Direkt zum Inhalt

Takotsubo-Syndrom: Herz unter Druck

Emotionaler und körperlicher Stress können das Herz aus dem Takt bringen. Forschungserkenntnisse legen nahe, dass das Gehirn beim Broken-Heart-Syndrom eine zentrale Rolle spielt.
Ältere Frau fasst sich mit beiden Händen ans Herz
Extreme emotionale Belastungen können ähnliche Symptome auslösen wie ein Herzinfarkt. Das Takotsubo-Syndrom tritt vor allem bei älteren Frauen auf.

Als junger Assistenzarzt auf einer Schlaganfallstation kümmerte ich mich einmal um eine 82-jährige Patientin. Sie war in die Notaufnahme gekommen, weil sie wenige Stunden zuvor plötzlich Sprachstörungen und eine einseitige Lähmung bemerkt hatte – beides typische Anzeichen für einen Schlaganfall. Wir gaben ihr Medikamente, die Blutgerinnsel auflösen, und ihre Beschwerden besserten sich langsam. Doch dann erreichte mich ein Anruf aus unserem Labor: Dort hatte man hohe Werte des herzspezifischen Biomarkers Troponin in ihrem Blut gefunden. Da dies auf einen Herzinfarkt hindeuten kann, warf ich einen Blick auf das EKG der Frau. Dabei fielen mir Veränderungen auf, die bei einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels auftreten können. Ein in der Zwischenzeit gemachter zusätzlicher Bluttest zeigte, dass ihre Troponinwerte weiter angestiegen waren.

Auch der Zustand der Patientin verschlechterte sich. Wir führten eine Ultraschalluntersuchung ihres Herzens durch; sie offenbarte, dass die Pumpleistung des Organs messbar abgenommen hatte und sich Teile der Herzwand nicht mehr normal bewegten. Deshalb entschieden wir uns dafür, zusätzlich eine Herzkatheter­untersuchung durchzuführen. Bei dieser minimalin­vasiven Behandlung wird ein Schlauch mit Messgeräten in eine Ader eingeführt und zum Herzen geleitet. Über­raschenderweise sahen die Herzkranzgefäße unserer Patientin hier komplett gesund aus. Ein klassischer Herz­infarkt war damit ausgeschlossen. Was war also im Herzen der Frau los? Uns fiel auf, dass insbesondere die Herzspitze ballonartig vergrößert und in der Beweglichkeit eingeschränkt war. Damit war die Diagnose klar: Die Patientin hatte ein Takotsubo-Syndrom (TTS). Wir verabreichten ihr deshalb weitere Medikamente zur Besserung der Herzschwäche. Es dauerte drei Tage, bis die Pumpleistung ihres Herzens wieder stetig zunahm. In einer erneuten Ultraschalluntersuchung eine Woche später sah das Organ vollkommen normal aus.

Fachleute um Hikaru Sato vom Hiroshima City Hospital beschrieben das TTS erstmals 1990. Das Wort »Takotsubo« stammt aus dem Japanischen und bezeichnet einen Tonkrug (»tsubo«) mit ausladendem Boden und engem Hals. Das Gefäß wird benutzt, um Tintenfische (»tako«) zu fangen. Die Erstbeschreiber erinnerte das erkrankte Herz mit seiner ballonartig vergrößerten Spitze an die Form dieses Krugs. International ist die Erkrankung unter dem Namen »Broken Heart Syndrome« bekannt, hier zu Lande sprechen wir oft von einer »Stresskardiomyopathie«. Die Bezeichnungen rühren daher, dass der Herzschwäche bei vielen Betroffenen ein intensives emotionales Ereignis vorausgeht. Doch auch Verläufe wie bei meiner Patientin, bei der das TTS infolge einer akuten Hirnerkrankung entsteht, sind keine Seltenheit. Eine zunehmende Anzahl an Studien deutet mittlerweile darauf hin, dass die Erkrankung auf eine gestörte Hirn-Herz-Interaktion zurückgeht.

