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Metzler Philosophen-Lexikon: Helmholtz, Hermann von

Geb. 31. 8. 1821 in Potsdam;

gest. 8. 9. 1894 in Berlin

Auf dem Innsbrucker Treffen der deutschen Naturforscher von 1869 verkündet H. das Programm eines kompromißlosen Physikalismus: »Endziel der Naturwissenschaften ist, die allen anderen Veränderungen zugrundeliegenden Bewegungen und deren Triebkräfte zu finden, also sie in Mechanik aufzulösen.« H. richtete sich damit gegen die damals weit verbreitete Macht des Vitalismus in der Physiologie, und er begründete seine Hoffnung auf die Erreichbarkeit einer mechanischen Deutung der Lebensvorgänge mit dem Erfolg, den die Physiker seiner Zeit bei dem Versuch hatten, der Thermodynamik eine mechanische Grundlage zu geben. Leitfaden aller Bemühungen um die angestrebte Reduktion sollte und mußte der Satz von der Erhaltung der Energie sein, den

H. selbst im Rahmen seiner Abhandlung Über die Erhaltung der Kraft im Jahre 1847 entdeckt hatte. Er beruft sich in diesem Aufsatz auf Kant: jede Wissenschaft beruhe auf dem Postulat, daß den natürlichen Änderungen fundamentale Invarianzen zugrunde liegen. Und für die Physik verkörpere gerade das Prinzip der konstanten Energie diese apriorische Forderung.

Als H. seine grundlegende Einsicht beschrieb, war er noch ein junger Arzt. Der epochale Aufsatz zur Erhaltung der Energie markiert seinen ersten Schritt in die Physik. Das reichlich abstrakt gehaltene Manuskript wurde aber zunächst zurückgewiesen, denn »die physikalischen Autoritäten waren geneigt, die Richtigkeit des Gesetzes zu leugnen, und in dem eifrigen Kampfe gegen Hegels Naturphilosophie, den sie führten, auch meine Arbeit für eine phantastische Speculation zu erklären«. Nach seinem ersten physikalischen Versuch veröffentlichte er einige Arbeiten über Fäulnis und Gärung. Sie verhalfen ihm zu einem Lehrstuhl für Pathologie und Physiologie in Königsberg. Hier konstruierte er den ersten Augenspiegel, mit dem die Netzhaut beobachtet werden kann. Damit fand H. »bei Behörden und Fachgenossen bereitwilligste Anerkennung und Geneigtheit für meine Wünsche, so daß ich fortan viel freier den inneren Antrieben meiner Wißbegier folgen durfte«. Er schrieb bald ein Handbuch der physiologischen Optik, in dem er seine Dreifarbenlehre entwickelt und entwarf eine Lehre von den Tonempfindungen, in der er eine Theorie der Kombinationstöne aufstellt und sich bis in die Harmonielehre vorwagt.

Philosophisch hat sich der von Kant beeinflußte H. über Die Tatsachen in der Wahrnehmung (1879) geäußert. Seine Schriften zur Erkenntnistheorie sind erst 1921 von Paul Hertz und Moritz Schlick herausgegeben worden. Denn H. wußte zwar, daß ihm in »den Gebieten, die den Grenzen unseres Wissens näher kommen, mancherlei gelungen« ist, aber er zögerte, »ob ich das Philosophische hinzurechnen darf«, betrachtete er sich doch mehr als Mann der experimentellen Erfahrung. In seinen Überlegungen zur Wahrnehmung betont er ihre doppelte Abhängigkeit sowohl vom erregenden Objekt als auch vom empfangenden Sinnesapparat. Die Empfindung wird damit mehr als nur ein Abbild des anvisierten Gegenstandes, sie wird zu einem Symbol. Bei der Wahrnehmung entsteht somit eine Welt von Symbolen, in der man die naturgesetzliche Struktur der Wirklichkeit wiederfindet. Ausgehend von dieser Überlegung hat H. eine erkenntnistheoretische Grundlegung der physikalischen Forschung versucht.

Krüger, Lorenz (Hg.): Universalgenie Helmholtz. Berlin 1994. – Rechenberg, Helmut: Hermann von Helmholtz. Weinheim 1994. – Goetz, D.: Hermann von Helmholtz über sich selbst. Leipzig 1966. – Hamm, Josef: Das philosophische Weltbild von Helmholtz. Berlin 1937.

Ernst Peter Fischer

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