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Lexikon der Mathematik: Einheitensysteme der Physik

Gesamtheiten von Einheiten, auf deren Basis „Größen“ Zahlenwerte zugeordnet werden. An sie wird die Forderung gestellt, die Größen „möglichst“ eindeutig darzustellen. Die Einheiten selbst sollen unveränderlich und reproduzierbar sein.

Die Herausbildung von Einheitensystemen zieht sich durch die Jahrhunderte der Entwicklung von Wissenschaft und Technik und kann nie wie Wissenschaft und Technik selbst als abgeschlossen gelten. Einheitensysteme sind so teilweise aus der geschichtlichen Situation und den nationalen Empfindlichkeiten zu verstehen.

Ein Einheitensystem besteht aus Grund- und abgeleiteten Einheiten. Die zu ihnen gehörenden Grundgrößen sollen unabhängig, also nicht durch Gleichungen verbunden sein.

Auf Gauß und Weber geht das in der Mechanik benutzte cgs- (oder mkgs-)System (Centimeter-Gramm-Sekunde-oder Meter-Kilogramm-Sekunde-System) zurück: Länge, Masse und Zeitintervall sind die Grundgrößen des Systems. Die wechselnden Definitionen von 1m (1 Meter) und 1s (1 Sekunde) zeigen den Wandel in den Vorstellungen von der Unveränderlichkeit der eben definierten Einheit. Ursprünglich basierte die Definition dieser Einheiten auf geologischen und astrophysikalischen Erscheinungen, die sich als nicht unveränderlich herausstellten.

Heute wird ihre Definition an atomare Erscheinungen geknüpft: Ein Meter ist bestimmt als 1.650.763,73 Vakuum-Wellenlängen der Strahlung, die Krypton 86 bei Übergängen zwischen dem 2p10- und dem 5d5-Niveau ausstrahlt. Die Sekunde ist die Dauer von 9.192.631.770 Perioden der Strahlung, die beim Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Cäsium 133 ausgestrahlt wird. Diese Definitionen setzten die Konstanz der entsprechenden atomaren Vorgänge voraus. Das trifft sicher für irdische Verhältnisse und Zeitintervalle, die für die menschliche Zivilisation charakteristisch sind, im Rahmen der heute möglichen Meßgenauigkeit zu. Es ist aber auch denkbar, daß atomare Erscheinungen mit der Entwicklung des Kosmos gekoppelt sind.

1 Kilogramm ist die Masse eines Platin(90%)- Iridium(10%)-Zylinders mit Durchmesser und Höhe von 39mm.

Das technische Einheitensystem der Mechanik basiert auf den Grundgrößen Länge, Kraft, und Zeitintervall. In diesem System ist also die Masse mit ihrer Einheit eine abgeleitete Größe.

Wenn man Erscheinungen messend verfolgen will, die über den Rahmen der Mechanik hinausgehen (etwa elektromagnetische Phänomene einzubeziehen hat), dann könnte man versuchen, mit dem cgs-System auszukommen. Dazu braucht man eine Kopplung von mechanischen und elektromagnetischen Erscheinungen, beispielsweise die Kraftwirkung (Mechanik) zwischen zwei Ladungen (Elektromagnetismus) oder die Umwandlung der Energieformen. Das führt dann aber dazu, daß z. B. die Elektrizitätsmenge und die Länge in gleichen Einheiten zu messen sind. Um das zu vermeiden, wurde das cgs-System um weitere Basisgrößen und -einheiten wie etwa Stromstärke und Ampere erweitert. In ähnlicher Weise könnte die für die Thermodynamik fundamentale Größe Temperatur mit dem cgs-System dadurch gekoppelt werden, daß die Temperatur ein Maß für die mittlere kinetische Energie (mechanische Größe) ist.

Im „Internationalen Einheitensystem“ (Systéme International d’Unités, abgekürzt SI) sind die Grundgrößen (Einheiten): Länge (Meter (m)), Masse (Kilogramm (kg)), Zeitintervall (Sekunde (s)), elektrische Stromstärke (Ampere(A)), Temperatur (Kelvin (K)), Lichtstärke (Candela (cd)) und Stoffmenge (Mol (mol)).

In der theoretischen (mathematischen) Physik wird oft das von Planck eingeführte Einheitensystem benutzt, in dem die Newtonsche Gravitationskonstante G, die Vakuumlichtgeschwindigkeit c und die Plancksche Wirkungskonstante h Basiseinheiten sind. Aber auch hier stellt sich die Frage nach der Unveränderlichkeit. Es gibt theoretische Ansätze, die von einer Variabilität von G ausgehen.

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  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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