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Schilddrüse: Was übersieht die Medizin?

Jeden Morgen eine Schilddrüsentablette, und »gut is«? Bei etwa 400 000 Menschen in Deutschland ist Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, nicht ganz so einfach zu behandeln. Sie leiden unter Depressionen oder Antriebslosigkeit, obwohl laut Ärzten alles okay sein müsste.
Traurige Frau sitzt am Fenster

Es ist ein Septembernachmittag, ich sitze im Wartezimmer meines Endokrinologen. Die Tür geht auf, und der Schilddrüsenspezialist bittet mich in den Behandlungsraum. Während wir uns die Hände schütteln, fragt er, wie es mir geht. »Richtig gut«, erwidere ich und erzähle, dass ich mich ausgeschlafen fühle und tagsüber Energie und Motivation verspüre. Das war nicht immer so.

Wie zahlreiche andere Menschen habe ich die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis, die nach dem Arzt, der sie entdeckte, benannt wurde und oft einfach Hashimoto genannt wird. Wie viele Menschen genau von der Krankheit betroffen sind, ist nicht ganz eindeutig. In der kaukasischen Bevölkerung wird der Anteil der Erkrankten auf etwa ein bis zehn Prozent geschätzt, die meisten davon sind Frauen. Je älter man wird, desto wahrscheinlicher ist es, an Hashimoto zu erkranken.

Bei Hashimoto zerstören körpereigene Zellen das Schilddrüsengewebe. Das führt früher oder später dazu, dass sich eine Unterfunktion entwickelt: Die Schilddrüse stellt lebenswichtige Hormone nicht mehr in ausreichender Menge her. Benötigt werden diese zum Beispiel für Stoffwechsel, Knochenaufbau, Verdauung und das psychische Wohlbefinden. Ursächlich behandelbar ist Hashimoto nicht. Stattdessen schlucken die Betroffenen jeden Morgen eine Tablette, die mindestens eines der essenziellen Schilddrüsenhormone ersetzt. Die Dosis wird individuell anhand von Blutwerten regelmäßig angepasst. Bei den meisten Patienten funktioniert das.

Antriebslosigkeit trotz guter Laborwerte

Doch einige Menschen mit Hashimoto klagen trotz guter Laborwerte über Symptome wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gewichtszunahme und Depression. Viele der Symptome sind Anzeichen für eine andauernde Unterfunktion der Schilddrüse. In zahlreichen Internetforen und Selbsthilfegruppen etwa auf Facebook liest man von Menschen, die sich mit ihren Beschwerden von Ärzten ignoriert fühlen. Dort boomt der Rat von Mitleidenden, die alternative Behandlungsmethoden vorschlagen: eine Ernährungsumstellung, Nahrungsergänzungsmittel, die Einnahme höherer Hormondosen oder gar tierischer Schilddrüsenhormone.

Als Hashimoto-Patientin bin ich vor allem eines: verunsichert. Soll ich darauf vertrauen, dass mein Arzt die Erkrankung richtig behandelt? Warum fühle ich mich trotz optimaler Laborwerte nicht wirklich gut? Ist an dem Rat der Leidensgenossen im Internet vielleicht etwas dran? Oder ist dieser womöglich gefährlich? Bei der Suche nach Antworten auf meine Fragen für diese Recherche helfen mir zwei der führenden Hashimoto-Experten in Deutschland.

Doch zunächst zurück ins Behandlungszimmer: Mein Arzt dreht den Bildschirm so, dass ich auch auf die Tabelle mit den Laborwerten schauen kann. Alle drei bis sechs Monate werden bei mir die Blutwerte der Schilddrüsenhormone TSH, Thyroxin und Trijodthyronin kontrolliert. Thyroxin wird häufig als T4 abgekürzt und Trijodthyronin als T3. Allein der Wert für TSH ist in der Tabelle fett markiert, er liegt außerhalb des Normalbereichs. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon, welches die Schilddrüse anregt, Hormone wie T4 herzustellen.

