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»Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn«: Warum haben wir eigentlich ein Gehirn?

Ein kurzweiliger und fundierter Essayband, der mit hartnäckigen Neuromythen aufräumt und nachhaltig zum Denken anregt.
Illustration eines menschlichen Gehirns

Das Gehirn ist dazu da, unseren Energiehaushalt effizient zu managen und unser Überleben zu sichern – notfalls auch durch Denken. Diese und andere neurowissenschaftliche Erkenntnisse stellt Lisa Feldman Barrett in einer Sammlung kurzweiliger Essays vor, kombiniert mit philosophischen und politischen Betrachtungen. 

Die Autorin ist Chefredakteurin der Zeitschrift »Emotion Review« und lehrt als Professorin für Psychologie an der Northeastern University in Boston (Massachusetts). Sie versteht Emotionen nicht als Gegenspieler der Vernunft, sondern als deren notwendige Ergänzung. Demnach verarbeitet das Gehirn umfangreiche Informationen und erzeugt Affekte als eine Art Zusammenfassung des Geschehens. Die Autorin regt dazu an, der Frage nachzugehen, was rationales Handeln eigentlich bedeutet. So könne Denken irrational sein, zum Beispiel, wenn man stundenlang durch soziale Netzwerke scrollt und dabei wichtige Bedürfnisse des Körpers vernachlässigt. Umgekehrt könnten Emotionen rational sein, indem sie uns vor potenziellen Gefahren warnen. 

Feldman Barrett setzt sich auch mit einigen Neuromythen auseinander. Sie widerlegt die Theorie des Reptiliengehirns, das angeblich unsere Triebe steuert, und zeigt auf, dass das menschliche Denkorgan im Vergleich zu den Gehirnen anderer Arten keine neuen Areale hat. Außerdem distanziert sie sich von der Idee einer kreativen rechten Gehirnhälfte und der Tendenz, bestimmten Arealen einzelne kognitive Funktionen zuzuordnen. Stattdessen präsentiert sie das Gehirn als ein Netzwerk, in dem Nervenzellen als flexible Knotenpunkte agieren und je nach Aufgabenstellung und Erfahrung unterschiedliche Funktionen übernehmen können. Die Autorin beschäftigt sich ebenfalls mit der Realität unserer Wahrnehmung. Gedächtnisinhalte werden nicht einfach wie auf einer Festplatte gespeichert, sondern immer wieder neu konstruiert, wenn sie abgerufen werden, so ihre Überzeugung. Unsere Sicht der Welt werde durch Vorausrechnungen und Antizipation entscheidend beeinflusst. 

Feldman Barrett gelingt der Brückenschlag von der Neurowissenschaft zur alltäglichen Relevanz. Während die Wissenschaft sich häufig auf Detailfragen fokussiert, wirft dieses Buch einen Blick auf das große Ganze. Zahlreiche Literaturangaben untermauern die Aussagen der Autorin. Die Präzision der Recherche wird in umfangreichen Endnoten deutlich. So liefert Feldman Barrett beispielsweise nicht nur die Quelle für ihre Angabe der Anzahl der Nervenzellen im Gehirn (128 Milliarden), sondern erklärt, wie es dazu kommt, dass auf Grund von unterschiedlichen Zählweisen auch andere Angaben kursieren. Diese wissenschaftliche Herangehensweise unterscheidet sie von anderen populärwissenschaftlichen Autorinnen und verleiht der Lektüre Tiefe.

»Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn« ist ein Buch, das sich schnell und mühelos lesen lässt und noch lange in den Gedanken nachklingt.

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