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Weinforschung: Warum verursacht Rotwein bei manchen Menschen Kopfschmerzen?

Für einige Personen genügt ein kleines Gläschen Wein, und schon brummt der Schädel. Forschende haben nun die Ursache für die unangenehme Nebenwirkung gefunden.
Rotwein
Wenn die Weinreben viel direkte Sonne abbekommen haben, brummt nach einem Gläschen der Schädel eher.

»Ein kleines Schlückchen wird schon nicht schaden …« – und doch brummt einigen Personen bereits nach einer kleinen Menge Rotwein der Schädel. Während die Kopfschmerzen bei anderen alkoholischen Getränken meist erst nach exzessivem Genuss auftauchen, genügen bei Rotwein manchmal ein oder zwei kleine Gläser. Schon lange stellen Fachleute Vermutungen über die Ursache an, konnten aber bisher noch keinen eindeutigen Auslöser finden. Nun will ein Team um die Weinforscherin Apramita Devi von der University of California in Davis den Inhaltsstoff gefunden haben, der für den unangenehmen Brummschädel sorgt.

Bisher gingen Fachleute davon aus, dass die vielen phenolischen Verbindungen, insbesondere so genannte Flavonoide, die Kopfschmerzen verursachen. In Rotwein findet man davon etwa zehnmal so viele wie in Weißwein. Allerdings enthalten viele Lebensmittel ebenfalls große Mengen von Flavonoiden und stehen dabei nicht im Verdacht, Kopfschmerzen auszulösen – etwa Beeren, Kakao, Nüsse oder Gemüse. Viele Flavonoide gelten vielmehr als antioxidativ und sind sogar als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.

Wie Chemiker jedoch im Jahr 2000 herausfanden, scheinen manche Flavonoide ein Enzym zu beeinflussen, das für den Abbau von Alkohol verantwortlich ist – darunter das in Rotwein enthaltene Flavonoid Quercetin. Die damaligen Studien untersuchten allerdings mögliche Krebs hemmende Eigenschaften von Enzymen und nicht die Mechanismen, die zu Kopfschmerzen führen. Wie die Fachleute um Devi jedoch erkannten, ist das betreffende Abbau-Enzym kein Unbekanntes: Einige Menschen, darunter etwa 40 Prozent der ostasiatischen Bevölkerung, können es nur in geringen Mengen produzieren und vertragen daher keinen Alkohol.

Deswegen nahmen Devi und ihr Team die Forschung der Chemiker auf und untersuchten in Laborversuchen, wie Quercetin gemeinsam mit Alkohol verstoffwechselt wird. Die Ergebnisse haben sie am 20. November 2023 im Fachjournal »Scientific Reports« veröffentlicht. »Wenn Quercetin in den Blutkreislauf gelangt, wandelt es der Körper in eine andere Form um, in der es den Alkoholabbau hemmt«, erklärt Andrew Waterhouse, ein Kollege von Devi und Mitautor der Studie. In der Folge sammelt sich Azetaldehyd, ein Zwischenprodukt beim Abbau von Alkohol, im Körper an und sorgt für unangenehme Nebenwirkungen. »Azetaldehyd ist ein bekanntes Toxin, ein Reizstoff und eine Substanz, die Entzündungen auslöst«, sagte Devi. »Wie Forscher wissen, kann es in hohen Konzentrationen Rötungen, Kopfschmerzen und Übelkeit verursachen.«

»Wir sind endlich auf dem richtigen Weg, um dieses jahrtausendealte Rätsel zu lösen«Apramita Devi, Önologin

Die Konzentration von Quercetin kann sich von Rotwein zu Rotwein sehr unterscheiden. Denn das Flavonoid entsteht durch direkte Sonneneinstrahlung. In sehr sonnenreichen Jahren und Regionen sowie bei besonders exponierten Reben kann der Quercetin-Gehalt in einem Wein bis zu fünfmal höher ausfallen als in anderen Rotweinen.

Der Forschungsleiter der Umwelt- und Gesundheitswissenschaften an der Yale University, Vasilis Vasiliou, gibt in einem Artikel der »New York Times« jedoch zu bedenken, dass die Vorgänge im Labor nicht immer gleich ablaufen wie im menschlichen Körper. Devi ist dennoch optimistisch: »Wir glauben, dass wir endlich auf dem richtigen Weg sind, dieses jahrtausendealte Rätsel zu lösen. Der nächste Schritt besteht darin, unsere Vermutung wissenschaftlich an Menschen zu testen, die solche Kopfschmerzen entwickeln.«

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