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Floating PV: Was schwimmende Solarzellen leisten

Auch für Deutschland bescheinigen Experten schwimmenden Sonnenkraftwerken beträchtliches Potenzial. Denn sie sparen Platz und Wasser zugleich.
Schwimmendes Solarkraftwerk in der Provinz Anhui, China
In China wurden bereits umfangreiche Solarkraftwerke auf dem Wasser installiert. Diese Anlage in der Provinz Anhui soll 130 Megawatt liefern. Auch Deutschland könnte noch stärker auf diese Technologie setzen, sagen Fachleute.

Hinter dem rasanten Zubau der Erneuerbaren, den die Welt gerade erlebt, steht vor allem eine Technologie, die mit ihren blauschwarz glänzenden Flächen zunehmend die heimische Dachlandschaft prägt: die Fotovoltaik. Doch je beeindruckender ihr Wachstum, desto drängender die Frage nach dem weiteren Platz für die Solarmodule. Wohin mit den Abermillionen Paneelen, nach denen die Energiewende noch verlangt?

Zwar sind Europas Dachflächen noch lange nicht ausgereizt, und auch in der Freifläche gibt es noch erhebliches Potenzial. Dennoch lohnt es sich, den Blick auf alternative Aufstellorte zu richten.

Zum Beispiel auf das Wasser. Hinter dem Begriff »Floating PV« – schwimmende Fotovoltaik – steckt die im Grunde naheliegende Idee, die Module auf dem Wasser unterzubringen. Nicht »offshore« auf dem offenen Ozean, sondern in Seen, Staubecken und anderen Kleingewässern, auf denen es in puncto Wellengang eher moderat zugeht. »Wir haben in Deutschland einen hohen Flächenverbrauch«, meint Konstantin Ilgen, Doktorand am Fraunhofer Institut ISE in Freiburg, »deswegen macht es Sinn, mit den Fotovoltaikanlagen auf das Wasser zu gehen.«

Aber nicht nur in Deutschland, überall, wo der Platz knapp ist, kann die Technik ihre Vorteile ausspielen. In einem Stadtstaat wie Singapur zum Beispiel sind die Grundstückspreise so hoch, dass ein klassischer Solarpark kaum je ökonomisch betrieben werden könnte. Auch hier böte sich ein teilweiser Umzug aufs Wasser an.

Hinzu kommt: Bringt man die Paneele zum Schwimmen, ergeben sich ganz eigene Vorteile für die Erzeugung von Sonnenstrom. Es gibt bereits die Vision, mit einem einzigen See in Afrika wie etwa dem ägyptischen Nassersee den gesamten Strombedarf des Kontinents durch Fotovoltaik zu decken. Modellrechnungen zeigen, dass das theoretisch möglich wäre.

Doch davon ist man aktuell noch weit entfernt. In Deutschland sind derzeit Anlagen auf dem Wasser installiert, die alles in allem 21 Megawatt Peak (also 21 Megawatt unter idealen Umgebungsbedingungen) liefern. Das ist nicht viel. Eine einzelne Offshore-Windenergieturbine der neuesten Generation liefert bereits rund 15 Megawatt in der Spitze. Allerdings tut sich einiges: Ungefähr das Dreifache der heute schon installierten Leistung befindet sich zurzeit in der Genehmigungs- oder Bauphase.

Stapellauf für Solarmodule

Wo sich Anlagenbetreiber für Floating PV entschieden haben, dürften neben dem Platzbedarf noch weitere Trümpfe der Technik eine Rolle gespielt haben. So ist es deutlich einfacher, den Kraftwerken das Schwimmen beizubringen, als sie auf Dächer zu montieren, denn die konstruktiven Besonderheiten entfallen.

Floating PV in ehemaligem Tagebau | Im Frühjahr 2025 soll planmäßig Deutschlands größtes schwimmendes Solarkraftwerk in Betrieb gehen. Dafür hat der Energieversorger LEAG auf dem Cottbuser Ostsee mehr als 51 000 Solarmodule auf rund 1800 Schwimmkörpern montiert. Die Anlage soll mit einer Nennleistung von 29 Megawatt Peak genug Strom für 8000 Haushalte liefern.

PV-Anlagen zu Wasser ähneln ihren Geschwistern an Land, werden aber an Schwimmern oder Pontons befestigt. Diese bestehen aus HDPE, einem Hartkunststoff, der, luftgefüllt, für den notwendigen Auftrieb sorgt. Die Bandbreite der genutzten Konstruktionen ist allerdings groß, denn das Optimum ist noch nicht gefunden. Kleinere Anlagen werden in der Regel an den Ufern befestigt, größere auch am Seegrund verankert.

Sollen PV-Module auf einem Dach befestigt werden, dann ist häufig ein kostspieliges Gerüst notwendig. Das ist bei der Floating PV einfacher. Zunächst werden die Module an Land montiert. Anschließend erfolgt der Stapellauf der Schwimmkörper, danach werden die Fotovoltaikmodule an das Stromnetz angeschlossen. Eine aufwändige statische Berechnung, wie sie für die Dachfotovoltaik erforderlich wäre, ist nicht nötig.

