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»Als die Giraffe noch Liebhaber hatte«: Vier spannende Forschergeschichten

Claude Bernard, Louis Pasteur, Antoine de Lavoisier, Étienne Geoffroy Saint-Hilaire: »Als die Giraffe noch Liebhaber hatte« handelt von ihren Entdeckungen – und wie Zufall, Plan oder Irrweg zu ihren Erkenntnissen führten.
Zwei Giraffen kämpfen miteinander

Paris, 1840: Der Zoologe und Entwicklungsbiologe Étienne Geoffroy Saint-Hilaire verbringt seine Tage im Jardin du Roi zusammen mit dem jungen Jean-Martin Charcot (der später Neurologe wurde) und dem Tierpfleger Atir. Geoffroy Saint-Hilaire leidet unter Harnverhalt und erblindet langsam, erkennt kaum noch seine geliebte Giraffe Zarafa. Er erzählt seinen beiden Zuhörern Episoden und Erinnerungen aus seiner Vergangenheit, etwa über seine »Hochzeitsreise mit Zarafa« von Marseille nach Paris 1827. Gefangen wurde die Giraffe 1826 in den äthiopischen Hochebenen, auf einem Sklavenschiff nach Marseille wurde sie transportiert – zusammen mit dem Sklaven Atir aus dem Sudan. Während der Zoologe seine Erinnerungen preisgibt (so auch zu seinen Disput mit Georges Cuvier), unterbricht Atir ihn immer wieder, wodurch dessen Sichtweise in der Geschichte hervortritt: vor allem zur »Hottentottenvenus Zarah Bartmann«, einer Sklavin, die wie die Giraffe im Käfig ausgestellt wurde und die die beiden Zoologen 1816 gemeinsam obduziert hatten.

Ungewöhnliche Perspektiven

Darum dreht sich der erste Teil des Buchs »Als die Graffe noch Liebhaber hatte« von Michael Lichtwarck-Aschoff. Der Autor arbeitete und forschte Jahrzehnte als Anästhesist und Intensivmediziner, seit Ende 2011 ist er als Schriftsteller tätig. In seinem Werk schildert er das Leben von vier Wissenschaftlern des 18. und 19. Jahrhunderts aus jeweils ungewöhnlichen Perspektiven. Oft sind es Nebenfiguren, die nicht im Rampenlicht standen, die ihre Sicht auf die Geschehnisse preisgeben.

Paris 1794: Der zweite Teil des Buchs (»Das unangemessene Speckhemd«) beginnt grausam: »Seinen Kopf haben sie in den Korb geworfen. … Einmal abgeschnitten wächst er nicht mehr an.« Mit diesen Worten beschreibt ein Labordiener den Tod seines Herrn, des Chemikers Antoine de Lavoisier, durch die Guillotine. Dessen Frau erhält kurz nach der Hinrichtung seine Sachen zurück – mit dem Hinweis: »Er wurde zu Unrecht verurteilt.«

In dieser Geschichte erklärt der Labordiener die Arbeit Lavoisiers über den Stoffwechsel, insbesondere über die Rolle des Sauerstoffverbrauchs bei der Verbrennung. Dazu führte Lavoisier Experimente mit seiner Frau durch, die Hunger- und Mästphasen durchmachen musste – durch den Labordiener genau beschrieben und kommentiert. »Man weiß ja, wie oft eine wissenschaftliche Entdeckung der reine Zufall war.« Und hier war der Fasan (im Speckhemd) Zufall.

»In diesem Jahr 1940, als der Sommer kein Ende nahm«: In der dritten Erzählung geht es um Louis Pasteur beziehungsweise Joseph Meister. Der französischer Chemiker Pasteur, der nicht nur die Asymmetrie von Molekülen und verschiedene Formen der Gärung beschrieb, sondern auch Impfstoffe entwickelte, ist bis heute sehr bekannt. Aber wer war Joseph Meister? Er war der erste Mensch, der vollständig gegen Tollwut geimpft wurde – mit einem von Pasteur entwickelten Lebendimpfstoff. Nach einem Biss von einem (mutmaßlich tollwütigen) Hund erhielt der damals achtjährige Joseph mehrere Impfungen und galt danach als geheilt und immun.

Aber eigentlich geht es in der Geschichte um die Folgen, welche die Impfung für Meister (er arbeitete zwischenzeitlich auch am Institut Pasteur in Paris) und sein Dorf Steige im Elsass hatte. Erzählt wird aus der Perspektive mehrerer Dorfbewohner. Anlass ist der Versuch einer Schülerin, mehr über das Leben von Meister zu erfahren, da die Klasse eine Gedenktafel für ihn plant – im Sommer 1940, nachdem sich Meister in Paris das Leben genommen hatte.

Die vierte Erzählung (»Über die Bescheidenheit der Rebe«) dreht sich um Claude Bernard, »Professor für Allgemeine Physiologie an der uralten Sorbonne in Paris«, der unter anderem die Rolle der Bauchspeicheldrüse bei der Verdauung von Fetten entdeckte. Grundlage seiner Forschungen waren exakte Experimente. Welche Rolle beim Erforschen des Lichtsinns von Weinreben die blinde Berenice Domer spielt, erfährt man aus mehreren Erzählperspektiven.

Lichtwarck-Aschoff hat für sein Buch vier französische Forscher aus dem 18. und 19. Jahrhundert ausgewählt – schade, dass keine Frau dabei war. Welche Gegebenheiten dieser vier Erzählungen auf historischen Fakten beruhen und welche literarisch ausgeschmückt wurden, müssen die Leserinnen und Leser dabei selbst herausfinden.

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