Alternative Biochemie: DNA funktioniert auch ohne »Element des Lebens«

Kohlenstoff gilt als unverzichtbares Element des Lebens – doch möglicherweise ist diese Annahme nicht ganz richtig. Man kann nämlich den Kohlenstoff im Erbmolekül DNA vollständig durch andere Elemente ersetzen, ohne dessen fundamentale Eigenschaften zu verändern. Zu diesem Ergebnis kommen Piotr Skurski und Jakub Brzeski von der Universität Gdańsk anhand von Computersimulationen. Wie die Chemiker nun in der Fachzeitschrift »Physical Chemistry Chemical Physics« berichten, verhält sich eine DNA, in der Bor und Stickstoff die Kohlenstoffatome ersetzen, ganz ähnlich wie das Original. Die Entdeckung könnte einerseits völlig neue Typen von Medikamenten und anderen Wirkstoffen denkbar machen – andererseits eröffnet sie die Möglichkeit, dass Leben auf anderen Planeten eben doch eine ganz andere Chemie haben könnte.
In DNA bilden Zucker und Phosphat das Rückgrat, während die Nukleobasen wie Adenin durch ihre molekularen Wechselwirkungen zwei Stränge zur berühmten Doppelhelix vereinen. Sowohl Zucker als auch Nukleobasen bestehen zu beträchtlichen Teilen aus Kohlenstoff. Um diesen zu ersetzen, ohne dass sich Form und Eigenschaften des Moleküls ändern, müssen die Ersatzatome nicht nur die Bindungen, sondern auch die Verteilung der Elektronen bewahren. Wie die beiden Chemiker zeigen, leistet das eine Kombination von Bor und Stickstoff. Der Trick ist, dass Stickstoff fünf Außenelektronen hat und Bor drei – Kohlenstoff hat vier. In geeigneter Kombination verhalten sie sich daher wie zwei Kohlenstoffatome mit je vier Bindungselektronen. Mit Hilfe von Computermodellen zeigten die Fachleute, dass sowohl die Einzelbausteine der DNA als auch DNA-Abschnitte durch solch einen Elementaustausch ihre Struktur nicht verändern. Eine kurze Doppelhelix aus zwölf Basenpaaren behielt ebenfalls die erwartete Struktur.
Lediglich der Drehwinkel der Helix war ein bisschen größer als bei natürlicher DNA, und wie die Simulationen nahelegen, bindet sie an bestimmte Moleküle stärker. Solche Ähnlichkeit zu Biomolekülen bei gleichzeitig leicht veränderten Eigenschaften deuten darauf hin, dass Moleküle mit Stickstoff-Bor-Skelett als neue Wirkstoffe interessant sein könnten, die zum Beispiel langsamer im Körper abgebaut werden. Ebenso spricht es dafür, dass komplexe Chemie, die zu Bausteinen des Lebens führt, auch auf dieser Basis möglich sein könnte. Die Sache hat allerdings einen kleinen Schönheitsfehler: Die simulierten Bor-Stickstoff-Moleküle enthalten meist lange Ketten aus Stickstoff, die extrem instabil sind. Die DNA ohne Kohlenstoff würde als echtes Molekül daher wohl bei der kleinsten Störung explodieren.
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