Auch die Physik hilft den Stromerzeugern. In der prallen Sonne werden Fotovoltaikmodule normalerweise extrem heiß. Das geht auf Kosten der Energieeffizienz, die Stromausbeute nimmt ab. Schwimmt ein solches Modul auf einem See, kühlt das Wasser von unten, auf großen Gewässern auch der Wind von oben. Laut Fraunhofer-Fachmann Ilgen steigert das die Energieeffizienz bei der Stromerzeugung um fünf Prozent, in manchen Regionen auch um mehr.

Hinzu kommen Synergieeffekte: Der Betreiber eines Kieswerks könnte beispielsweise auf den Baggerseen, die er produziert, Floating-PV-Anlagen installieren, um einen Teil seines Stroms für die Maschinen direkt selbst zu erzeugen. Noch günstiger ist die Ausgangslage bei Wasserkraftwerken. Dort gibt es nicht nur bereits eine große, gut zugängliche Wasserfläche, sondern auch den passenden Netzanschluss zum Transport von Energie.

Weniger Verdunstung spart Wasser

Ein echter Doppelnutzen tritt auf, wo die Energie der Sonne bisher störend war. Insbesondere bei den großen Stauseen in Afrika, China und Südamerika, aber nicht nur dort. In den heißen Gegenden verdunstet die Sonne kostbares Wasser aus den Stauseen, was der Landwirtschaft Probleme bereiten und obendrein die Ausbeute im Kraftwerk reduzieren kann. Wenn schwimmende Solarstrommodule die Oberfläche bedecken, schirmen sie die Wasseroberfläche ab, reduzieren den Wasserverlust und erzeugen gleichzeitig noch Strom.

Es gibt jedoch auch Einschränkungen. Insbesondere die Randstreifen setzen das Potenzial der schwimmenden Kraftanlagen herab. Entlang der Ufer können Bäume Schatten werfen, die den Ertrag erheblich verringern. Dazu kommt der Bewuchs durch Wasserpflanzen. Und schließlich ist es im Uferbereich oft schlicht und ergreifend zu flach. Laut gesetzlichen Vorgaben dürfen in Deutschland darum maximal 15 Prozent einer Gewässerfläche für Floating PV in Anspruch genommen werden. Vom Ufer müssen die Anlagen mindestens 40 Meter entfernt sein.

Und dennoch: Großes Potenzial ist vorhanden. So haben es das Fraunhofer-Institut und der Energieversorger RWE in einer aktuellen Studie berechnet. Selbst unter strengen technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Randbedingungen kommen sie auf eine Spitzenleistung von 1,8 Gigawatt Peak bei Südausrichtung der Solarmodule beziehungsweise 2,5 Gigawatt Peak bei Ost-West-Ausrichtung, die auf Deutschlands Binnenseen installiert werden könnten.

Das wäre ungefähr eine Verzehnfachung der aktuell installierten Leistung und würde rein rechnerisch ein bis zwei Kohlekraftwerke überflüssig machen.

Ihr wahres Potenzial könnte die Floating PV aber in anderen Weltregionen entfalten. Laut Planspielen, in denen die Technik in ganz anderen Größenordnungen aufgezogen wird, könnte Floating PV sogar geostrategische Bedeutung erlangen. Im Zentrum der Überlegungen steht der Nil. Afrikas längster Strom ist eine Lebensader für Äthiopien, Sudan und vor allem Ägypten. Zur Stromerzeugung aus Wasserkraft hat Äthiopien dort mit dem Grand Ethiopian Renaissance Dam einen gewaltigen Staudamm konstruiert, dessen Wasserkraftwerke bald eine Leistung von sechs Gigawatt erbringen sollen. In nur drei Jahren ließ Äthiopien den Stausee volllaufen, indem es Wasser aus dem Blauen Nil zurückbehielt. Das wiederum führte zu diplomatischen Konflikten mit dem flussabwärts gelegenen Ägypten, das Äthiopien vorwarf, zu viel Wasser für sich zu nehmen.

Floating PV im Megamaßstab

Hätte Äthiopien schon während der Befüllung auf eine umfangreiche schwimmende Solarstromanlage gesetzt, hätte es die Befülldauer strecken können, ohne auf erste Erträge verzichten zu müssen. Statt der Turbinen hätte dann die Fotovoltaik frühzeitig Strom geliefert.

Überdies ist Äthiopien nicht das einzige Land, das einen Damm quer durch den Nil gezogen hat. Auch Ägypten selbst betreibt mit dem Assuan-Staudamm ein Wasserkraftwerk der Superlative. Der riesige Stausee bedeckt eine Fläche von fast 6000 Quadratkilometern.

