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Tonga: Stärkster Vulkanausbruch seit 30 Jahren

Der gigantische Ausbruch eines Untersee-Vulkans im Pazifik hat das Inselreich Tonga von der Außenwelt abgeschnitten. Die Eruption löste Flutwellen aus und versetzte Pazifikstaaten in Alarmbereitschaft.
Satellitenbild des Vulkanausbruchs vor Tonga

Zwei Tage nach dem gewaltigen Ausbruch eines unterseeischen Vulkans in der Nähe des Inselreichs Tonga im Pazifik haben Militärflugzeuge aus Neuseeland und Australien die Lage aus der Luft erkundet. Das Ausmaß der Schäden in dem Südseearchipel ist weiter unklar. Die Kommunikation besonders zu den weit abgelegenen Inseln Tongas ist stark eingeschränkt – zu ihnen konnte seit der Eruption des Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai keinerlei Kontakt hergestellt werden. Die Regierung dort sende Schiffe aus, um die Lage zu erkunden, meldete laut dpa Radio New Zealand am Montag.

Der etwa 65 Kilometer von Tongas Hauptstadt entfernte Untersee-Vulkan war an zwei Tagen in Folge ausgebrochen. Nach dem ersten Ausbruch am Freitag waren nur kleine Tsunamis registriert worden. Der zweite Ausbruch am Samstag war deutlich heftiger und auch im 2000 Kilometer entfernten Neuseeland und in Fidschi zu hören. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern sagte, ein Tsunami habe die Nordseite von Tongas Hauptstadt Nuku'alofa erheblich getroffen. Der australischen Wetterbehörde zufolge war die Welle 1,2 Meter hoch. Die Wellen wurden aber nicht nur in Tonga, sondern auch in Neuseeland, Japan, Alaska und Südamerika registriert.

Zudem war eine gewaltige Aschewolke wie ein Atompilz kilometerweit in die Höhe gestiegen und die Asche bis zu 20 Kilometer in die Luft geschleudert worden, hieß es. Hilfsorganisationen warnten vor Gesundheitsschäden und rieten den Bewohnern Tongas dazu, Masken zu tragen und nur Wasser aus Flaschen zu trinken. Die Schwaden hätten mittlerweile sogar Australiens Ostküste erreicht, teilte der Wetterdienst Weather Watch New Zealand mit. Die Wolke ziehe nach Westen über Queensland und werde im Lauf des Tages einen Großteil des Bundesstaates bedecken.

Die Explosionen blieben auch für die Vulkaninsel nicht folgenlos: Sie wurde zum großen Teil zerstört und der Krater liegt jetzt wieder unter Wasser.

Der Ausbruch war nach Ansicht von Experten der weltweit stärkste seit 30 Jahren. Erste Daten zeigten, dass es seit dem Pinatubo auf den Philippinen 1991 keine derartig heftige Eruption gegeben habe, sagte der Vulkanologe Shane Cronin von der University of Auckland gegenüber Radio New Zealand. Hätte sich die Eruption an Land ereignet, dann wären die Auswirkungen apokalyptisch gewesen, so Cronin.

Nur alle 1000 Jahre

Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai ist in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig ausgebrochen. Diese Eruptionen waren jedoch klein und wurden nun von den Ereignissen im Januar 2022 in den Schatten gestellt. Laut Cronin handelt es sich um eine der gewaltigsten Explosionen, zu denen der Vulkan etwa alle 1000 Jahre fähig ist.

Warum sind die Ausbrüche des Vulkans so hochexplosiv, wenn doch das Meerwasser das Magma abkühlen sollte? Hierzu schreibt der Vulkanexperte in »The Conversation«: »Wenn Magma langsam ins Meerwasser aufsteigt, selbst bei Temperaturen von etwa 1200 Grad Celsius, bildet sich zwischen Magma und Wasser ein dünner Dampffilm. Dieser bildet eine Isolierschicht, die die äußere Oberfläche des Magmas abkühlen lässt. Das funktioniert jedoch nicht, wenn das Magma voller vulkanischer Gase aus dem Boden geschleudert wird. Wenn es schnell in das Wasser eindringt, werden die Dampfschichten sofort durchbrochen, so dass heißes Magma direkt mit kaltem Wasser in Kontakt kommt.«

Vulkanforscher nennen dies »fuel-coolant interaction«. Äußerst heftige Explosionen reißen das Magma dann auseinander. Eine Kettenreaktion setzt ein, bei der Magmafragmente neue heiße Innenflächen dem Wasser aussetzen – die Explosionen wiederholen sich, bis schließlich vulkanische Partikel herausgeschleudert werden und Explosionen mit Überschallgeschwindigkeit entstehen, sagt Cronin.

Vielleicht noch mehrere Wochen aktiv

Unklar sei, ob der jüngste Ausbruch den Höhepunkt der Aktivität darstelle. Es könne auch sein, dass der Vulkan noch mehrere Wochen oder sogar Jahre unruhig bleibe. Eine Warnung findet sich in den geologischen Ablagerungen früherer Ausbrüche des Vulkans. Diese komplexen Sequenzen zeigen, dass jeder der 1000-jährigen großen Ausbrüche aus vielen einzelnen Explosionsereignissen bestand.

Neuesten Berechnungen zufolge sind bei dem Ausbruch etwa 400 Kilotonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre gelangt. Zum Vergleich: Bei der Pinatubo-Eruption waren es rund 20 000 Kilotonnen Schwefeldioxid. Laut Wolfgang Lucht, dem Leiter des Forschungsbereichs »Klimawirkung und Vulnerabilität« des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), ist dies vermutlich nicht genug, um einen Einfluss auf die globalen Temperaturen zu haben.

Neuseeland will derweil nach den Worten Jacinda Arderns eine zweite Maschine des Typs Hercules mit wichtigen Hilfsgütern nach Tonga schicken. Sollte die Landebahn in Tongas Hauptstadt beschädigt sein, könnten die Materialien auch abgeworfen werden, sagte sie am Montag vor Journalisten. »Die heute durchgeführten Flüge werden uns dabei helfen festzustellen, wo Bedarf besteht«, betonte Ardern. »Wir wissen, dass dringend Wasser benötigt wird, und wir hoffen, dass die Hercules heute starten kann, um diesen Bedarf zu decken.« Ob es Tote oder Verletzte gab, sei weiter unklar.

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