Herzstolpern, Atemnot, Engegefühl in der Brust

Was wir über die Ausprägungen des TTS wissen, stammt vor allem aus großen Fallsammlungen wie dem inter­nationalen Takotsubo-Register (InterTAK Registry) oder dem deutsch-italienischen Takotsubo-Register. Zu den häufigsten dokumentierten Beschwerden zählen Schmerzen und Beklemmungen im Brustbereich, gefolgt von Atemnot und Herzstolpern. Diese Symptome decken sich zum großen Teil mit denen eines Herzinfarkts, was es schwer macht, die beiden allein anhand der klinischen Anzeichen zu unterscheiden – wie auch das Beispiel der eingangs beschriebenen Patientin zeigt. Aktuellen Erhebungen zufolge haben etwa drei Prozent der Personen, bei denen zunächst ein Herzinfarkt vermutet wird, in Wirklichkeit ein TTS. Bei Frauen ist der Anteil mit knapp fünf Prozent größer als bei Männern. Diese Diskrepanz überrascht wenig, wenn man bedenkt, dass rund neun von zehn Betroffenen weiblich sind (siehe »Ungleiche Verteilung«). Nur zwei von zehn sind jünger als 50; das mittlere Alter liegt bei 68 Jahren.

Ungleiche Verteilung

Warum Frauen so viel häufiger als Männer ein TTS entwickeln, wird auch in wissenschaftlichen Kreisen heiß debattiert. Da sich Betroffene mehrheitlich in der Menopause befinden, vermuten manche Fachleute, dass Östrogenmangel eine Rolle spielt. In dessen Folge nimmt die Dichte von Stresshormon­rezeptoren am Herzen zu, und diese werden zudem aktiver. Zugleich schützt Östrogen in experimentellen Studien Herzmuskelzellen vor schädlichen Einflüssen von Stresshormonen. Allerdings gibt es bislang wenig überzeugende Daten dafür, dass sich die Östrogenspiegel bei TTS-Patientinnen und Kontrollprobandinnen relevant unterscheiden. Auch belastbare Nachweise für schützende Effekte von Hormonersatzpräparaten fehlen noch.

Wie das Herz auf Stress und Belastung reagiert, verändert sich in der Menopause ebenfalls. Der Sympathikus – also jener Teil des autonomen Nervensystems, der die Herzleistung steigert – gewinnt im Vergleich zu davor an Einfluss. Bei der Stressverarbeitung im Gehirn und im zentralen autonomen Netzwerk gibt es weitere geschlechtsspezifische Unterschiede. Während beispielsweise bei Männern mit dem Alter die Aktivität der Amygdala abnimmt, ist dies bei Frauen nicht der Fall.

Rossi, A. et al.: Heart-brain interactions in cardiac and brain diseases: Why sex matters. European Heart Journal 10.1093/eurheartj/ehac061, 2022

Kolleginnen und Kollegen der Mayo Clinic in Rochester (USA) stellten 2008 diverse Kriterien zusammen, die bei der Diagnose helfen. Wir wenden sie noch heute in abgewandelter Form in der Klinik an. Ein zentrales Merkmal von TTS ist demnach, dass der Herzmuskel in einigen Bereichen – vor allem in der Herzspitze – vorübergehend nur eingeschränkt beweglich ist. In manchen Fällen können erfahrene Kardiologinnen und Kardiologen die Diagnose allein auf Grund des Musters der Herzmuskelbewegung im Ultraschall sowie bestimmter Veränderungen im EKG und des Ausmaßes des Anstiegs von Herzenzymen stellen. Eine MRT-Untersuchung des Herzens kann hilfreich sein, sie ist aber nicht überall sofort verfügbar. Zusätzlich braucht es häufig eine Herzkatheteruntersuchung. Sie dient vor allem dazu, einen Herzinfarkt auszuschließen. Denn wenn eines der Herzkranzgefäße verstopft oder ganz blockiert ist, erfordert das eine spezielle Behandlung: Meistens setzen Fachleute dann einen so genannten Stent in das Gefäß, um es wieder zu öffnen.