Bislang speisen die mit dem Damm verbundenen Wasserkraftwerke jedes Jahr ungefähr zehn Terawattstunden Strom ins Netz ein. Als das Kraftwerk in Betrieb genommen wurde, vor etwa 50 Jahren, deckte es fast die Hälfte von Ägyptens Strombedarfs. Heute entspricht sein Anteil nurmehr zehn Prozent der Stromerzeugung des Landes.

Würde man schon einen relativ kleinen Teil der Wasserfläche mit schwimmenden Solarzellen belegen, könnte man noch einmal genau so viel Energie erzeugen wie mit den aktuell dort arbeitenden Wasserkraftwerken: 100 Quadratkilometer Solarfläche würden genügen. Das sind keine zwei Prozent der Wasserfläche und nur zwei Drittel der im Jahr 2023 in Deutschland zugebauten Fotovoltaikfläche.

Doch das Gedankenspiel lässt sich noch weitertreiben, wie es ein Team um Konstantin Ilgen in einer Studie getan hat. Bereits zehn Prozent der Fläche des Stausees mit schwimmenden Fotovoltaikanlagen zu belegen, würde ausreichen, um die Abhängigkeit Ägyptens vom Erdgas zu minimieren und den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix von 12 auf 95 Prozent zu erhöhen.

Und das wäre erst der Anfang, denn eine Belegung von 45 Prozent der Wasseroberfläche mit Floating PV könnte theoretisch ausreichen, um den gesamten derzeitigen Strombedarf des afrikanischen Kontinents von etwas mehr als 700 Terawattstunden pro Jahr zu decken. Hinzu käme, nicht zu vergessen, der Zugewinn an Wasser auf Grund der reduzierten Verdunstung: Für jedes Kilowatt Peak installierter Floating-PV-Leistung würden knapp 8000 Liter mehr jedes Jahr im See verbleiben, kalkulierte das Team.

Solche Visionen einer Nutzung der afrikanischen Sonne haben lange Tradition. Seit Anfang der 2000er Jahre werden etwa im Rahmen des Projekts Desertec entsprechende Ideen ausgearbeitet. Bei Desertec sollte der Strombedarf Afrikas oder Europas durch gewaltige Sonnenkraftwerke in der Sahara gedeckt werden. Berechnet wurde damals unter anderem, dass ein quadratisches solarthermisches Kraftwerk mit 125 Kilometern Kantenlänge in der algerischen Wüste ausreichen würde, um den gesamten Strombedarf Europas zu decken.

Was geschieht mit den Seen?

Verglichen mit solchen Megaprojekten wäre die Installation schwimmender Solarzellen auf dem Assuan-Stausee ein vergleichsweise niedrigschwelliges Vorhaben. Weil es auf vorhandener Infrastruktur wie etwa den Stromtrassen aufbaut, könnte man einfach klein beginnen und die Flächen nach Bedarf und Finanzlage wachsen lassen.

Blick über den Nassersee | Der Assuan-Stausee, auch Nassersee genannt, könnte ganz Afrika mit Sonnenstrom versorgen – zumindest theoretisch.

Schwimmende Fotovoltaik auf dem Assuan-Stausee sei lohnend – politisch, wirtschaftlich und technisch, meint auch Eicke Weber, unter anderem Vorsitzender der Kommission für Energie und nachhaltiges Wirtschaften beim Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft und ehemaliger Institutsleiter des Fraunhofer ISE. Politisch, weil ein solches Projekt helfe, erneuerbaren Strom über den Bedarf Ägyptens hinaus zu produzieren. Wirtschaftlich, weil der Strom nach bisherigen Erfahrungen für zirka zwei Cent pro Kilowattstunde bereitgestellt werden könne – und das dank der Kombination mit nächtlichem Hydrostrom sogar rund um die Uhr, was wiederum technisch beispielhaft wäre. Auch würde es die Notwendigkeit zum Bau neuer Wasserkraftwerke verringern und damit weiter Druck von den begrenzten Süßwasserressourcen im Norden Afrikas nehmen.

So scheint die schwimmende PV einer sonnigen Zukunft entgegenzutreiben, sofern sich nicht noch unerwartete Hindernisse auftun. Eine offene Frage betrifft die langfristige Haltbarkeit der Module auf dem Wasser. Eine andere die Auswirkungen der schwimmenden Solarkraftwerke auf ihr feuchtes Milieu. Die Paneele schatten das Wasser ab, es wird dunkler und kühler im See, auch streicht der Wind nicht mehr direkt über die Wasseroberfläche.

Was das mit dem See anstellt, wird ebenfalls am Fraunhofer ISE erforscht. Manche Gewässer könnten durchaus von der teilweisen Abdeckung profitieren, insbesondere jene, die sich in Trockenperioden stark erwärmen und zum Umkippen neigen. Der abgebremste Wind hingegen reduziert die Durchmischung und begünstigt somit eher ein Aufheizen. Am Ende wird wohl nur die weitere Erfahrung zeigen, an welchen Stellschrauben man bei der Floating PV drehen muss, damit die Solarzellen – und nur diese – baden gehen.

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