Freistetters Formelwelt: Dieses Jahr verschwinden die Ringe des Saturn

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Der Planet Saturn ist in der Öffentlichkeit vor allem für sein beeindruckendes Ringsystem bekannt. Schon beim Blick durch ein kleines Teleskop kann man die Ringe erkennen, die ihn umgeben. Aktuell ist dieser Anblick aber eher wenig spektakulär. Und wer im März 2025 zum Saturn blickt, wird die Ringe so gut wie gar nicht mehr sehen können.
Das liegt natürlich nicht daran, dass sie tatsächlich verschwinden. Den Effekt verursachen einerseits die Dynamik der Himmelskörper im Sonnensystem und andererseits die Eigenschaften der Saturnringe selbst. So wie die Erde bewegt sich auch der Saturn um die Sonne und braucht für eine Umrundung gut 29 Jahre. So wie bei der Erde ist auch seine Rotationsachse gegenüber seiner Bahnebene geneigt. Dadurch ändert sich der Winkel, unter dem wir von der Erde aus auf seine Ringe blicken. Alle 14,7 Jahre schauen wir genau auf die Kante des Ringsystems, das dann kaum zu erkennen ist. Und wenn wir, wie im März, zudem die von der Sonne unbeleuchtete Ringseite sehen, sind sie quasi unsichtbar.
Dass die Saturnringe beim Blick auf die Kante zu verschwinden scheinen, liegt aber auch daran, dass sie extrem dünn sind. Trotz ihres Durchmessers von einigen hunderttausend Kilometern sind sie nur ein paar 100 Meter dick. Um das zu verstehen, kann man sich diese Formel ansehen:
Q ist der Safronov–Toomre-Parameter, der eigentlich aus der Untersuchung galaktischer Dynamik stammt. Im Prinzip geht es dabei um die Stabilität einer rotierenden Scheibe aus Gas oder Sternen. Durch die Gravitationskraft will die Materie einerseits in sich zusammenfallen und Klumpen bilden. Dagegen wirken aber die Scherkräfte, die durch die verschiedenen Geschwindigkeiten der Objekte in der Scheibe entstehen. Man kann das Konzept aber auch auf planetare Ringe anwenden. Dann entspricht c der Geschwindigkeitsdispersion der Ringteilchen, Ω der Winkelsgeschwindigkeit der Scheibe und Σ ist die Ringmasse pro Fläche (π und G sind die Kreiszahl beziehungsweise die Gravitationskonstante).
Bei planetaren Ringen liegt der Wert der (dimensionslosen) Zahl Q typischerweise in der Nähe von 1. In diesem Fall wird der klumpende Effekt der Gravitationskräfte durch die Dispersionskraft der Bewegung näherungsweise ausgeglichen. Oder anders gesagt: Der Ring fällt nicht in sich zusammen, um so beispielsweise einen oder mehrere Monde zu bilden. Bei Q ~ 1 kann man aber auch eine Beziehung zwischen Massenverhältnis μ (Ringmasse geteilt durch Saturnmasse), Ringdurchmesser a und Ringdicke h ableiten: h⁄a ~ μ. Daraus lässt sich größenordnungsmäßig eine Ringdicke von einigen Metern bestimmen, was auch den Beobachtungen entspricht.
Woher stammen die Ringe?
Die Ringe des Saturns lassen sich also mathematisch gut beschreiben. Ihren Ursprung kennen wir allerdings immer noch nicht. Sie können jung sein und erst vor ein paar hundert Millionen Jahren durch einen auseinandergebrochenen Mond entstanden sein. Oder aber sie sind Überbleibsel der Planetenentstehung und damit 4,5 Milliarden Jahre alt. Die Beobachtungsdaten sprechen eher für einen Ursprung in der jüngeren Vergangenheit, es gibt jedoch noch jede Menge offene Fragen. Sicher ist, dass die Ringe nicht mehr ewig existieren werden. Die durch den Safronov–Toomre-Parameter beschriebene Stabilität ist nicht perfekt; es stürzen immer wieder Teilchen auf den Saturn und vermutlich sind die Ringe in ein paar hundert Millionen Jahren verschwunden.
Wer das scheinbare Verschwinden im März verpasst, hat übrigens im November 2025 noch einmal die Chance, den Saturn ohne Ringe zu beobachten. Danach wird man bis zum Jahr 2038 warten müssen, bis sich das Phänomen wiederholt. Aber angesichts der Tatsache, dass die Saturnringe nur eine – aus kosmischer Sicht – sehr flüchtige Struktur sind, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, sie dann zu beobachten, wenn sie auch zu sehen sind.
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