Direkt zum Inhalt

Liebe: Ist mein Partner ein Narzisst?

Zunächst können sie charmant und anziehend wirken, aber wenn die Beziehung enger wird, zeigen Narzissten ihre unangenehmen Seiten. Dennoch muss nicht jede Beziehung mit einem Narzissten scheitern.
Junger Schönling mit Frau, die ihn anbetet

Wie hält es Melania Trump mit Donald Trump aus? Wie fand Klaus Kinski insgesamt drei Ehefrauen? Wie kommt es also, dass Menschen mit narzisstischen Zügen anscheinend nicht so abschreckend wirken, wie man es erwarten würde?

Der Psychologieprofessor Mitja Back von der Universität Münster und seine Forscherkollegen haben herausgefunden, warum viele hochgradig narzisstische Menschen begehrt sind – und was sie auf Dauer dann doch zu unangenehmen Partnern macht. Back und seine Kollegen führen das auf zwei typische Eigenschaften zurück. Die eine ist ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung: Narzisstische Personen wollen von anderen bewundert werden und verhalten sich entsprechend. Sie versuchen deshalb, einzigartig zu erscheinen, selbstbewusst und dominant, aber auch charmant aufzutreten. Nicht selten stechen sie aus der Menge hervor, unterhalten mit ihren Geschichten eine ganze Party.

»Narzisstischen Menschen fällt es leicht, andere kennen zu lernen und Beziehungen anzubahnen. Sie sind charismatisch, meist humorvoll und strahlen Selbstbewusstsein aus«, sagt Mitja Back. In Unterhaltungen wirkten sie sehr »präsent«, gut gelaunt, gingen oft auf andere zu – lauter Eigenschaften, die beim ersten Kontakt das Eis brechen.

»Sie geben dir das Gefühl, dass du etwas ganz Besonderes sein musst, weil sie dich ausgewählt haben«
Lisa Firestone, promovierte Psychologin und Autorin

Das zeigt auch eine noch unveröffentlichte Studie von Back und Kollegen. Beim Speeddating etwa wollten sich Frauen eher ein zweites Mal mit Männern treffen, die sich selbst als narzisstisch beschrieben. Andersherum galt das jedoch in dieser Studie nicht: Frauen, die narzisstisch waren, kamen bei den Männern weniger gut an. In weiteren Untersuchungen ergab sich ein ähnliches Bild, sei es bei persönlichen Begegnungen oder beim Betrachten kurzer Videos, in denen sich die Teilnehmer vorstellten: je narzisstischer die Männer, desto attraktiver erschienen sie den Frauen.

»Sie geben dir das Gefühl, dass du etwas ganz Besonderes sein musst, weil sie dich ausgewählt haben«, erklärt die US-Psychologin Lisa Firestone in einem Beitrag auf der Onlineplattform Psychalive. Viele Menschen, die in langen Beziehungen mit narzisstischen Menschen waren, berichten laut Firestone von einem leidenschaftlichen und aufregenden Anfang – und einem steilen Absturz im Anschluss.

Leicht kränkbar und aggressiv

Dahinter steckt die andere Seite von Narzissmus: die Neigung zum Konkurrenzdenken. Das offenbart sich besonders in Streitsituationen, wie Mitja Back und seine Kollegen aus den Angaben von befragten Pärchen herauslasen. »Wer starke narzisstische Tendenzen hat, ist leicht kränkbar, fühlt sich schnell auf den Schlips getreten. Diese Personen reagieren auf Kritik oftmals arrogant oder auch aggressiv und überschreiten verbale Grenzen«, erklärt der Psychologe. Eine Untersuchung von Back und seinem Team mit mehr als 2100 Teilnehmern legt nahe, dass ausgeprägtes Konkurrenzverhalten eine Langzeitbeziehung gefährden kann. Narzisstische Probanden waren weniger zufrieden mit ihrer Beziehung, berichteten eher von Konflikten und einer schwächeren Bindung. Nach Auseinandersetzungen reagierten sie seltener versöhnlich und häufiger mit Racheakten oder anderen wenig konstruktiven Verhaltensweisen.