Zu Beginn des TTS befördert das Herz pro Schlag eine viel geringere Menge an Blut als zuvor. Diese Pumpleistung normalisiert sich meist innerhalb weniger Tage. Fachleute haben das Syndrom deshalb lange als weitgehend gutartig eingestuft. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass die Prognose der von Menschen mit einem Herzinfarkt ähnelt. Etwa fünf bis sechs Prozent der Patientinnen und Patienten sterben innerhalb eines Jahrs nach dem TTS, davon vier noch während der Akutbehandlung im Krankenhaus. Weitere zehn Prozent entwickeln im gleichen Zeitraum zusätzliche schwer wiegende kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei jedem fünften Betroffenen verläuft das TSS schwer – sie erleiden Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen und müssen intensivmedizinisch behandelt werden.

Der Einfluss von Stresshormonen

Wie ein TTS entsteht, ist bislang nicht abschließend geklärt. Vieles deutet darauf hin, dass eine überschießende Ausschüttung von Katecholaminen wie Adrenalin, Noradrenalin und Isoprenalin eine entscheidende Rolle spielt. Die Botenstoffe steigern als Folge einer Stressreaktion die Herzfrequenz sowie den Blutdruck. 2005 untersuchten Kardiologinnen und Kardiologen der Johns Hopkins University Menschen, bei denen ein TTS unmittelbar nach einem emotionalen Stressereignis auftrat. Im Gegensatz zu Personen, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, enthielt ihr Blut bis zu neun Tage nach Beginn der Symptome drastisch erhöhte Katecholaminspiegel. Passend dazu fand das Team mittels Herzbiopsie Muskelzellen, die auffällig verändert waren: Sie hatten zu viel Kalzium aufgenommen und zogen sich daraufhin übermäßig stark zusammen. Sie verharrten in diesem Zustand und wirkten dadurch erstarrt und unbeweglich, was die Herzschwäche der Patienten erklärt. Manche Zellen sterben in der Folge ab, viele erholen sich jedoch wieder. Daneben wiesen die Forscherinnen und Forscher eine Entzündungsreaktion in der Umgebung betroffener Zellen nach. Solche Veränderungen waren ­zuvor bereits in Experimenten beobachtet worden, bei denen Herzmuskelzellen mit hohen Dosen an Katecholaminen stimuliert wurden.

Ein Takotsubo-Syndrom entsteht oft nach emotionsgeladenen Ereignissen oder infolge schwerer Krankheit

Einem TTS geht meist ein als intensiv empfundenes Ereignis voraus. Etwa ein Drittel der Patientinnen und Patienten erlebt kurz zuvor emotionalen Stress, ein etwas größerer Teil der Betroffenen eine körperliche Beeinträchtigung – dokumentiert sind zum Beispiel Schlaganfälle oder Lungenerkrankungen. Beim Rest ist der Auslöser unklar. Das liegt auch daran, dass die Daten zum Teil erst im Nachhinein erhoben werden und auf Eintragungen in Krankenakten beruhen. Verglichen mit jenen, die TTS infolge emotionaler Stressoren entwickeln, beobachtet man bei Patienten mit körperlichen Ursachen eine erhöhte Sterblichkeit: Während von Ersteren etwa ein Prozent in der Akutphase verstirbt, trifft es bei Letzteren bis zu acht Prozent.

Bei einer Auswertung des InterTAK-Registers fanden Fachleute um Christian Templin vom Universitären Herzzentrum Zürich mehrere Faktoren, die bei Menschen mit TTS gehäuft auftreten. Neben dem weiblichen Geschlecht und einem vorausgehenden Stress­ereignis machten sie zudem neurologische und psy­chiatrische Störungen als Risikofaktor aus. Ein bemerkenswert hoher Anteil der Betroffenen – etwa 30 bis 35 Prozent – hat eine vorbestehende neuropsychiatrische Erkrankung. Das ist deutlich mehr als bei einem Herz­infarkt. Verbreitet sind vor allem Angst- und affektive Störungen wie Depressionen.

