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Beruf: Was bringt das Homeoffice? Die sechs wichtigsten Erkenntnisse

Viele Angestellte würden gern regelmäßig zu Hause arbeiten. Vorgesetzte, aber auch Kollegen sind jedoch oft skeptisch. Aktuelle Studien zeigen, wann alle von einer Homeoffice-Regelung profitieren.
Eine Frau arbeitet im Homeoffice

»Arbeiten im Homeoffice macht unglücklich!« So oder ähnlich lauteten im September 2019 die Schlagzeilen in vielen Tageszeitungen. Auslöser war das aktuelle Ergebnis einer Befragung der AOK-Krankenkasse: Ihr zufolge sind Beschäftigte, die zu Hause arbeiten, erschöpfter, nervöser und reizbarer. Sie leiden stärker an Selbstzweifeln und empfinden häufiger Wut und Ärger – verglichen mit Angestellten, die ausschließlich in der Firma sitzen. Der Grund: Am heimischen Schreibtisch falle es schwerer, Privatleben und Beruf zu trennen; dies belaste die Psyche. Dennoch nimmt die Zahl derer, die zumindest teilweise zu Hause arbeiten, in Deutschland langsam, aber stetig zu. Die SPD will mittelfristig sogar ein Recht auf Homeoffice im Gesetz verankern.

Auch Stefanie* möchte künftig nachmittags von zu Hause aus arbeiten. Der Chef der 37-jährigen Werbefachfrau beruft sich jedoch auf die Presseberichte, um ihr die Bitte abzuschlagen: »Lesen Sie das mal. Damit tue ich Ihnen gar keinen Gefallen!« Insgeheim befürchtet er außerdem, seine Mitarbeiterin würde zu Hause weniger leisten und die Stimmung im Team könnte leiden.

Stefanie findet die Zeitungsartikel nicht überzeugend, denn sie ist bereits unglücklich – ohne Homeoffice. Ihr kürzlich eingeschulter Sohn Jannis* heult und tobt jeden Tag, weil er nach dem Unterricht müde ist und danach nicht noch in den Schulhort will. Eine Kinderfrau kann Stefanie sich nicht leisten. Homeoffice wäre die Lösung, da ist sie sich sicher: Während sie nachmittags daheim an Marketingstrategien tüftelt, könnte Jannis im Zimmer nebenan seine Hausaufgaben machen oder spielen. Damit, so glaubt sie, würde es ihr auf jeden Fall besser gehen. Und ein Freund von ihr – ohne Kinder – schwärmt geradezu vom Homeoffice: »Im Büro fühle ich mich oft nicht inspiriert. Jetzt bin ich viel flexibler. Bei schönem Wetter setze ich mich manchmal abends mit meinem Laptop an den See. Da kommen mir die besten Ideen!«

Ob sich Stefanies Hoffnungen erfüllen würden, kann die AOK-Erhebung tatsächlich nicht beantworten. Ebenso wie viele andere Studien unterscheidet sie nicht, in welcher Lebenssituation sich die Befragten befinden. Eine junge Mutter beispielsweise arbeitet in der Regel aus ganz anderen Gründen von zu Hause aus als ein Manager. Tatsächlich aber können die Effekte, etwa auf die Job- und Lebenszufriedenheit, recht unterschiedlich ausfallen: Es kommt auf die Motive für Homeoffice an, auf die familiäre Situation, die berufliche Position, die Karrierevorstellungen und auch darauf, wie der Arbeitgeber die Rahmenbedingungen gestaltet. Somit lohnt sich ein Blick auf Untersuchungen, die diese Unterschiede berücksichtigen. Hier präsentieren wir Ihnen die sechs wichtigsten Erkenntnisse.

1. Ein Großteil der Arbeitnehmer will überhaupt kein Homeoffice machen

Als Homeoffice gelten Arbeitsformen, bei denen Mitarbeiter ihre Tätigkeit ganz oder zeitweise außerhalb des Gebäudes ihres Arbeitgebers verrichten. Auf die Frage »Arbeiten Sie regelmäßig auch außerhalb der Firma?« antworten viele Beschäftigte: »Natürlich!« und zählen in der Statistik damit zur Homeoffice-Fraktion. Die Personalabteilung eines Unternehmens schätzt den Status ihrer Angestellten aber oft ganz anders ein, wie Wissenschaftler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim feststellten.

