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Tastsinn: Die Macht der Gedanken

Die mentale Einstellung kann unsere Sinne beeinflussen. Das zeigt eine Studie, in der Probanden mit einer Hypnose weisgemacht wurde, ihre Finger seien kleiner oder größer als in Wirklichkeit.
Aufbau des Experiments: Zu sehen ist eine Hand, die auf einer Fläche aufliegt, aus der Nadeln von unten durch Löcher hervorkommen.
Wenn uns suggeriert wird, unser Zeigefinger sei fünfmal größer, als er tatsächlich ist, verbessert sich unser Tastsinn.

Werden unsere Sinneseindrücke durch mentale Vorgänge beeinflusst? Diese Frage spaltet die Forschungsgemeinde: Die einen denken, dass die sensorische Wahrnehmung abgeschirmt von höheren kognitiven Prozessen abläuft. Die anderen gehen von einem wechselseitigen Einfluss aus. Um hier Klarheit zu schaffen, führte ein Team um Marius Markmann von der Ruhr-Universität Bochum ein elegantes Experiment zum Tastsinn durch. 24 Probanden sollten ihren Zeigefinger entspannt auf eine Vorrichtung legen. Daraufhin wurde ihnen wiederholt mit zwei Nadeln spürbar, aber schmerzlos in den Finger gepikst. Hierbei variierte der Abstand, den die zwei Nadeln zueinander hatten, von 0,7 bis 2,5 Millimeter.

Die Freiwilligen sollten angeben, ob sie den Stich von einer oder von zwei Nadeln spürten. Zuvor waren sie vier verschiedenen Bedingungen ausgesetzt worden: Ihnen wurde unter Hypnose suggeriert, ihr Zeigefinger sei fünfmal größer oder aber kleiner als in Wirklichkeit, ein anderes Mal erhielten sie eine reine Hypnose ohne eine solche Suggestion. In der Kontrollbedingung fand nichts von alledem statt. Hatte sich eine Versuchsperson einen deutlich größeren Finger vorgestellt, so war sie besser darin, zwei getrennte Stiche wahrzunehmen. Hingegen verschlechterte sich die taktile Empfindlichkeit, wenn ihr suggeriert worden war, ihr Finger sei kleiner. Allein die mentale Einstellung hatte somit den Tastsinn verändert. Bei reiner Hypnose ohne Suggestion stellte sich keiner der Effekte ein.

Um die zu Grunde liegenden Hirnprozesse zu untersuchen, führten Markmann und seine Kollegen während der Testung ein EEG bei den Probanden durch. Das Team beobachtete, dass die Suggestionen elektrische Potenziale verändern, die mit kognitiven Vorgängen wie Aufmerksamkeit und Erwartungen einhergehen. Bei reiner Hypnose fand sich der Zusammenhang jedoch nicht. »Unsere Studie liefert einen weiteren Baustein, der die Idee unterstützt, dass Top-down-Einflüsse auf die Wahrnehmung tatsächlich existieren«, betont Hubert Dinse, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. »Überzeugungen, die wir haben, verändern die Art, wie wir die Welt erleben.«

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