Schmerz, Angst und starke Gefühle

All diese Erkenntnisse veranlassten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu, genauer nachzuforschen, wie die »Stressachse« zu TTS beiträgt. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, lohnt sich ein weiterer Blick auf die dokumentierten Auslöser. In den Jahren nach der Erstbeschreibung berichteten Fachleute über zahlreiche überwiegend emotionale Stressereignisse, die kurz vor dem TTS stattfanden. Kolleginnen und Kollegen um Christian Templin und Jelena Ghadri-Templin aus Zürich werteten solche Stressoren bei 465 Fällen detailliert aus. Bei genauerem Hinsehen ähnelten sich die Geschichten. So erlebten die Betroffenen in der Regel ein emotional extrem belastendes und unerwartetes Ereignis. Dieses reichte von starker Trauer nach Verlust eines geliebten Menschen – woraus sich die Bezeichnung Broken-Heart-Syndrom ableitet – über intensives, teils existenzielles Angsterleben bis hin zu schweren zwischenmenschlichen Konflikten und starker Wut. Allerdings können ebenso überwältigende positive Emotionen ein TTS nach sich ziehen. Beispiele sind etwa eine Überraschungsfeier zum Geburtstag oder der Gewinn eines Lotto-Jackpots.

Bei den körperlichen Auslösern dominieren schwere, schmerzhafte oder angstbesetzte Erkrankungen. Darunter fallen zum Beispiel akute Atemnot und Hirnerkrankungen. Zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen hat auch meine Arbeitsgruppe an der Berliner Charité das InterTAK-Register unter die Lupe genommen, um Fälle zu finden, bei denen das TTS nach einer akuten neurologischen Erkrankung auftrat. Unsere Analyse zeigte, dass dies bei jedem 14. registrierten Pa­tienten zutraf. Unter den Auslösern fanden sich vor allem Hirninfarkte, Hirnblutungen und epileptische Anfälle. Der Abstand zwischen ihrem Auftreten und dem Beginn der Herzschwäche betrug in der Regel weniger als zwei Tage, was auf einen starken Zusammenhang hindeutet.

TTS-Patienten mit und ohne vorhergehende neurologische Erkrankung unterschieden sich in mehrerlei Hinsicht. Jene aus ersterer Gruppe waren im Mittel etwa vier Jahre jünger, und der Männeranteil fiel mit 18 Prozent doppelt so hoch aus wie bei Letzteren. Zudem war die Herzbelastung noch deutlicher ausgeprägt – die Pumpleistung war stärker reduziert und es waren mehr Herzenzyme im Blut nachweisbar. Ihre Sterberate lag höher, wobei man hier natürlich ebenfalls die Schwere der neurologischen Grunderkrankung berücksichtigen muss. Zusammen deuten diese Daten darauf hin, dass eine Hirnschädigung vermutlich einen noch intensiveren Trigger als emotionaler Stress darstellt.

Hirn an Herz | Das zentrale autonome Nervensystem besteht aus zahlreichen Hirnarealen (siehe oben), die gemeinsam diverse Körperfunktionen steuern, die nicht unserer willentlichen Kontrolle unterliegen. Bei der Herz-Hirn-Achse und dem durch ihre Störung verursachten Takotsubo-Syndrom sind dabei zwei Areale besonders wichtig: die Amygdala und die Insula. Über Teile des peripheren autonomen Nervensystems reguliert das Gehirn die Herzfunktion je nach Situation herab (Parasympathikus) oder herauf (Sympathikus). Eine wichtige Aufgabe übernehmen dabei die Nebennieren: Sie schütten Stresshormone wie Katecholamine aus und steigern so die Herzrate und den Blutdruck.