Das Team wertete die Angaben von mehreren tausend Unternehmen und deren Mitarbeitern aus, bevor es 2019 die aktuellsten Ergebnisse veröffentlichte. Demnach bietet jeder vierte Betrieb in Deutschland seinen Beschäftigten offiziell in irgendeiner Form Homeoffice an. Regelmäßig – das heißt an einem oder mehr Tagen pro Woche – erlaubt es jedoch nur jeder sechste. Die Verbreitung schwankt zudem stark abhängig von Position und Tätigkeit: Führungskräfte haben mehr als doppelt so oft Zugang zu Homeoffice wie der Rest der Belegschaft, und in Bereichen wie Vertrieb und Marketing sind es mindestens fünfmal mehr Mitarbeiter als etwa in der Produktion. Viele Tätigkeiten, man denke etwa an die Bedienung von Maschinen, eignen sich schlicht nicht dafür.

Verbreitung von Homeoffice | In Deutschland wird oft ohne offizielle Regelung von zu Hause aus gearbeitet, so das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung zusammen mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Vergleicht man die Angaben der Betriebe (oben) mit denen der Beschäftigten (unten), so ist der Homeoffice-Anteil in allen Gruppen deutlich höher, als er sein dürfte. Die Auswertung zeigt auch: Führungskräfte kommen eher in den Genuss einer entsprechenden Abmachung als Mitarbeiter ohne Leitungsfunktion.

Allerdings geben durchweg wesentlich mehr Angestellte an, zu Hause zu arbeiten, als es nach den Angaben der Personalabteilungen der Fall sein dürfte. »Die Ursachen liegen vermutlich in der Wahrnehmung, was Homeoffice überhaupt ist«, erklärt Susanne Steffes, eine der Autorinnen der IAB/ZEW-Studie und Professorin an der Universität zu Köln. Personalverantwortliche zählen nämlich nur fest vereinbarte Regelungen dazu; Beschäftigte dagegen überlegen, ob sie sich regelmäßig zu Hause oder von unterwegs für die Firma engagieren, egal ob im Rahmen der normalen Arbeitszeit oder darüber hinaus.

Letzteres ist übrigens keine Ausnahme: »Unsere Auswertung zeigt, dass 44 Prozent derjenigen, die angeben, Homeoffice zu machen, dies in ihrer Freizeit tun – am Abend und am Wochenende.« Homeoffice findet in Deutschland also zum großen Teil außerhalb der Regelarbeitszeit statt und selbst dann, wenn gar keine offizielle Regelung besteht.

Festzuhalten ist außerdem: Die Verlagerung des Arbeitsorts in die eigenen vier Wände ist kein Massenphänomen und wird es so schnell auch nicht werden. Nur jeder vierte bis fünfte Beschäftigte arbeitet mindestens ab und zu von zu Hause aus. Und von denen, die nie außerhalb der Firma tätig werden, wollen dies zwei Drittel gar nicht ändern.

2. Unternehmen profitieren von einer Homeoffice-Regelung

Meist erklären Mitarbeiter, sie könnten sich daheim besser konzentrieren und deshalb mehr erledigen. Ähnlich sehen das laut IAB/ZEW immerhin 45 Prozent der Arbeitgeber, die Homeoffice erlauben. Das spricht für eine solide Vertrauensbasis – oder dafür, dass sich die Leistung des Angestellten auch aus der Ferne problemlos abschätzen lässt.

Im Umkehrschluss bieten aber mehr als die Hälfte der Unternehmen Homeoffice offenbar aus anderen Gründen an. Laut der Befragung erkennen zwischen 50 und 60 Prozent Vorteile darin, dass ihre Mitarbeiter flexibler arbeiten oder Beruf und Familie besser vereinbaren können. Etwas mehr als jeder dritte Unternehmer geht zudem davon aus, die eigene Firma würde durch dieses Angebot als Arbeitgeber attraktiver (siehe Grafik »Positive Erfahrungen mit Homeoffice«).

Positive Erfahrungen mit Homeoffice | Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Homeoffice anbieten, sehen laut ZEW/IAB darin mehrere Vorteile. Zum Teil deckt sich die Sichtweise der Personalverantwortlichen mit jener der Beschäftigten. Unter Letzteren betont zudem mehr als ein Drittel, dass Homeoffice es ermögliche, die eigene Arbeitszeit zu erhöhen.

