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Virusvakzin: Impfstoff gegen Chikungunyavirus kurz vor Zulassung?

Eine einzige Impfdosis eines Vakzins gegen das Chikungunyafieber führte bei rund 99 Prozent der Teilnehmenden einer Studie zu virusneutralisierenden Antikörperspiegeln. Zulassungsanträge für den Impfstoff liegen der FDA und der EMA bereits vor.
Eine Asiatische Tigermücke sitzt auf einer Fingerkuppe
Die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus kann verschiedene Erreger übertragen, darunter auch das Chikungunyavirus. In Deutschland wurde die Mückenart erstmals 2007 entdeckt.

»Der gekrümmt Gehende« bedeutet »Chikungunya«, wenn man es aus der Sprache der Makonde, eines Volks aus dem Südosten Tansanias, ins Deutsche übersetzt. Das Chikungunyavirus (CHIKV) wird durch den Stich von infizierten Mücken übertragen und sorgt bei Erkrankten unter anderem für hohes Fieber und schwere Gelenkschmerzen. Bislang gibt es keine spezifische antivirale Therapie gegen die Erkrankung, doch womöglich steht der erste Impfstoff gegen die Viruskrankheit kurz vor der Zulassung.

Das vom französischen Pharmaunternehmen Valneva entwickelte Vakzin VLA1553 ist in einer Studie mit 4115 gesunden Teilnehmenden als hochwirksam bewertet worden, wie eine Veröffentlichung in »The Lancet« zeigt. 3082 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten dabei eine Dosis VLA1553, 1033 ein Placebo. Die Forschenden untersuchten von 326 der Teilnehmenden beider Gruppen die Immunantwort. Demnach führte der Impfstoff 28 Tage nach einer einzigen Impfdosis bei 98,9 Prozent der Studienteilnehmenden zu virusneutralisierenden Antikörperspiegeln. »Die jetzt veröffentlichten Daten zeigen, dass die Antikörper auch noch nach sechs Monaten in hoher Konzentration nachweisbar sind«, sagt Torsten Feldt, der Bereichsleiter für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf gegenüber dem Science Media Center (SMC). »Es gibt aber bereits noch nicht in der Fachliteratur veröffentlichte Daten, die zeigen, dass die Immunantwort auch über ein Jahr stabil bleibt«.

Laut Peter Kremsner, dem Direktor des Instituts für Tropenmedizin des Universitätsklinikums Tübingen, sieht die Studie ebenfalls viel versprechend aus, sie habe allerdings auch Schwächen, wie er gegenüber dem SMC erklärt: So sei der Antikörperspiegel als Surrogatmarker nach der Impfung relativ willkürlich gewählt und die knapp 99 Prozent Seropositiven würden so nichts über den wirklichen Schutz aussagen. »Es bedeutet nur, dass in 99 Prozent der Fälle die vorher definierten Antikörperspiegel erreicht wurden. Damit hat man noch nicht automatisch den Ausbruch der Krankheit verhindert«, sagt Peter Kremsner. Zudem wisse man nicht, wie die Impfung bei Personen wirkt, die bereits am Chikungunyafieber erkrankt waren. »Das muss man prüfen. Letzten Endes ist es so streng genommen erst mal ›nur‹ eine Reiseimpfung.« Es ist die erste Phase-III-Studie für ein derartiges Vakzin. Die Zulassungsanträge dafür liegen der U.S. Food and Drug Administration (FDA) und der European Medicines Agency (EMA) bereits vor.

Bei VLA1553 handelt es sich um einen monovalenten Lebendimpfstoff. Er beinhaltet den Erreger in einer abgeschwächten, generell nicht krank machenden Form. Lebendimpfstoffe gelten als effizienter als Totimpfstoffe, in seltenen Fällen kann es jedoch durch die Impfung zu Krankheitserscheinungen kommen. Während der Studie traten schwer wiegende unerwünschte Ereignisse nach der Impfung (SAE) bei 46 von 3082 Teilnehmenden (1,5 Prozent) in der VLA1553-Gruppe und bei 8 von 1033 Teilnehmenden (0,8 Prozent) der Placebogruppe auf. Allerdings konnten nur zwei Fälle in der Impfstoffgruppe mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückgeführt werden. So kam es bei einer 58-jährigen Frau zu Muskelschmerzen (Myalgie) und bei einem 66-jährigen Mann zu einem hohen Fieber, Vorhofflimmern und einer Störung des Wasserhaushalts im Körper. Beide Probanden erholten sich vollständig.

Auffällig war zunächst die Fehlgeburtenrate im Rahmen der Studie. Während des Untersuchungszeitraums wurden 15 Teilnehmerinnen schwanger, von denen 13 den Impfstoff erhielten. Bei einer Schwangeren, die den Impfstoff erhielt, konnten die Forschenden diese nicht mehr zur Nachbeobachtung kontaktieren. Gesichert ist, dass aus der Impfgruppe 9 der 13 Babys gesund zur Welt kamen , drei starben vor der 20. Schwangerschaftswoche. Die Fehlgeburtenrate war demnach statistisch betrachtet höher als in der Allgemeinbevölkerung oder nach einer Covid-19-Impfung. Die Forschenden betonen, dass dies auf die kleine Stichprobe zurückzuführen sein könnte. Eine der Fehlgeburten hatte genetische Ursachen, während in einem zweiten Fall bei der schwangeren Teilnehmerin ein erhöhtes Risiko auf Grund ihres hohen BMI und früherer Fehlgeburten bestand. Bei der dritten Fehlgeburt wurde keine Ursache gefunden. Ein unabhängiges Gutachtergremium hat letztlich keine Sicherheitsbedenken geäußert. Zusammenfassend sei VLA1553 über alle Altersgruppen hinweg sicher, heißt es in der Studie.

»Der Impfstoff war gut verträglich und die starke Immunreaktion nach einer einzigen Dosis ist ermutigend«, fasst Annelies Wilder-Smith, Professorin für neu auftretende Infektionskrankheiten an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) die Ergebnisse gegenüber dem SMC zusammen. »Die FDA könnte ein Immunkorrelat (messbare Antikörperkonzentration als Indikator für eine erfolgreiche Immunisierung; Anm. d. Red.) für eine beschleunigte Zulassung in Betracht ziehen. Eine solche Zulassung wird aber von Studien zur Wirksamkeit des Impfstoffs nach der Zulassung abhängig sein, die während eines Ausbruchs oder in einer endemischen Situation durchgeführt werden müssen«, so Annelies Wilder-Smith.

Mittlerweile sind CHIKV-Infektionen bereits in 115 Ländern nachgewiesen, vornehmlich in weiten Teilen des mittleren und südlichen Afrika, aber auch in Südostasien, Südamerika und in der Karibik. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die geografische Verbreitung des Chikungunyafiebers immer weiter ausgedehnt – vor allem wegen der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus). Das Chikungunyafieber verläuft nur selten tödlich, kann das Leben in den Regionen wegen womöglich vieler Krankheitsfällen allerdings stark beeinträchtigen. »Chikungunya gewinnt durch klimatische Veränderungen zunehmend an Bedeutung«, so Peter Kremsner. »In Südeuropa ist diese Mückenart bereits heimisch, in Deutschland findet man sie auch immer häufiger.«

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