Kopf und Herz agieren nicht unabhängig voneinander; sie sind vielmehr eng über das autonome Nervensystem vernetzt. Dieses erlaubt es unserem Körper, die Herzleistung rasch und unbewusst an einen veränderten Bedarf anzupassen – zum Beispiel, weil man plötzlich einer Bedrohung gegenübersteht und schnell flüchten muss. An derartigen Stressreaktionen ist das so genannte zentrale autonome Netzwerk beteiligt (siehe »Hirn an Herz«). Es erhält Signale aus dem Körper und der Außenwelt und gleicht sie mit emotionalen Erfahrungen ab. Daraufhin reguliert es über den Sympathikus und Parasympathikus, also die beiden Teile des autonomen Nervensystems, taktgenau die Herzfunktion. Für die Entstehung des TTS scheinen insbesondere zwei Regionen des Netzwerks bedeutsam zu sein: die Insula und die Amygdala.

Schaltstellen im Gehirn

Das offenbarten unter anderem Daten von Kolleginnen und Kollegen aus dem Universitären Herzzentrum in Zürich. Ein Forschungsteam um Christian Templin vermaß dort die kortikale Dicke und die Oberfläche verschiedener Hirnareale von 20 Patientinnen mit TTS sowie von 39 gleichaltrigen, gesunden Frauen. Die 2018 veröffentlichte Arbeit fand in MRT-Aufnahmen von Ersteren weniger graue Substanz in der Insula und der Amygdala. Eine ergänzende Untersuchung mittels funktioneller MRT ergab, dass Bereiche des zentralen autonomen Netzwerks bei Personen mit TTS schwächer vernetzt waren.

Die Insula gilt als wichtiger Ort für die Interozeption, also die Wahrnehmung von Signalen aus dem Körper. Ihre Aktivität korreliert etwa damit, wie sehr jemand seinen eigenen Herzschlag spürt. Innerhalb der Hirnregion übernehmen unterschiedliche Areale verschiedene Aufgaben. So wird ihr hinterer Teil durch Stimuli wie Kälte oder Schmerz aktiviert. Der vordere bewertet solche Reize emotional, verknüpft sie also zum Beispiel mit einem Gefühl von Unbehagen oder Angst. Zudem trägt die Insula dazu bei, vegetative Vorgänge zu steuern – sie wirkt so auch auf das Herz-Kreislauf-System.

Die Insula ist eng mit anderen Hirnregionen verbunden, darunter dem vorderen Gyrus cinguli, dem medialen präfrontalen Kortex, der Amygdala und dem Hypothalamus. Gemeinsam beeinflussen diese Areale, wie das Herz auf Angst auslösende Emotionen reagiert. So bedingen sie unter anderem, dass in den Nebennieren mehr Stresshormone ausgeschüttet werden. Daraufhin steigt die Herzfrequenz und die Blutgefäße verengen sich. Das Resultat: ein höherer Blutdruck und schnellerer Puls. Wie stark die Insula an dem Prozess mitwirkt, verdeutlichten Versuche an Personen, die sich einer Hirnoperation unterzogen. Stimulierten die Chirurginnen und Chirurgen während des Eingriffs die Insula der Operierten, hatte das mitunter starke Veränderungen der Herzfrequenz zur Folge.

Geblähtes Herz | Im gesunden Herzen ist die linke Herzkammer konisch geformt. Beim Takotsubo-Syndrom, das infolge von emotionalem Stress oder einer Hirnschädigung (etwa einem Schlaganfall oder einer Epilepsie) entsteht, ist sie ballonartig verformt und vergrößert. Sie ähnelt damit einem »Takotsubo« – einer Falle, mit der Fischer in Japan Tintenfische fangen.

Bei ischämischen Schlaganfällen – die entstehen, wenn der Blutfluss in einem Teil des Gehirns stockt – nimmt die Insula häufig Schaden. Das liegt an ihrer Position in einer tiefen Falte der Hirnrinde, an der wichtige Blutgefäße vorbeiführen. Tritt ein TTS nach einem Hirninfarkt auf, ist häufig genau dieser Bereich betroffen. Patientinnen und Patienten mit einem Schlaganfall in der Inselregion bekommen zudem besonders oft Herzmuskelschäden und Herzrhythmusstörungen.