Im Jahr 2018 haben Forscher von der Stanford University die wirtschaftlichen Folgen von Homeoffice in einer kontrollierten Studie genauer ins Visier genommen. Eine große chinesische Reiseagentur in Schanghai mit rund 10 000 Mitarbeitern hatte nach Möglichkeiten zur Gewinnmaximierung gesucht. Eine der Ideen war, Büroflächen einzusparen. Daher startete der CEO einen Testballon: Zunächst wurden 250 Callcenter-Mitarbeiter im Unternehmen ausfindig gemacht, die prinzipiell Lust auf ein zeitlich begrenztes Homeoffice-Experiment hatten. Der Zufall entschied, wer von ihnen dann die folgenden neun Monate an vier Tagen pro Woche zu Hause telefonierte; die andere Hälfte musste weiterhin im Großraumbüro sitzen. Alle Teilnehmer folgten exakt demselben Workflow und beantworteten die einlaufenden Kundenwünsche in der gleichen Schicht, von 9 bis 17 Uhr. »Auf diese Weise«, so die Forscher, »unterschieden sich die beiden Gruppen tatsächlich einzig und allein hinsichtlich ihres Arbeitsorts.«

Das Ergebnis übertraf die kühnsten Erwartungen. Die Produktivität der Homeoffice-Arbeiter lag um satte 13 Prozent über jener der Kontrollgruppe! Bei Letzterer fanden sich übrigens keine »Frusteffekte«, wie ein Leistungsvergleich mit dem Rest der Belegschaft zeigte. Zum einen machte die Homeoffice-Gruppe weniger Pausen und meldete sich seltener krank, was ihre Nettoarbeitszeit um neun Prozent erhöhte. Zum anderen erledigten die Telefonarbeiter zu Hause in derselben Zeit mehr Anrufe. Interessanter noch: Die sonst sehr hohe Fluktuation unter den Callcenter-Angestellten sank bei ihnen um die Hälfte – das sparte eine Menge Einarbeitungskosten!

Der begeisterte CEO bot daraufhin allen Telefonisten eine Homeoffice-Regelung an. Allerdings wollte fast die Hälfte der Beschäftigten, die sich im ersten Experiment über ihr Losglück gefreut hatten, nun doch lieber ausschließlich in der Firma sitzen. Für ihre Entscheidung führten sie »soziale« Gründe an. Sie vermissten den Kontakt zu Kollegen sowie deren moralische Unterstützung beim Umgang mit schwierigen Kunden. Daraufhin ließ man allen die freie Wahl, wodurch sich die Produktivität sogar um rund 25 Prozent erhöhte.

3. Angestellte mit Homeoffice-Option sind zufriedener mit ihrem Job

Diesen Schluss legen Studien weltweit nahe. Seltsamerweise berichteten viele Zeitungen nicht, dass auch in der anfangs erwähnten AOK-Studie die Arbeitszufriedenheit bei den Homeoffice-Arbeitern höher lag. Die meisten empfanden ihre Tätigkeit als selbstbestimmter und erklärten, sie könnten zu Hause mehr Arbeit bewältigen. IAB/ZEW unterschieden in ihrer jüngsten Auswertung dagegen vier Gruppen: Wer in der Regelarbeitszeit Homeoffice machen durfte, war am zufriedensten mit seinem Job. Fast genauso positiv sahen es allerdings jene, die aus freien Stücken ausschließlich im Büro saßen. Ein kleines bisschen weniger begeistert zeigten sich Angestellte, die nur in ihrer Freizeit zu Hause arbeiteten. Mit deutlichem Abstand am unzufriedensten aber waren Beschäftigte mit unerfülltem Homeoffice-Wunsch – dies betrifft zurzeit insgesamt immerhin jeden neunten Arbeitnehmer.

Berücksichtigt werden muss zudem, dass auch der Familienstand die Arbeitszufriedenheit beeinflusst. Ein Team um Melanie Arntz, ebenfalls am ZEW, wertete daher die Daten von rund 7600 berufstätigen Männern und Frauen in Deutschland aus. Das Ergebnis: Angestellte ohne jüngere Kinder (unter 16 Jahren) machen im Homeoffice zwar eher Überstunden. Dennoch sind sie etwas zufriedener mit ihrem Job. Sie schätzen offensichtlich die Flexibilität, bei Bedarf zu Hause arbeiten zu können.

Bei den Eltern dagegen geht Homeoffice häufig mit einer Erhöhung der vertraglich vereinbarten Stundenzahl einher, insbesondere bei den Frauen. Vor allem Mütter (seltener Väter) nutzen eine entsprechende Regelung also, um ihre Arbeitszeit aufzustocken und dadurch mehr zu verdienen. »Das mindert die Einkommensunterschiede zwischen den Ehegatten«, betont Melanie Arntz, die als Professorin an der Universität Heidelberg lehrt. Dennoch waren »Homeoffice-Eltern« unterm Strich mit ihrer Arbeit nicht merklich glücklicher als »Büro-Eltern«.