Thermostat für die Schilddrüse

Man kann diesen Prozess mit einer Heizung vergleichen, die von einem Thermostat gesteuert wird, um eine bestimmte Zimmertemperatur zu erreichen. Das Thermostat ist in diesem Fall der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, welcher die Konzentrationen der Schilddrüsenhormone im Blut – genau wie das Thermostat die Zimmertemperatur – überprüft. Abhängig davon, wie hoch die Hormonkonzentration ist, gibt der Hypothalamus der Hirnanhangdrüse ein Signal, die TSH-Herstellung beizubehalten, anzukurbeln oder zu drosseln. Das bedeutet, je höher das Blutlevel der Schilddrüsenhormone, desto niedriger der TSH – und umgekehrt.

Mein TSH-Wert liegt laut dem Laborbericht, den ich an jenem Septembernachmittag mit dem Arzt bespreche, bei 0,15 mIU pro Liter (die Einheit bedeutet milli-international units). Laut Labor sollte der TSH bei 0,55 bis 4,78 mIU pro Liter liegen. Die Blutkonzentrationen der Schilddrüsenhormone T3 und T4 sind jedoch normal. Mein Arzt empfiehlt, die tägliche Hormondosis zu senken, um auch den Wert des TSH in den Normalbereich anzuheben.

Doch ich bin unsicher, denn nach jahrelanger Anpassung der Dosis der T4-Tabletten, die ich jeden Tag einnehme, fühle ich mich nun endlich wohl. Ein paar Jahre zuvor nahm ich innerhalb weniger Monate zirka 15 Kilo zu, und war zeitweise antriebslos. Das geht nicht nur mir so. Schätzungen zufolge haben etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Menschen, die T4 einnehmen, keine gute Lebensqualität. Allein in Deutschland betrifft dies um die 400 000 Menschen. Oft sind die Symptome, von denen sie berichten, – wie in meinem Fall – etwas uneindeutig: Gewichtsprobleme sowie Gefühle wie ständige Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf, Energielosigkeit und Trägheit sind häufig, in manchen Fällen treten Depressionen und Angststörungen auf.

Messen die Ärzte einen sinnvollen Marker?

Mein Endokrinologe konzentriert sich, wie viele Ärzte, auf den TSH-Wert, um die für Hashimoto-Patienten richtige Dosis der Hormontabletten zu bestimmen. Kann man sich auf den TSH verlassen? Zumindest in den Internetforen ist das umstritten. Damit starte ich meine Recherche.

Der TSH sei ein guter Marker, um zu erkennen, ob der Körper mit ausreichend Schilddrüsenhormonen versorgt wird, sagt mir Joachim Feldkamp, Endokrinologe und Chefarzt am Klinikum Bielefeld. Feldkamp ist außerdem in der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie tätig und hat einen Ratgeber zu Hashimoto geschrieben. »Wenn der Patient keine besonderen Beschwerden hat, reicht der TSH, um zu gucken, ob die Einstellung gut ist«, meint er.

Doch Johannes Dietrich, Oberarzt für Endokrinologie am Bergmannsheil in Bochum, dem Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum, hat auch andere Erfahrungen gemacht: »Viele Ärzte sagen leider, das TSH ist in Ordnung, dann stellen Sie sich mal nicht an. Aber das ist völlig falsch, und geht an der Realität vorbei.« Dietrich und weitere Schilddrüsenforscher nennen dieses Phänomen Syndrom T: Menschen mit Syndrom T haben keine gute Lebensqualität, obwohl ihre Schilddrüsenhormone im Rahmen des Referenzbereichs liegen.

Problem Labor-Referenzbereiche

Sich bei der Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion zu stark auf den TSH zu verlassen, kann schon auf Grund der Definition der Referenzbereiche für Blutwerte problematisch werden. Labore legen diese fest, indem sie das Blut von hunderten gesunden Menschen kontrollieren. Der Referenzbereich, der sich daraus für einen Marker ergibt, umfasst jedoch nicht alle, sondern 95 Prozent der erhaltenen Werte. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die TSH-Werte von durchschnittlich fünf Prozent der gesunden Bevölkerung außerhalb des festgelegten Referenzbereiches liegen.

