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Lexikon der Neurowissenschaft: laterale Hemmung

laterale Hemmung w [von latein. lateralis = seitlich], laterale Inhibition, Umfeldhemmung, E lateral inhibition, 1) in der Entwicklungsbiologie Bezeichnung für einen Mechanismus, bei dem eine Zelle alle direkt benachbarten Zellen daran hindert, sich in der gleichen Art zu entwickeln wie sie selbst. Die laterale Hemmung erscheint in der Entwicklung unterschiedlichster Strukturen, wie z.B. der Entwicklung der Ommatidien des Komplexauges oder bei der Spezifizierung neuronaler Vorläuferzellen. Dabei ermöglicht dieser Mechanismus zum einen, daß aus einer großen Zellgruppe mit gleichem Entwicklungspotential nur ein Teil der Zellen entsprechend differenziert wird, und zum anderen, daß diese Zellen dabei in einem räumlich mit gleichmäßigen Abständen versehenen Muster angeordnet werden. Bei der Spezifizierung neuronaler Vorläuferzellen exprimieren zunächst alle Zellen im Neuroektoderm proneurale Gene, d.h., sie haben alle das Potential, Neuroblasten zu werden. Sie exprimieren alle in etwa gleichem Umfang den Notch-Rezeptor (notch) und den Liganden Delta (delta, neurogene Gene). Es wird angenommen, daß durch Zufall eine der Zellen z.B. mehr Delta produziert. Dieses aktiviert daraufhin in allen benachbarten Zellen entsprechend mehr Notch, welches in diesen Zellen zu einer Inhibierung der proneuralen Gene und damit auch Delta führt. Das heißt, diese Nachbarzellen können in der Folge selbst weniger inhibierendes Delta-Signal liefern. Die anfänglich geringe Asymmetrie des Signals wird so verstärkt und stabilisiert sich graduell, was schließlich zu einer vollständigen Inhibition in den Zellen führt ( siehe Abb. 1 ).
2) wechselseitige Inhibition, Prinzip der Erregungsbegrenzung und Kontrastverstärkung durch inhibitorische Beeinflussung benachbarter Nervenzellen oder Rezeptoren. Dadurch beschränkt sich eine Erregung, die durch die Aktivierung einer begrenzten Anzahl peripherer Rezeptoren ausgelöst wurde, auf relativ wenige Neurone, die gleichsam von einem Gürtel gehemmter Neurone umgeben sind. Das Prinzip der lateralen Hemmung wurde in klassischen Untersuchungen am Auge des Pfeilschwanzkrebses erforscht (Limulus). Dort sind die Axone der einzelnen Ommatidien von jedem Auge durch ein laterales neuronales Netz wechselseitig miteinander verbunden. Jedes Ommatidium feuert mit einer Impulsfrequenz, die proportional zur Intensität des einfallenden Lichts ist. Gleichermaßen proportional hemmt ein Ommatidium, das Impulse abgibt, auch die lateral benachbarten Rezeptoren. Die neuronale Grundlage der Kontrastverstärkung basiert darauf, daß ein Rezeptor, der auf der lichtintensiveren Seite, aber unmittelbar an der Kante zu einer lichtschwächeren Seite liegt, weniger laterale Hemmung von seinem Nachbarn auf der schwächer beleuchteten Seite erfährt, als dies für andere Rezeptoren auf der lichtintensiveren Seite der Fall ist ( siehe Abb. 2 ). Andererseits erfährt der unmittelbar an der Kante liegende Rezeptor auf der lichtschwächeren Seite stärkere laterale Hemmung vom benachbarten Rezeptor auf der helleren Seite und feuert deshalb noch schwächer als die anderen Rezeptoren auf der lichtschwächeren Seite. Im akustischen System trägt laterale Hemmung wesentlich zur Frequenzauflösung (Tonhöhenunterscheidung) bei; auch der Tastsinn wird durch laterale Hemmung verfeinert. Hemmung.



laterale Hemmung

Abb. 1: laterale Hemmung in der Differenzierung neuronaler Vorläuferzellen



laterale Hemmung

Abb. 2: Schematische Darstellung der lateralen (Vorwärts-)Hemmung
Zur Veranschaulichung des Prinzips wurde die durch diese Hemmung verursachte Kontrastüberhöhung anhand von Zahlenbeispielen dargestellt. Vereinfachend wurde eine Linearität zwischen Reizintensität und Erregungsgröße angenommen. Die von den Rezeptoren kommende Erregung wird in der Netzhaut an die Ganglienzellen weitergegeben, wobei über Kollaterale gleichzeitig hemmende Interneurone erregt werden. Diese wirken mit einer angenommenen Hemmung von 25% (der Rezeptorerregung) auf die benachbarten Ganglienzellen ein.

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