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Anthropozän: Wir verstreuen noch mehr Plastikmüll als erwartet

Die Ausgrabung eines Freilichtmuseums zeigt, wie das 21. Jahrhundert überall seine Kunststoffspuren hinterlässt. Doch das »Plastik-Zeitalter« könnte schnell enden.
Eine aufgerissene Verpackung eines Schokoriegels liegt auf moosbedecktem Waldboden.

Die Archäologie der Zukunft wird sich vor allem mit Plastikmüll beschäftigen. Zu diesem Schluss kommen Harold Mytum von der University of Liverpool und James Meek vom Dyfed Archeological Trust anhand einer ungewöhnlichen Ausgrabung: Die Forscher untersuchten zwei rekonstruierte und nun wieder abgerissene Rundhäuser der eisenzeitlichen Festung Castell Henllys. Die Gebäude waren anhand von archäologischen Befunden in den 1980er Jahren erbaut worden und seitdem Teil der als Freilichtmuseum genutzten archäologischen Stätte.

Obwohl die Gebäude regelmäßig gereinigt wurden, fanden die Fachleute unerwartet große Mengen Plastikteile. Mytum und Meek hatten zwar erwartet, Spuren dieser Nutzung zu finden – sie seien aber von der schieren Menge und der Vielfalt der Kunststoffobjekte überrascht, schreiben sie in »Antiquity«. Insgesamt entdeckten sie in den beiden Rundhäusern 2000 Plastikteile.

Die Gebäude wurden 2017 und 2018 aus Sicherheitsgründen abgerissen und anschließend archäologisch ausgegraben – einerseits, um den Verfall des Gebäudes mit eisenzeitlichen Originalfunden zu vergleichen, andererseits, um Spuren der modernen Nutzung zu dokumentieren. Zum Vorschein kamen vor allem Fragmente von Verpackungsmaterialien, aber auch eine Dose mit Theaterschminke und eine Brille. Die meisten der Teile ließen Besucherinnen und Besucher zurück, vor allem vermutlich Schulklassen, berichten Meek und Mytum.

Doch nicht nur Menschen transportierten Plastikmüll in das Gebäude, schreiben die beiden Forscher; Nagetiere bauten Nester in den Pfostenlöchern des Gebäudes und transportierten ihrerseits Plastikteile von außen dorthin. Die Ausgrabung zeige nicht nur, wie spezifische Nutzungsmuster die Hinterlassenschaften einer zukünftigen archäologischen Stätte prägen, sondern auch, dass die große Menge und Vielfalt von Plastikteilen für das späte 20. und das frühe 21. Jahrhundert charakteristisch sei. Und zwar auch und gerade jenseits von Orten, wo man erwarten würde, dass sich Plastikabfall ansammelt. Möglicherweise aber ändere sich das bald: Viele Initiativen versuchten, Kunststoffe biologisch abbaubar zu machen. Das Plastikmüll-Zeitalter könnte deswegen eine sehr kurze, wenn auch charakteristische Episode in den Funden zukünftiger archäologischer Ausgrabungen darstellen.

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