Außer dem statistischen Problem ergibt sich noch ein anderes: Welche Menschen wählt man überhaupt für die Messung des TSH-Referenzbereiches aus? Erhöhte TSH-Werte sind hier zu Lande häufig und müssen oft gar nicht behandelt werden. Endokrinologen sind sich uneinig darüber, ob man diese Menschen ausschließen und den Referenzbereich nur anhand der richtig Gesunden festlegen oder ob man alle Menschen dafür in Betracht ziehen sollte, die keine Schilddrüsenhormone einnehmen. Hinzu kommt: Die durchschnittlichen TSH-Werte sind in unterschiedlichen Ländern und Regionen verschieden, sie sind zum Beispiel abhängig von Ernährung, Stress und Alter.

»Wahrscheinlich ist es überhaupt zu einfach, mit einem Parameter wirklich die Schilddrüsenfunktion abschätzen zu können«
Johannes Dietrich

»Aber ich glaube, dass man da noch ein bisschen weitergehen muss«, sagt Dietrich während unseres Telefonats. »Wahrscheinlich ist es überhaupt zu einfach, mit einem Parameter wirklich die Schilddrüsenfunktion abschätzen zu können.« TSH und T4 hängen nämlich nicht, wie man einmal angenommen hat, linear zusammen. Mit anderen Worten: Das T4 steigt nicht zwangsläufig in demselben Maß an, wie das TSH abnimmt, und umgekehrt. Die Beziehung zwischen den zwei Hormonen lässt sich stattdessen in erster Näherung in einer exponentiellen Kurve darstellen. Der TSH-Idealwert liegt häufig dort, wo sich die Kurve am meisten krümmt. Bei jedem Menschen verläuft die Kurve etwas anders – der TSH-Idealwert ist also individuell verschieden. Nur: Hat man Hashimoto, kennt man in der Regel seinen TSH-Wert im gesunden Zustand nicht. Ein TSH, der laut Arzt ideal ist und innerhalb des Referenzbereiches liegt, könnte weit entfernt vom persönlichen Idealwert sein.

Das wäre ein möglicher Grund dafür, warum ich mich mit einem TSH-Wert unterhalb des Referenzbereiches gut fühle. Joachim Feldkamp würde dem jedoch nicht zustimmen. Seiner Erfahrung nach gibt es einige Hashimoto-Patienten, die sich mit niedrigen TSH-Werten am besten fühlen – agil und leistungsfähig. »Aber meine These ist, dass das eigentlich Doping ist«, so Feldkamp. »Damit ist man quasi in einer künstlichen Situation, in der man sich mehr Schilddrüsenhormon zuführt, als eine gesunde Schilddrüse produzieren würde.«

Tatsächlich ist es nicht ungefährlich, über längere Zeit zu hohe Konzentrationen von Schilddrüsenhormonen im Blut zu haben. Niedrige TSH-Werte wurden in der Vergangenheit oft mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Genau deswegen ist vielen Endokrinologen unwohl dabei, Patienten auf geringen TSH-Leveln zu belassen. Schilddrüsenspezialisten aus Rotterdam zeigten jedoch, dass das Risiko für Vorhofflimmern nicht bei niedrigen TSH-Werten, sondern bei hohen T4-Werten steigt.

Zusammenhänge wurden bisher übersehen

Die so genannte Rotterdam-Studie basiert auf Daten von knapp 10 000 Probanden, die älter als 45 Jahre waren und im Schnitt über sieben Jahre untersucht wurden. Interessanterweise zeigte sich, dass eine Herzrhythmusstörung schon bei T4-Werten innerhalb des Referenzbereiches wahrscheinlicher wurde – nämlich dann, wenn diese im oberen Viertel lagen. Die T4-Werte wurden in früheren Studien gar nicht berücksichtigt, der Zusammenhang schlicht übersehen.

