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Edelsteine: Zerbrechende Superkontinente setzten Diamanten frei

Diamanten dürften die Reise an die Erdoberfläche eigentlich gar nicht überstehen. Warum man sie dennoch finden kann, ist zum Teil bis heute rätselhaft. Prozesse beim Zerfall von uralten Superkontinenten scheinen dabei eine Rolle zu spielen.
Diamant auf schwarzem Untergrund
Diamanten gehören zu den begehrtesten Edelsteinen. Man findet sie fast nur in speziellen Vulkanschloten - doch wie diese entstanden, ist zum Teil noch rätselhaft.

Dass wir heute Diamanten nahe der Erdoberfläche finden, verdanken wir einem der gewaltigsten und folgenschwersten Prozesse der Erdgeschichte. Die Edelsteine werden aus der Tiefe herauftransportiert, wenn ein Superkontinent, bestehend aus allen Landmassen der Erde, wieder in seine Einzelteile zerrissen wird. An den Bruchzonen nämlich entstehen im zähflüssigen Erdmantel gewaltige Auf- und Abströme. Sie schmirgeln die Unterseite der Erdkruste quasi ab und bahnen so den mysteriösen, diamantenträchtigen Kimberlitvulkanen den Weg. Diesen Prozess beschreibt ein Team um Thomas M. Gernon von der University of Southampton in der Fachzeitschrift »Nature«.

Seit Jahrzehnten rätseln Fachleute über die Herkunft von Diamanten. Die Edelsteine aus reinem Kohlenstoff entstammen der Unterseite der Kontinente in 150 bis 200 Kilometer Tiefe, wo sie unter enormem Druck in superheißem, überkritischem Wasser in der Lithosphäre, der obersten Schicht des Erdmantels, heranwachsen. Von dort müssen sie mit der Geschwindigkeit eines Autos durch massives Gestein Richtung Erdoberfläche gerast sein: Wären sie langsamer aufgestiegen, hätten sie sich durch Umwandlung ihrer Kristallstruktur in Graphit verwandelt oder schlicht aufgelöst. Seltsamerweise entstehen die Vulkane, in denen die Diamanten nach oben schossen, keineswegs entlang von Schwächezonen, sondern ausgerechnet in den stabilsten Kernen der Kontinente, die als Kratone bezeichnet werden.

Außerdem entstehen laut der Analyse der Arbeitsgruppe die meisten Kimberlitvulkane in den ersten 30 Millionen Jahren nach dem Zerbrechen von Superkontinenten. Daraus schließt das Team, dass ihre Bildung direkt mit der Entstehung der Grabenbrüche zusammenhängt, entlang derer sich die kontinentalen Bruchstücke voneinander trennen. Das Team um Gernon schlägt nun vor, dass die Grabenbrüche eine als Rayleigh-Taylor-Instabilität bezeichnete Störung an der Unterseite der Kontinente auslösen, die sich von den Gräben unter die stabilen Kerne fortpflanzt und dort den Vulkanismus anstößt.

© Jens Niemeyer, Universität Göttingen
Rayleigh-Taylor-Instability
Rayleigh-Taylor-Instabilitäten entstehen, wenn dichteres Material über leichterem liegt und fingerförmig abzusinken beginnt.

Wenn ein Superkontinent zerbricht, steigt unter den Grabenbrüchen heißer Erdmantel bis nah unter die Oberfläche auf und heizt das benachbarte Tiefengestein von der Seite. Dadurch wird dort die etwa 1100 Grad heiße unterste Grenzschicht zum noch viel heißeren Mantel instabil. Sie sammelt sich in fingerförmigen Tropfen und sinkt in die Tiefe, während in benachbarten Zonen das leichtere Mantelmaterial aufsteigt. Die als Rayleigh-Taylor-Instabilität bezeichnete Trennung in absinkende und aufsteigende »Finger« setzt sich wellenförmig von den Bruchzonen nach außen fort.

Dort, wo zwischen den absinkenden Gesteinsfingern der heiße Mantel aufsteigt, schmilzt er durch den verringerten Druck. Dabei bildet sich laut den Simulationen der Arbeitsgruppe das für Kimberlitvulkane typische Magma, das große Mengen des diamanthaltigen Gesteins der unteren Erdkruste mit sich führt. Diese Schmelze enthält viel Kohlenstoff und setzt laut früheren Studien bei ihrem Aufstieg Kohlendioxid frei. Das macht sie leichter, sie steigt noch schneller auf und setzt noch mehr Gas frei. So entwickelt diese Gesteinsschmelze die Durchschlagskraft, um binnen weniger Stunden durch 150 Kilometer Gestein zu brechen – und dabei unzählige Minerale, darunter auch Diamanten, aus den tiefsten Schichten der Kruste an ihre Oberfläche zu tragen.

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