»Sie legen nicht viel Wert auf enge Beziehungen, haben eher große Netzwerke und viele Bekanntschaften. Das macht es ihnen leicht, untreu zu sein und Partnerschaften nicht so ernst zu nehmen«
Mitja Back, Professor für psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie

Eine weitere dunkle Seite von Narzissten offenbart ein anderer Teil der genannten Studienreihe von Back und Kollegen. Sie befragten mehr als 360 Paare zwischen 16 und 66 Jahren zu ihrer Beziehung und zu Persönlichkeitsmerkmalen. Ergebnis: Narzissten und Narzisstinnen mit Hang zu Rivalität waren häufiger untreu. »Sie legen nicht viel Wert auf enge Beziehungen, haben eher große Netzwerke und viele Bekanntschaften. Das macht es ihnen leicht, untreu zu sein und Partnerschaften nicht so ernst zu nehmen. Denn sie haben Alternativen«, sagt Back. Das müsse ein Partner eventuell aushalten können und damit rechnen, dass es sich nicht um eine exklusive Zweierbeziehung handelt.

Ein zusätzlicher Punkt, den die Untersuchung verdeutlichte: Narzisstische Menschen werden im Streit eher übergriffig, sie werfen mit Schimpfworten um sich und verhalten sich herablassend. Aus anderen Erhebungen ist auch bekannt, dass sie dazu neigen, den anderen zu kontrollieren, schnell eifersüchtig werden und sich manipulativ verhalten, um ihren Willen durchzusetzen.

Wie verhält sich ein narzisstischer Partner?

Egozentrisch. Die Gespräche drehen sich vor allem um seine Person. Er hält meist die Zügel in der Hand, und sollte die Konversation von seinen Erlebnissen und Gedanken abweichen, führt er sie recht schnell wieder darauf zurück. Seine Ansichten sind die einzig richtigen und seine Bedürfnisse die wichtigeren.

Rücksichtslos. Die Bedürfnisse, Gedanken oder Gefühle anderer sind für Narzissten nicht bedeutsam. Sie missachten gesellschaftliche Regeln, halten sich nicht an Vereinbarungen, neigen zum Beispiel dazu, sich Geld oder andere Dinge zu leihen, ohne sie zurückzugeben. Zugleich zeigen sie wenig Bedauern für Fehltritte, wälzen gar die Schuld für eigene Missgeschicke oder Verfehlungen auf den anderen ab und vermitteln vielmehr ihrem Gegenüber Schuldgefühle.

Drohend. In Auseinandersetzungen drohen sie damit, den Partner bei anderen schlechtzumachen oder zu verlassen. Auf Kritik reagieren sie sehr aggressiv, verbal und vereinzelt auch körperlich.

Manipulativ. Um etwas zu bekommen, können Narzissten sehr charmant sein, Komplimente machen und ihre Partner um den Finger wickeln. Im nächsten Moment wecken sie womöglich negative Gefühle, um Aufmerksamkeit zu erhalten oder sich mächtig zu fühlen. In Beziehungen dient das auch dazu, den anderen zu verunsichern. Partner von Narzissten fragen sich oftmals, ob sie vom anderen überhaupt geliebt werden.

Abwertend. Sie selbst können mit Kritik nicht umgehen, teilen aber kräftig aus. Sie suchen bei anderen nach Fehlern und werfen sie ihnen vor. Sie buttern andere unter und geben ihnen das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Ein solches Verhalten hat tiefe Wurzeln. Narzisstische Menschen scheinen über ein großes Ego zu verfügen, doch hinter dem grandiosen Selbstbild verbergen sich bei den meisten von ihnen Unsicherheit und Selbstzweifel, so eine verbreitete Theorie. Die daraus erwachsenden Verhaltensweisen stehen einer guten Beziehung im Weg. »Menschen mit narzisstischen Zügen sind zu Beginn durchaus eine gute Partie. Dauert die Beziehung an, wird es schwierig. Das muss dann zwischen den beiden Partnern passen«, sagt Back.