In Zukunft müssen Ärzte über den idealen TSH-Wert ihrer Patienten vielleicht nicht mehr nur spekulieren. Denn Dietrich hat zusammen mit Kooperationspartnern aus den Niederlanden und Singapur ein Verfahren entwickelt, um den persönlichen TSH-Idealwert per Simulation zu rekonstruieren. Dafür müssen bei einem Patienten über einen Monat hinweg mehrmals die TSH- und T4-Werte bestimmt werden. Mit Hilfe eines Programms kann man die exponentielle Funktion, welche den Zusammenhang zwischen TSH und T4 beschreibt, an die gemessenen Werte angleichen und den TSH-Idealwert abschätzen.

Obwohl das Modell eine starke Vereinfachung der tatsächlichen Schilddrüsenfunktion ist, zeigen Pilotstudien, dass es die individuellen TSH-Idealwerte bei Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen zuverlässig findet. Dietrich und seine Kollegen bereiten derzeit weitere Studien vor, die überprüfen sollen, ob sich die Lebensqualität einer großen Gruppe Hashimoto-Patienten wirklich langfristig verbessert, wenn man ihre Tabletten gemäß simuliertem TSH-Idealwert dosiert.

T3-Werte sind oft zu niedrig

Doch wahrscheinlich ist es auch nicht damit getan, nur den TSH auf den Idealwert einzustellen. Ein weiterer Faktor, der zum Syndrom T beitragen könnte, sind geringe Level eines anderen wichtigen Schilddrüsenhormons, Trijodthyronin oder T3. Die meisten Hashimoto-Patienten nehmen nur Levothyroxin ein, also Tabletten mit synthetisch hergestelltem T4. Denn T3 kann sich in der Schilddrüse aus T4 bilden sowie in der Leber und im Fettgewebe. Trotzdem sind die T3-Werte bei Hashimoto-Patienten oft zu niedrig.

Studien, die vor etwa 15 Jahren erschienen sind, deuteten nicht darauf hin, dass sich die Lebensqualität der Patienten verbesserte, wenn sie sowohl T3 als auch T4 einnahmen. Diese Behandlungsform ist nicht weit verbreitet, von vielen Ärzten wird T3 gar nicht kontrolliert. Diese früheren Untersuchungen sind wahrscheinlich nicht zuverlässig. Dietrich bemängelt an den Studien etwa, dass den Probanden zu viel T3 gegeben worden sei, und das zu selten. Während man einen gleichmäßigen T4-Spiegel erreicht, wenn man einmal täglich eine Tablette einnimmt, sollte man T3-Tabletten zweimal am Tag einnehmen, zeigen neue Erkenntnisse. Seit 2012 empfiehlt auch die Fachgesellschaft European Thyroid Association, bestimmten Menschen mit einer Schilddrüsenunterfunktion zusätzlich zu den T4- auch T3-Tabletten zu geben. Dietrich hat seitdem einige seiner Patienten auf diese Kombination umgestellt; und die, berichtet er, würden alle eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität feststellen.

Außer suboptimalen Schilddrüsenhormonleveln gibt es noch weitere mögliche Erklärungen für das Syndrom T: Ein Hashimoto-Patient könnte etwa eine andere Autoimmunerkrankung entwickelt haben, oder es könnte ein Nährstoffmangel vorliegen. Nicht selten haben Hashimoto-Patienten zu niedrige Eisen-, Vitamin-D- oder Selenlevel im Blut – alle drei Nährstoffe spielen eine wichtige Rolle für die Funktion der Schilddrüse. Wissenschaftler sind sich allerdings bisher nicht einig darüber, ob es Hashimoto-Patienten tatsächlich hilft, die Nährstoffe per Nahrungsergänzungsmittel aufzustocken. Aber schaden sollte dies nicht.

Ernährungsumstellung gegen Hashimoto ist »Pseudowissenschaft«

Von einer Ernährungsumstellung hält Joachim Feldkamp derweil nichts. »Das ist Pseudowissenschaft«, meint er zu den im Netz kursierenden Ratschlägen, dass der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel wie Milchprodukte, Fleisch, Soja und Gluten die Hashimoto-Erkrankung verbessern und deren Symptome lindern würde. Feldkamp behandelt einige Hashimoto-Patienten, die durch eine glutenfreie Ernährung ungeliebte Pfunde losgeworden seien. Das liege wahrscheinlich daran, dass diese Menschen seitdem schlichtweg weniger Kohlenhydrate zu sich nähmen, und nicht am Weglassen des Glutens, meint er. Möglichkeiten, die Autoimmunerkrankung aufzuhalten, gebe es momentan leider nicht.