Dafür kann es verschiedene Gründe geben. Auffällig sei etwa, dass der Stundenlohn von Müttern im Homeoffice – im Gegensatz zu dem von Vätern – oft nicht steige, so Arntz. Möglicherweise trauen sie sich seltener, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Außerdem sind Eltern, die während der Regelarbeitszeit zu Hause arbeiten, deutlich weniger als andere vor Ort im Büro, was sich nachteilig auf die Karriere auswirken kann. »Die Präsenzkultur ist vielerorts noch fest verankert«, bestätigt Steffes. Mancher gelangt vielleicht zu der bitteren Erkenntnis, sich mit dem Homeoffice karrieremäßig aufs Abstellgleis befördert zu haben.

4. Homeoffice kann glücklich machen – aber auch Stress verursachen

Für das Wohlbefinden spielt die Zufriedenheit mit der Arbeit zwar eine gravierende Rolle, aber sie ist natürlich nicht alles. Mehrere Erhebungen legen ähnlich wie die AOK-Studie nahe, dass Homeoffice-Mitarbeiter trotz erhöhter Jobzufriedenheit öfter gestresst sind als andere. Doch mit Schlussfolgerungen sollte man vorsichtig sein. Zum einen ist die Studienlage widersprüchlich. Mitarbeiter von Eurofound (der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen) etwa sichteten eine Vielzahl von Erhebungen in 28 Nationen: Insgesamt ließ sich ein deutlicher Stresseffekt nur für Mitarbeiter nachweisen, die sehr viel von unterwegs für die Firma tätig sind. Bei jenen, die in Ruhe zu Hause oder bloß gelegentlich mobil arbeiten, konnten die Autoren keine deutlichen Unterschiede ausmachen.

»Viele Homeoffice-Studien kranken daran, dass sie nicht zwischen den diversen Gruppen und ihren jeweiligen Motiven unterscheiden«Melanie Arntz, Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim

Offenbar kommt es in puncto Wohlbefinden extrem auf die individuellen Umstände an. Unstrittig ist, dass Homeoffice sowohl positive als auch negative Effekte auf die Psyche haben kann. Einerseits erlaubt eine entsprechende Regelung etlichen Berufstätigen, die Stundenzahl und damit das Einkommen zu erhöhen. Das hebt die Stimmung. Andererseits gehen längere Arbeitszeiten normalerweise mit mehr Anstrengung und weniger Erholung einher.

Werden ganze Tage im Homeoffice verbracht, spart das nicht nur Fahrtkosten, sondern je nach Wohn- und Arbeitsort auch enorm viel Fahrzeit. Die so gewonnenen Stunden gehören zu den wichtigsten Motiven. Das Risiko: Man kommt nicht aus dem Haus. Manche fühlen sich womöglich sogar isoliert und klagen, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt.

Darf man seine Arbeitszeit im Homeoffice stückeln, lassen sich Einkäufe, Hausarbeit und Arzttermine Zeit sparend dazwischenschieben – ein weiterer Vorteil. Familiäre Verpflichtungen, etwa den Kindern ein Mittagessen kochen, bei den Hausaufgaben helfen oder mal schnell nach der Oma sehen, können so besser integriert werden. Und in Ländern, in denen das Outsourcen von Kinderbetreuung nicht üblich ist, mag Homeoffice überhaupt die einzige Möglichkeit sein, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Die Kehrseite: Die fehlende räumliche Distanz von Privatleben und Arbeit birgt unweigerlich die Gefahr, beides zeitlich wie gedanklich stark zu vermischen. Angestellte mit Homeoffice-Möglichkeit machen nachweislich mehr Überstunden, ihnen fällt es schwerer aufzuhören, wenn eine Aufgabe noch nicht beendet ist, und sie können schlechter abschalten. Zu Hause arbeitende Mütter tendieren außerdem dazu, die Kinderbetreuung nicht Dritten zu übertragen, sondern selbst zu übernehmen, wodurch sich Familie und Arbeit naturgemäß eher ins Gehege kommen.

