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Flauschige Killer: Hauskatzen fressen so ziemlich alles

Sie sind nicht wählerisch und bedrohen die Artenvielfalt: Laut einer Übersichtsstudie verspeisen Hauskatzen die Individuen von mehr als 2000 Tierarten. Darunter auch gefährdete Spezies.
Katze hat Vogel erlegt
Vögel, Mäuse, Maulwürfe, Ratten, aber auch Meeresschildkröten und Emus – auf dem Speiseplan der Hauskatzen stehen mehr als 2000 verschiedene Tierarten.

Geht es um invasive Arten, ist meist die Rede von exotischen Tieren wie Pythons, asiatischen Karpfen oder den großen Aga-Kröten. Doch nur wenige biologische Eindringlinge haben Ökosysteme derart verändert wie einer unserer kuscheligsten Gefährten: die Katzen.

Trotz ihrer kleinen Statur und ihres flauschig-schnurrenden Verhaltens sind Hauskatzen (Felis catus) perfekt angepasste Killer, bewehrt mit ausfahrbaren Krallen und scharfen Reißzähnen sowie der Fähigkeit, nachts zu sehen. Und die Raubtiere sind nicht wählerisch: In den vergangenen 9000 Jahren haben Menschen Katzen, die sehr wahrscheinlich während der frühen Jungsteinzeit im Vorderen Orient domestiziert wurden, auf der ganzen Welt verbreitet. In der Folge haben sich die Stubentiger in der einheimischen Tierwelt auf allen Kontinenten außer der Antarktis gütlich getan.

Ein Forscherteam hat nun ausgewertet, wie viele und welche Arten auf der Speisekarte der Hauskatzen stehen. Ihre Datenbank veröffentlichte die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Nature Communications« – diese umfasst mehr als 2000 Arten, die bisher von Freigänger-Katzen gefressen wurden. Fast 350 dieser Arten sind vom Aussterben bedroht, mehrere sind bereits ausgestorben. »Wir kennen kein anderes Säugetier, das so viele verschiedene Spezies frisst«, sagt der Hauptautor der Studie Christopher Lepczyk, Ökologe an der Auburn University. »Sie sind nahezu wahllose Fresser; sie verschlingen alles, was verfügbar ist.«

Fleischfresser mit großem Appetit

Weil viele Menschen Katzen sehr mögen, sind die Vierbeiner die am weitesten verbreiteten Tiere der Welt. Und als reine Fleischfresser, die keine pflanzliche Nahrung verdauen können, sind Haus- und verwilderte Katzen ständig auf der Suche nach lebender Beute oder Aas. Seit mehr als einem Jahrhundert untersuchen Forschende daher, was Katzen an Nahrung bevorzugen. Die meisten dieser Studien befassen sich jedoch mit Ökosystemen in gut untersuchten Regionen wie Nordamerika und Australien. Und in den häufigsten Fällen geht es um weitgehend bekannte Beutetiere wie kleine Säuger und Vögel.

Um diese Forschungslücke zu schließen, analysierten Lepczyk und sein Team mehr als 530 wissenschaftliche Abhandlungen, Bücher und Berichte aus einem Zeitraum von mehr als 100 Jahren. Daraus entstand die bisher größte Datenbank über die Futtervorlieben von Katzen. Anschließend ordnete das Forscherteam die verschiedenen Beutetiere nach taxonomischen Gruppen, um eine Übersicht über die Bandbreite der gefressenen Tiere zu bekommen.

Die Forscher dokumentierten insgesamt 2083 von Katzen verzehrte Tierarten. Viele davon waren Vögel (981 Arten), Reptilien (463) oder Säugetiere (431), aber auch Insekten (119), Amphibien (57) und andere Gruppen befinden sich darunter. Obwohl gängige Beutetiere wie Mäuse, Ratten, Spatzen und Kaninchen in der wissenschaftlichen Literatur häufig auftauchen, fand das Team zudem Belege dafür, dass Katzen – eher unerwartet – auch Grüne Meeresschildkröten, Emus und sogar Rinder erbeuteten.