Neben der Insula spielt die Amygdala nachweislich eine Rolle beim TTS. Sie trägt unter anderem zum emotionalen Lernen bei und wirkt daran mit, dass Emotionen wie Angst und Wut aufkommen. Ein Team der Harvard Medical School um Ahmad Tawakol analysierte 2021 eine große Datenbank mit Akten von Patienten, die eine nuklearmedizinische Untersuchung des gesamten Körpers erhalten hatten. Sie bekamen dazu ein radioaktives Kontrastmittel verabreicht. Anhand von dessen Verteilung in den Scans lässt sich die Stoffwech­selaktivität verschiedener Organsysteme beurteilen. Einige der Untersuchten entwickelten im Verlauf der etwa zweieinhalb Jahre Nachbeobachtungszeit ein TTS. Verglichen mit einer ähnlich zusammengesetzten Kontrollgruppe war ihre Amygdala in den Aufnahmen deutlich stärker aktiv gewesen. Je heller sie aufleuchtete, desto früher ereignete sich statistisch gesehen das TTS.

Risikofaktor: Psychische Leiden

Anhaltende, mit Stress verbundene Aktivität in dem Areal scheint die Krankheit also zu begünstigen. Zahlreiche Untersuchungen maßen bei Menschen mit Angst- und Panikstörungen überschießende Aktivierungen der Amygdala, wenn man sie mit einem angstbesetzten Stimulus konfrontierte. TTS-Patienten leiden gehäuft unter solchen Angst- sowie affektiven Störungen. Laut Daten aus dem InterTAK-Register hatten etwa drei- bis viermal mehr Betroffene eine derartige Diagnose in der Vorgeschichte als vergleichbare Personen, die einen Herzinfarkt erlitten hatten. Vieles deutet somit darauf hin, dass das zentrale autonome Netzwerk bei TTS verändert oder geschädigt ist.

In den Jahren seit meiner ersten Tako-tsubo-Patientin habe ich viele ähnliche Verläufe in der Klinik erlebt. Immer wieder führt mir die Krankheit die enge Verbindung zwischen Gehirn und Herz vor Augen. Bislang mangelt es uns allerdings an spezifischen Therapieansätzen. So unterscheidet sich die Behandlung von TTS nicht wesentlich von der einer akuten Herzinsuffizienz. Es gibt nur wenige, kleine Untersuchungen zu neuen Wirkstoffen. Manche Fachleute testen etwa Adenosin, ein Molekül, das die Ausschüttung von Noradrenalin blockiert und somit an der Stressachse ansetzt. Ob und wie gut das wirkt, ist aber noch unklar. Es braucht also weiterhin gemeinschaftliche Forschungen von Neurologen, Kardiologen und Psychiatern, um mehr über die Krankheit, ihre Entstehung und die beste Therapie für Betroffene herauszufinden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Cammann, V. L. et al.: Clinical correlates and prognostic impact of neurologic disorders in Takotsubo syndrome. Scientific Reports 11, 2021

Ghadri, J. R. et al.: A novel clinical score (InterTAK Diagnostic Score) to differentiate takotsubo syndrome from acute coronary syndrome: Results from the International Takotsubo Registry. European Journal of Heart Failure 19, 2017

Hiestand, T. et al.: Takotsubo syndrome associated with structural brain alterations of the limbic system. Journal of the American College of Cardiology 71, 2018

Radfar, A. et al.: Stress-associated neurobiological activity associates with the risk for and timing of subsequent Takotsubo syndrome. European Heart Journal 42, 2021

Scheitz, J. F. et al.: Stroke-heart syndrome: Clinical presentation and underlying mechanisms. Lancet Neurology 17, 2018

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.