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Gelungenes Doppelporträt

Stefan Schomann erzählt in seinem Buch »Auf der Suche nach den wilden Pferden« die Geschichte einer wundersamen Auferstehung.

Das Przewalski-Pferd, benannt nach seinem europäischen Entdecker Nikolai Michailowitsch Przewalski (1839–1888), hat eine wechselvolle Geschichte, die gleich zweifach als Symbol taugt: Zum einen steht das urtümliche Pferd mit dem mehlbestäubten Maul, der Stehmähne und dem Aalstrich auf dem Rücken für die zerstörerische Kraft, die das Vordringen des Menschen in abgelegene Gebiete für andere Arten bedeutet. Erst 1881 wird die Art erstmals wissenschaftlich beschrieben. Schon da war sie in der Mongolei und anderen Steppengebieten in Asien extrem selten geworden. Das letzte Przewalski-Pferd wurde 1969 gesichtet, seither galt es in freier Wildbahn als ausgestorben.

Erneut wilde Pferde in der Steppe

Zum anderen ist das Wildpferd, das in seiner Heimat »Tachi« genannt wird, aber auch ein Zeichen der Hoffnung: In verschiedenen europäischen Zoos hatte ein Dutzend fruchtbarer Tiere überlebt. Mit dieser winzigen Gründerpopulation gelang es dennoch, die Art vorm Aussterben zu bewahren und wieder in die Freiheit zu bringen: Heute streifen immerhin wieder einige hundert Tiere durch die mongolischen und chinesischen Steppengebiete.

Der Journalist Stefan Schomann hat den charismatischen Tieren ein dickes Buch gewidmet, das mehr einer raumgreifenden, mäandernden Wanderung gleicht als einem schnellen Galopp. In »Auf der Suche nach den wilden Pferden« spürt er auf knapp 460 Seiten der Geschichte des »Tachi« nach und wird dabei zum Geschichtenerzähler, der einen weiten Bogen von der Steinzeit bis in die Gegenwart spannt. Als Journalist schreibt Schomann vor allem Reportagen, unter anderem für »GEO« und die »Zeit«. Entsprechend lebendig, subjektiv und bildhaft ist seine Sprache.

In der berühmten steinzeitlichen Höhle von Lascaux haben Menschen schon vor 20 000 Jahren Pferde auf den Wänden verewigt, die den heutigen Przewalski-Pferden zum Verwechseln ähnlich sehen. Vor Jahren hatte Schomann Gelegenheit, die Höhle zu besuchen. Eindrücklich beschreibt er die magische, fast hypnotische Wirkung, welche die Tierbilder auch heute noch auf den Betrachter haben. Er berichtet, wie die frühen Künstler jeden Buckel und jede Unebenheit der Höhlenwand geschickt ausnutzten. Ein Felsvorsprung wird zum Kopf, ein anderer zur massigen Schulter, so dass die Tiere überraschend plastisch, fast lebendig wirken. Sofort bekommt man Lust, sich selbst auf den Weg nach Südfrankreich zu machen.

Vor allem aber verbringt der Autor viel Zeit in den weiten Steppen Asiens, in der Mongolei, China und Kasachstan. Zum Teil begibt er sich dabei auf die Spur der großen Forschungsreisenden: Przewalski, Humboldt, Alfred Brehm – die sich alle auch auf die Suche nach dem sagenumwobenen Wildpferd gemacht haben. Und er besucht die abgelegensten Flecken im Nirgendwo, in denen die Wildpferde ihre alte neue Heimat wiedergefunden haben. Schomann hat mit dem Augenzeugen gesprochen, der in den 1960er Jahren das letzte wilde Przewalski-Pferd gesehen hat, mit den Verantwortlichen der aufwändigen Auswilderungsprogrammen, er übernachtet in Jurten, beobachtet lokale Pferderennen – und sieht eine Herde Przewalski-Pferde, die kurz vor der Auswilderung steht.

Eingestreut zwischen diese Reportagen sind historische Berichte: Über die Skythen – ein geheimnisvolles Reiter- und Steppenvolk aus dem südlichen Russland, das im 4. Jahrhundert v. Chr. den Persern das Leben schwer machte. Über die Mongolen, die im 13. Jahrhundert wie die apokalyptischen Reiter über Europa hinwegfegten und dabei ein Weltreich schufen, das von Rumänien bis China reichte. So entsteht ein faszinierendes Doppelporträt: Im Zentrum stehen die Tachi und die wundersame Geschichte ihrer Auferstehung. Genauso wichtig ist aber die Annäherung an ihre Heimat: die atemberaubend spröde Steppenlandschaft und ihre Bewohner.

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