»Katzen sorgen weiterhin für einen Rückgang der Populationen, und es ist unvermeidlich, dass noch mehr aussterben, wenn wir die Katzen nicht in den Griff bekommen«Sarah Legge, Wildtierökologin, Charles Darwin University

Die Forscher glichen ihre Daten mit der Roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature) ab, um den Status der einzelnen Beutespezies zu bestimmen. Ihr Ergebnis: 347 Arten, die nachweislich von Katzen gefressen wurden, gelten als potenziell gefährdet, als gefährdet (einschließlich einiger, die stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind) oder als in der Natur ausgestorben. Bei vielen dieser Arten handelt es sich um kleine Vögel, Säugetiere und Reptilien, die auf Inseln beheimatet sind, aber keine natürlichen katzenartigen Feinde haben. Folglich können sie den Hauskatzen wenig entgegensetzen. Elf in der Studie erfasste Arten, darunter die Hawaiikrähe (Corvus hawaiiensis), die Neuseeländische Schwarzbrustwachtel (Coturnix novaezelandiae) und die Weißfußkaninchenratte (Conilurus albipes), werden inzwischen als in der Natur ausgestorben oder als ausgestorben eingestuft.

»Die Studie bestätigt erneut, dass Katzen das ultimative, agile Universalraubtier sind«, sagt die Wildtierökologin Sarah Legge von der australischen Charles Darwin University, die nicht an der neuen Studie beteiligt war. Legge untersucht, wie Katzen die australische Tierwelt beeinflussen. Sie hält die Raubtiere für eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt Australiens. »Katzen sorgen weiterhin für einen Rückgang der Populationen, und es ist unvermeidlich, dass noch mehr aussterben, wenn wir die Katzen nicht in den Griff bekommen«, fügt sie hinzu. »Die einheimische Fauna Australiens kann einem solchen vielseitigen Raubtier, das sich noch dazu relativ schnell fortpflanzen kann, nicht standhalten.«

Was überrascht: Sogar Lepczyk hält die Zahlen seiner Studie für eher konservativ. »Wir haben zwar jetzt eine Vorstellung davon, was Katzen fressen, doch wir vermuten, dass sie noch viel mehr fressen«, sagt der Ökologe. Obwohl nur etwas weniger als sechs Prozent der von Katzen gefressenen Arten Insekten seien, geht Lepczyk davon aus, dass die tatsächliche Anzahl höher liege. Denn anders als bei Federn oder Säugetierknochen sei es schwierig, Insektenreste in Katzenmägen und -kot zu identifizieren.

Neue Erkenntnisse zu Fressgewohnheiten der Katzen womöglich verzerrt

Möglicherweise verzerren auch die bisherigen Untersuchungsgebiete die Ergebnisse. Die meisten Studien über die Fressgewohnheiten von Felis catus wurden bislang in Australien oder Nordamerika durchgeführt. Daher tauchen in der neuen Datenbank vor allem Tiere auf, die auf diesen Kontinenten heimisch sind. Lepczyk ist überzeugt davon, dass künftige Forschungen auch für artenreiche Regionen in Südamerika, Asien und Afrika eine Vielzahl an von Katzen erbeuteter Tiere ergeben werden.

Selbst wenn die neue Liste noch nicht vollständig ist, hofft Lepczyk, dass Naturschützern und politischen Entscheidungsträgern mit der Datenbank eine gute Grundlage vorliegt, die Katzeninvasion einzudämmen. »Katzen sind ein Problem, das wir lösen können«, sagt er, vor allem, wenn die Tiere nicht mehr als Freigänger durch die Natur und Städte streifen können. »Letztendlich muss aber der Mensch ein verantwortungsvoller Tierhalter sein.«

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