Tatsächlich rätseln Forscher noch, wer eigentlich gut mit einem narzisstischen Menschen auskommt. Denn es gibt durchaus Narzissten in Langzeitbeziehungen, worauf auch Backs Untersuchungen hinweisen. »Die Personen sind ja nicht per se beziehungsunfähig. Wir sprechen von Verhaltenstendenzen, nicht von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung«, erklärt Back. Bei Letzterer handelt es sich um einen ausgeprägten Narzissmus, der das Alltagsleben und die Beziehungsfähigkeit deutlich einschränkt.

75 Prozent der Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung sind männlich; generell neigen Männer eher zu narzisstischen Zügen als Frauen. Das lässt sich unter anderem auf die Geschlechterrollen zurückführen: Männer versuchen häufiger, zu imponieren oder die Oberhand zu gewinnen. Die Vermutung liegt nahe, dass sich das auch in der Dynamik gleichgeschlechtlicher Beziehungen mit einem narzisstischen Partner niederschlägt. Doch bislang gibt es keine Studien dazu, ob sich Narzissmus in homo- und heterosexuellen Beziehungen unterschiedlich auswirkt.

Partner als Trophäen

Wer passt nun aber zu einem narzisstischen Menschen? Was hält zum Beispiel Melania bei Donald Trump? »Gleich und Gleich gesellt sich gern« – diese Volksweisheit bestätigt eine neuere Studie von Michael Grosz, Mitja Back und Kollegen. In zwei Befragungen mit insgesamt mehr als 1500 Probanden fühlten sich vor allem Selbstverliebte zueinander hingezogen. »Wenn beide Partner hochnarzisstisch sind und mit ihrem Ego und ihren Erfolgen strahlen, kann das gegenseitig beflügeln«, erklärt Back. Zwei Narzissten bildeten häufig eine Art Vorzeigepärchen; beide sind füreinander eine Art Trophäe.

Aber auch wenn einer weniger narzisstisch ist, kann die Zweisamkeit anhalten. Back vermutet: »Narzisstische Menschen können in bestimmten Bereichen sehr erfolgreich sein, etwa im Beruf. Das bringt natürlich für den Partner Ressourcen mit sich, wie Geld und Status. Manchen genügt das dann als Ausgleich«, sagt der Persönlichkeitspsychologe.

»Unsichere Menschen können sich durchaus an der Seite eines Narzissten wohlfühlen, denn der nimmt ihnen viel ab«
Aline Vater, promovierte Psychologin und Psychotherapeutin

Demgegenüber steht die Annahme, dass sich vor allem selbstunsichere Menschen zu narzisstischen Menschen hingezogen fühlen, dass sich also Gegensätze anziehen. »Unsichere Menschen können sich durchaus an der Seite eines Narzissten wohlfühlen, denn der nimmt ihnen viel ab, ist dominant und trifft Entscheidungen, die unsicheren Personen schwerfallen«, sagt die Psychotherapeutin Aline Vater. Sie hat zu Narzissmus promoviert und behandelt heute in ihrer Praxis Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Wenn ein Partner etwa berufliche oder finanzielle Sorgen habe, seien narzisstische Lebensgefährten nicht selten eine große Unterstützung. »Sie können sich dann als Helfer, als Retter aufspielen«, sagt Vater. Unsichere Menschen könnten auf diese Weise jedoch in eine Abhängigkeit geraten.