Gründe gegen Homeoffice | Befragt man Betriebe, in denen es keine Homeoffice-Regelungen gibt, wird von Seiten der Personalabteilung meist argumentiert, die Tätigkeit lasse dies nicht zu. Das sehen auch viele Beschäftigte so, die freiwillig oder unfreiwillig nie zu Hause arbeiten. Sie führen jedoch noch eine Reihe anderer Gründe an.

Die Nachteile wiegen die Vorteile vermutlich oftmals auf. Vielleicht lässt sich so erklären, warum das Team um Arntz in Deutschland bezüglich der Lebenszufriedenheit kaum Unterschiede zwischen Büro- und Homeoffice-Arbeitern fand. Die einzige Ausnahme waren kinderlose Homeoffice-Männer: Sie waren mit ihrem Leben deutlich zufriedener.

Die Liste der positiven und negativen Effekte ließe sich noch fortsetzen, und es liegt auf der Hand, dass sie je nach persönlicher Situation unterschiedlich ins Gewicht fallen. Stefanies Chef sollte ihr daher ihre Bitte nicht leichtfertig abschlagen: Schließlich gehören gerade Beschäftigte mit unerfülltem Homeoffice-Wunsch zu den unglücklichsten – und ihr Wohlbefinden kann sich trotz möglicher Nachteile am stärksten verbessern. Vielmehr gilt es herauszufinden, wie sich die negativen Effekte verringern lassen. Diesen Bedarf aufzuzeigen, war auch die eigentliche Absicht der AOK, als sie ihre Ergebnisse vorstellte. »Flexible Arbeitsbedingungen haben viele Vorteile. Wichtig ist es, sie gesundheitsförderlich zu gestalten«, erklärt Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der AOK.

5. Arbeitgeber tragen zu einem gelingenden Homeoffice bei

Ob sich Homeoffice nachteilig auswirkt, hängt laut einer Untersuchung von Tanja van der Lippe und Zoltán Lippényi an der Universität Utrecht auch vom Arbeitgeber ab. Besonders wenn das Homeoffice Präsenzzeit im Büro ersetzt, meinen Mitarbeiter oft eine gewisse Skepsis beim Chef zu spüren. Die beiden niederländischen Forscher unterscheiden zwei gegensätzliche Unternehmenskulturen: In »familienunterstützenden« Firmen ist es selbstverständlich, die persönliche Situation eines Angestellten zu berücksichtigen. Man versucht ihm größtmögliche Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit zu gewähren, im Idealfall werden die Beschäftigten sogar bei ihren familiären Verpflichtungen wie Kinderbetreuung oder der Pflege Angehöriger unterstützt.

Im Kontrast dazu stehen Unternehmen, die das Bild vom idealen Mitarbeiter hochhalten: Dieser hat sich der Firma verpflichtet zu fühlen, zeigt stets größten Einsatz und räumt dem Beruf in seinem Leben absolute Priorität ein. Überstunden und Wochenendarbeit sind in diesem Umfeld besonders verbreitet. Tatsächlich fand das niederländische Forscherteam 2018 heraus, dass zu Hause arbeitende Eltern, die meinen, solchen Vorstellungen genügen zu müssen, im Homeoffice mehr Konflikte zwischen Privatleben und Beruf erleben. Der negative Effekt auf Männer ist hier sogar noch ein bisschen größer als auf Frauen: Vom starken Geschlecht wird nämlich eher erwartet, dass die Arbeit an allererster Stelle steht.

Ein weiterer Faktor, den der Chef beeinflussen kann, ist die Stimmung im Team. Laut der IAB/ZEW-Erhebung gehen nur rund 22 Prozent der Arbeitgeber davon aus, dass sich Homeoffice negativ auf die Zusammenarbeit zwischen ihren Mitarbeitern auswirkt. Unter den Beschäftigten sind es aber rund 60 Prozent, und unter den zu Hause Arbeitenden selbst glaubt dies noch jeder Fünfte. Kritisch wird es, wenn das Team befürchtet, es müsse die Abwesenheit des Kollegen ausgleichen. Daher ist es wichtig, solche Vorbehalte anzusprechen und auszuräumen.

Überhaupt erzeugen Ausnahmeregelungen schnell Neid. Je mehr in einer Abteilung Homeoffice machen, so vermuten Van der Lippe und Lippényi, desto eher bringt man gegenseitig Verständnis füreinander auf. Jedenfalls berichteten Frauen in ihrer Studie weniger über Konflikte zwischen Familie und Beruf, wenn andere Kollegen ebenfalls zu Hause arbeiten durften. Unter Umständen kann es also helfen, allen Teammitgliedern zumindest ein begrenztes Homeoffice-Pensum anzubieten.

