe pro Liter Wasser, um die Hälfte der Neuweltlichen Ährenfische und Amerikanischen Dickkopf-Elritzen zu töten. Nicht ganz so giftig waren die Filter ohne Tabakreste. Doch auch da genügten etwa zwei bis vier Exemplare, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Tote Fische und giftiger Tee

Neben dem Wasser können die ausgewaschenen Schadstoffe noch den Boden belasten – und damit die Nahrungsquellen des Menschen. Das hat ein deutsch-ägyptisches Forschungsteam um Dirk Selmar von der TU Braunschweig herausgefunden. So hatte die EU bereits 2009 alle nikotinhaltigen Insektizide verboten und festgelegt, dass Pflanzenprodukte wie Tee oder Gewürze höchstens 0,01 Milligramm Nikotin pro Kilogramm Trockenmasse enthalten dürfen. Zwei Jahre später zeigte eine umfassende Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA allerdings, dass dieser Wert bei vielen Früchten, Tees, Gewürzen und Heilpflanzen überschritten wurde – teilweise um mehr als das Hundertfache. Aber wie war das Gift da hineingekommen? Vielleicht über auf die Felder geworfene Kippen?

Um das herauszufinden, haben die Forscher Petersilie und Koriander, Pfefferminze und Basilikum auf ägyptischen Äckern mit unterschiedlichen Mengen von Zigarettenstummeln ausgesetzt und die Pflanzen anschließend untersucht. Selbst eine einzige Kippe pro Quadratmeter genügte, um die Nikotinmengen in den Kräutern in die Höhe zu treiben. Im Fall von Basilikum und Pfefferminze stiegen sie sogar auf mehr als das Zwanzigfache der erlaubten Menge.

Wo immer Zigarettenkippen in die Umwelt gelangen, scheint es also für die verschiedensten Lebewesen einschließlich des Menschen kritisch zu werden. Einige wenige Tiere scheinen aus den weggeworfenen Chemikalienbomben allerdings sogar einen Vorteil zu ziehen. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Im Jahr 2012 fanden Montserrat Suárez-Rodríguez und ihre Kollegen von der Universidad Nacional Autónoma de México zum ersten Mal Hinweise darauf, dass Vögel Zigarettenkippen zur Parasitenabwehr nutzen könnten.

Vögel nutzen Kippen zur Parasitenabwehr

Als die Forscher die Nester von Haussperlingen und Hausgimpeln auf dem Gelände der Universität in Mexiko-Stadt untersuchten, fanden sie darin im Durchschnitt acht bis zehn Kippen. Dabei gab es einen auffälligen Zusammenhang: Je mehr Filtermaterial das Nest enthielt, umso weniger Parasiten krabbelten darin herum. Und weitere Experimente ergaben, dass das Gift auf solche Plagegeister tatsächlich abschreckend wirkt.

Ob die Vögel davon wirklich etwas haben, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn in späteren Analysen haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass der Kontakt mit den Kippen für den Nachwuchs beider Vogelarten toxisch ist. Je mehr Zigarettenreste das Nest enthält, umso mehr Küken schlüpfen zwar und werden flügge. Andererseits haben diese Jungvögel aber auch mehr Zellen mit Erbgutschäden in ihrem Blut.

Und auch für die Erwachsenen bleibt das Hantieren mit den giftigen Parasitenvertreibern offenbar nicht ohne Folgen. So fanden sich solche DNA-Schäden bei brütenden Hausgimpelweibchen umso häufiger, je mehr Nikotin sie sich ins Nest geholt hatten. Die Männchen waren diesem Risiko nicht ausgesetzt, da sie sich aus dem Brutgeschäft heraushalten. Die Haussperlingsväter dagegen beteiligen sich eifrig am Nestbau und tragen daher das gleiche Risiko wie ihre Partnerinnen. Auch das Argument, man wolle im Interesse parasitengeplagter Stadtspatzen nichts aufs Rauchen verzichten, zieht also nicht so richtig.

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