Vater hat ebenfalls beobachtet, dass narzisstische Menschen durchaus dauerhafte Beziehungen haben können. »Es kommt auch darauf an, welche weiteren Kompetenzen jemand mitbringt.« Er oder sie könne sehr narzisstisch sein und sich zugleich sozial kompetent verhalten, zum Beispiel humorvoll und mitfühlend. »Dann kann eine Partnerschaft zeitweise gut funktionieren«, sagt Vater. Die Frage sei zudem, was der nicht narzisstische Partner brauche. »Ist das jemand, der nicht viel Wert auf eine gute Kommunikation legt, dann bemerkt er oder sie vielleicht nicht so leicht, dass der andere wenig einfühlsam ist, und kommt damit einige Zeit gut zurecht«, so die Einschätzung von Vater.

»Viele wissen um ihre Wirkung nach außen, aber es ist ihnen egal. Aus ihrer Sicht sind sie nun mal so und eben etwas Besonderes«
Mitja Back

Narzissten selbst holen sich selten Hilfe. »Viele wissen um ihre Wirkung nach außen, aber es ist ihnen egal. Aus ihrer Sicht sind sie nun mal so und eben etwas Besonderes«, erklärt Back. Aline Vater behandelt jedoch auch Patienten, die unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wahrhaft leiden, weil sie deshalb Probleme in Beruf, Partnerschaft oder anderen Lebensbereichen haben. »Die meisten von ihnen sind nicht oder nur zeitweise in Beziehungen. Sie haben große Schwierigkeiten, Intimität zuzulassen«, sagt sie. Denn sich nahezukommen, würde auch persönliche Schwächen offenlegen, und das würden sie unbedingt verhindern wollen. »Es ist ihre größte Furcht, dass Makel sichtbar werden und das nach außen dargestellte grandiose Selbstbild ins Wanken kommt«, so Vater.

Die meisten kommen aber nicht auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur in Behandlung, sondern weil sie enorme Probleme mit ihrem sozialen Umfeld haben, weil Freundschaften und Beziehungen zerbrechen und andere sich von ihnen abwenden, was sie sehr kränkt. »Hinter dem Grandiositätsstreben steht meist die Annahme, nicht liebenswert zu sein oder dafür Leistung erbringen zu müssen«, erklärt die Psychotherapeutin. Es könne sehr qualvoll sein, nach diesen Glaubenssätzen zu leben. Viele Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung seien in einem wenig liebevollen, wenig wertschätzenden Umfeld aufgewachsen. »Das nach außen übergroße Ego ist eine Bewältigungsstrategie, um Scham und Selbstzweifel zu kompensieren«, erklärt Vater.

»Hilft das alles nicht, braucht es radikale Akzeptanz des Zustands oder ein Ende der Beziehung«
Aline Vater

Auch wenn die Partner von Narzissten unter deren Verhalten leiden, schaffen sie es doch nicht, die Beziehung zu beenden. Was können sie tun? »Sich anpassen oder sich trennen«, sagt Paartherapeutin Aline Vater und erklärt: Wenn jemand sich in Situationen mit dem Partner meist unwohl oder nicht wahrgenommen fühlt, sei der erste Schritt, das anzusprechen, und der zweite, sich professionelle Hilfe zu holen. Ist der Partner wenig einfühlsam, ließe sich das teils über Freunde ausgleichen, die zuhören und bei Problemen das Feedback geben, das der Partner nicht geben kann. »Hilft das alles nicht, braucht es radikale Akzeptanz des Zustands oder ein Ende der Beziehung«, sagt Vater.

Die Paar- und Familientherapeutin Darlene Lancer rät auf dem US-Selbsthilfeportal PsychCentral, sich selbst zu fragen: Fühle ich mich wertgeschätzt, respektiert und umsorgt? Werden meine Bedürfnisse erfüllt? Wenn nicht, beeinflusst das mich und meinen Selbstwert? Und wenn es so ist: Was kann ich dann tun?

Die US-Psychologin Firestone ermutigt Frauen und Männer, sich in allen Situationen und Lebensbereichen gleichberechtigt zu verhalten und den Partner als ebenbürtig zu behandeln. Und wenn das nicht genügt, nicht die erhoffte Wirkung hat? Ihr Rat: »Sei kein Opfer.«

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.