Eine Reihe von Studien zeigt laut der Eurofound-Übersichtsarbeit: Angestellte mit Homeoffice-Option sind dann glücklicher, gesünder und haben weniger Vereinbarkeitsprobleme, wenn sie dabei in hohem Maß selbst bestimmen können, wann und wo sie arbeiten. Das funktioniert jedoch nur, solange sie nicht über das Ziel hinausschießen, sprich regelmäßig Überstunden machen. Laut einer EU-Direktive soll die Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche inklusive Mehrstunden nicht überschreiten. Wichtig ist außerdem: Homeoffice muss immer eine freiwillige Vereinbarung sein, und zwar für beide Seiten. Wenn der Vorgesetzte nicht voll und ganz hinter der Abmachung steht, wird daraus keine Erfolgsgeschichte werden.

6. Wer zu Hause arbeitet, muss besser planen und bewusst kommunizieren

Im Internet finden sich unzählige Ratgeberseiten, die erklären, wie man sein Homeoffice optimieren kann. Das reicht von Dekovorschlägen über die richtige Beleuchtung und technische Ausstattung bis hin zu Verhaltensregeln. Ergonomisch gesehen sollte jeder Arbeitsplatz, an dem man viele Stunden verbringt, eigentlich den gleichen Standard erfüllen wie in der Firma – darunter fallen ein vernünftiger Tisch und ein guter Schreibtischstuhl. Zu den verschiedenen Benimmtipps gibt es kaum wissenschaftliche Untersuchungen. Sicherlich ist es aber sinnvoll, immer wieder persönliche Treffen einzuplanen oder die Zeiten, zu denen man im Büro ist, vermehrt für »Networking« zu nutzen. Manchmal wird geraten, den Arbeitsfortschritt möglichst oft seinem Vorgesetzten zu kommunizieren oder regelmäßig Feedback-Gespräche einzufordern. Andere schlagen vor, den Arbeitsrhythmus an die eigenen Leistungshochs anzupassen, längere Pausen jedoch auf jeden Fall zu melden, damit keine Missverständnisse entstehen. Die damit verbundene Nachrichtenflut könnte Kollegen und Chef aber auch nerven. Am besten ist es, die gegenseitigen Erwartungen möglichst genau abzusprechen.

Vor allem sollten Beschäftigte im Homeoffice die Gelegenheit nutzen, ihre Work-Life-Balance aktiv zu gestalten. Zahlreiche Studien legen nahe, dass sie mehr Selbstdisziplin benötigen – weniger zum Arbeiten als zum Aufhören! Wer von zu Hause aus arbeiten darf, sollte sich klarmachen, dass nicht nur er selbst, sondern auch der Arbeitgeber davon profitiert, vor allem, was die Flexibilität in Stoßzeiten sowie die Produktivität betrifft. Allzu oft wird Homeoffice wie ein Privileg gehandelt, mit der Folge, dass Angestellte meinen, sie müssten sich nun ganz besonders ins Zeug legen. Wer sich aber die Zeiten genau aufschreibt, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben. Fazit: Ob man mit Homeoffice glücklich wird, hat man zum großen Teil selbst in der Hand. Mit der Selbstbestimmung wächst eben auch die Selbstverantwortung.

* Namen und Fallgeschichte anonymisiert

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  • Quellen

Arntz, M. et al.: Working from home. Heterogeneous effects on hours worked and wages. SSRN Electronic Journal 10.2139/ssrn.3383408, 2019

Bloom, N. et al.: Does working from home work? Evidence from a Chinese experiment. The Quartely Journal of Economics 130, 2015

Eurofound and the International Labour Office: Working anytime, anywhere: The effects on the world of work. Publications Office of the European Union, Luxembourg, and the International Labour Office, Geneva, 2017

Grunau, P. et al.: Mobile Arbeitsformen aus Sicht von Betrieben und Beschäftigten: Homeoffice bietet Vorteile, hat aber auch Tücken. ZEW-Expertise/IAB-Kurzbericht 2019

Van der Lippe, T., Lippényi, Z.: Beyond formal access: Organizational context, working from home, and work-family conflict of men and women in European workplaces. Social Indicators Research, 2018

AOK Bundesverband: Arbeiten im Homeoffice: Höhere Arbeitszufriedenheit, aber stärkere psychische Belastungen. Pressemitteilung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zum Fehlzeiten-Report, Berlin, September 2019

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