Was könnte Menschen, die am Syndrom T leiden, sonst noch helfen? In Diskussionsgruppen und Informationsseiten im Internet werden manchmal natürliche Schilddrüsenhormone empfohlen. Das naturidentische Schilddrüsenextrakt wird aus den Schilddrüsen von Schweinen gewonnen. Doch diese Alternative zu den chemisch hergestellten Hormontabletten ist riskant. Erstens entspricht das Verhältnis der im Extrakt der Schweineschilddrüsen enthaltenen T3- und T4-Hormone nicht unbedingt dem eigenen Bedarf. Aber ein anderer Aspekt wiegt noch viel schwerer: Das Schweineextrakt enthält auch andere Schilddrüsenhormone wie Thyronamine, reverses Trijodthyronin (rT3) und so genanntes 3,5-Dijodthyronin (3,5-T2). Vereinzelt wirken diese viel stärker als die klassischen T3- und T4-Hormone, und die Auswirkungen einer Überdosierung sind bisher kaum erforscht.

Eine Studie von Dietrich zeigte etwa, dass erhöhte 3,5-T2-Werte im Blut die Gefahr für Vorhofflimmern deutlich vergrößern. Das Tückische dabei: Derzeit kann man die unbekannteren Schilddrüsenhormone im Blut gar nicht über ein Arztlabor bestimmen lassen. Das bedeutet, dass man sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant erhöhen könnte, wenn man natürliches Schilddrüsenextrakt einnimmt, ohne sich dessen auch nur bewusst zu sein.

»Die Patienten, die trotz normalem TSH eine schlechte Lebensqualität haben, spinnen nicht, sondern haben ein gesundheitliches Problem«
Johannes Dietrich

Medizinischer Rat aus dem Internet ist daher auch im Fall von Hashimoto mit großer Vorsicht zu genießen. Trotzdem suchen viele Menschen mit Syndrom T genau dort nach Hilfe, weil sie der Meinung sind, diese von ihren Ärzten nicht ausreichend zu bekommen. »Die Patienten, die trotz normalem TSH eine schlechte Lebensqualität haben, spinnen nicht, sondern haben ein gesundheitliches Problem«, sagt Schilddrüsenspezialist Dietrich. Ein Arzt sollte dem Patienten mit Hashimoto genau zuhören und dessen Beschwerden ernst nehmen, findet er. Nur: Warum machen die meisten Menschen mit Syndrom T bei ihren regelmäßigen Arztbesuchen ganz andere Erfahrungen?

Das könnte daran liegen, dass sich lange Zeit nur wenige Mediziner für Dietrichs Forschung interessiert haben. Viele würden sich nicht mit den relativ komplexen mathematischen Modellen der Schilddrüsenfunktion auseinandersetzen wollen, meint Dietrich. Insgesamt ist die Studienlage zu Hashimoto zudem recht dünn. Man weiß zum Beispiel noch nicht, warum und wie die Krankheit überhaupt entsteht und wie sich der Entzündungsprozess im Detail auf die Funktion der Schilddrüse auswirkt. »Generell kann man immer nur zu wenig forschen, aber im Fall des Syndrom T ist es wirklich ein ganz großes Problem, da so viele Menschen davon betroffen sind«, sagt Dietrich.

Außerdem ist die Methode, die Dietrich erfunden hat, um den persönlichen TSH-Idealwert zu finden, zeit- und kostenaufwändiger als die direkte Dosisanpassung gemäß TSH. Das sei in der Fünf-Minuten-Medizin nicht machbar, so Dietrich. Allerdings könnte es sich langfristig finanziell doch lohnen, Patienten mit Syndrom T von ihren Beschwerden zu befreien. Denn das würde dem Gesundheitssystem häufige Arztbesuche und -wechsel sowie Folgekosten wie Antidepressiva und Krankschreibungen ersparen.

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