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Coronastudie aus Baden-Württemberg: Coronavirus bei Kindern

Forscher präsentieren die vorläufigen Ergebnisse einer Studie zum Corona-Infektionsgeschehen bei Kindern unter zehn Jahren: Diese erkranken seltener an Covid-19 als Erwachsene, was zumindest darauf hindeutet, dass sie das Virus weniger verbreiten.
Kinder mit Schutzmaske

Bei vielen Infektionskrankheiten wie etwa Grippe treiben besonders Kinder das Infektionsgeschehen an. Ob das bei Covid-19 auch gilt, ist bislang nicht geklärt. Nun haben Forscher der Universität Heidelberg und der Universität Ulm die vorläufigen Ergebnisse der bislang größten Studie zum Infektionsgeschehen bei Kindern vorgestellt. Wie sie auf einer Pressekonferenz berichteten, erkrankten in Baden-Württemberg Kinder unter zehn Jahren offenbar deutlich seltener an Covid-19 als Erwachsene. Die Ergebnisse würden daher zumindest darauf hindeuten, dass Kinder keine »Treiber« des Infektionsgeschehens seien. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte auf Basis der Ergebnisse an, die Kitas und Grundschulen ab dem 29.06.2020 wieder regulär zu öffnen, begleitet von intensiven Testungen des Lehr- und Betreuungspersonals. Eine Schulpflicht wird es aber in Baden-Württemberg bis zu den Sommerferien nicht geben.

Die Wissenschaftler hatten für ihre Studie 2500 Elternteil-Kind-Paare – also insgesamt 5000 Personen – aus Baden-Württemberg sowohl auf das Virus als auch auf Antikörper untersucht. Die Resonanz auf den Aufruf, sich zu beteiligen, sei sehr groß gewesen, innerhalb von nur drei Tagen hätte man genügend Teilnehmer gehabt, so die Forscher. Nur zwei der getesteten Personen wiesen eine aktive Viruserkrankung auf, was einem Anteil von weniger als einem Promille entspricht. Insgesamt fanden die Wissenschaftler bei 49 Eltern und 19 Kindern Antikörper gegen das neue Coronavirus im Blut. Es könnte also sein, dass die Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren, bei Kindern weniger als halb so groß ist wie bei Erwachsenen. Von den untersuchten Kindern war ein Viertel während der coronabedingten Einschränkungen in Notbetreuung. Die Wissenschaftler fanden allerdings keine Hinweise darauf, dass sie dadurch eher an Covid-19 erkrankten als Kinder, die permanent zu Hause geblieben sind. Die Forscher betonten jedoch, dass ihre Ergebnisse nicht final klären, wie infektiös Kinder tatsächlich seien. Um das herauszufinden, brauche es weitere Untersuchungen.

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Dass Kinder seltener erkranken und bei einer Infektion tendenziell mildere Symptome haben als Erwachsene, liege vermutlich an verschiedenen Gründen: Kinder haben einen wichtigen Rezeptor nicht, den das Virus nutzt, um in die Zellen des Körpers zu gelangen. Außerdem funktioniert das angeborene Immunsystem noch besser als im Erwachsenenalter. Auch die adaptive Immunantwort, bei der die T-Zellen das Virus bekämpfen, arbeitet effizienter. Darüber hinaus entwickeln Kinder deutlich seltener überschießende Entzündungsreaktionen, die häufig für die Todesfälle bei Covid-19 verantwortlich sind.

Die Gesamtzahl der Antikörperpositiven – also derjenigen, die die Erkrankung bereits durchgemacht hatten – entspricht einem Anteil von 1,3 Prozent. Von einer Herdenimmunität, für die rund 60 Prozent der Bevölkerung eine Covid-19-Erkrankung durchmachen müssten, sind wir in Deutschland also offenbar noch weit entfernt.

Die Forscher betonen, dass es sich bei den präsentierten Ergebnissen um einen vorläufigen Bericht handelt und nicht um eine abgeschlossene Studie. Die spezielle Situation rechtfertige es aber, die Ergebnisse bereits zu präsentieren. Wichtig sei, dass stets die wissenschaftlichen Qualitätsstandards eingehalten werden. Sie glauben nicht, dass andere Studien vollkommen Gegenteiliges herausfinden würden. Planmäßig soll die Publikation Anfang Juli fertig sein und in einem Fachjournal eingereicht werden. Dann wird die Arbeit in einem ausführlichen Peer-Review-Prozess von Experten kritisch überprüft werden.

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