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Indonesien: Steht hier eine Pyramide aus der letzten Eiszeit?

Wissenschaftler wollen Hinweise auf eine rund 27 000 Jahre alte Pyramide gefunden haben: im Untergrund von Gunung Padang auf der Insel Java. Die Forschergemeinde ist höchst skeptisch.
Die megalithische Stätte Gunung Padang auf der Insel Java.
Gunung Padang sei »eine erstaunliche, wichtige und coole Stätte«, sagt der Archäologe Bill Farley von der Southern Connecticut State University. Ob darunter aber das älteste von Menschenhand errichtete Bauwerk schlummert, ist umstritten.

Es sei die älteste Pyramide der Welt, vor ungefähr 27 000 Jahren errichtet im heutigen Indonesien. Zu diesem Ergebnis über die Stätte Gunung Padang kommen die Autoren einer jüngst erschienen Studie. Doch das Fazit ruft nicht nur bei einigen Archäologen Skepsis hervor, sondern auch bei der Fachzeitschrift, die das Paper veröffentlichte: Sie soll nach Informationen von »Nature« nun eine Untersuchung veranlasst haben.

Der Artikel, der am 20. Oktober 2023 in der Zeitschrift »Archaeological Prospection« erschienen ist, sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die wichtigste These der Forschergruppe um Danny Hilman Natawidjaja von der indonesischen National Research and Innovation Agency lautet: Unter der prähistorischen Stätte von Gunung Padang in Westjava liegt eine Pyramide, die womöglich vor rund 27 000 Jahren errichtet wurde. Damit wäre der vermeintliche Bau viel älter als die erste monumentale Pyramide in Ägypten – König Djoser ließ sie vor zirka 4700 Jahren in Sakkara erbauen. Viel mehr noch: Sollte das Team um Natawidjaja richtigliegen, dann wäre Gunung Padang älter als die früheste bekannte megalithische Stätte von Göbekli Tepe in der Türkei. Die Steinkreise aus T-förmigen Pfeilern dürften vor zirka 11 000 Jahren entstanden sein.

Kurzum: Eine derart alte Pyramide in Gunung Padang würde die Geschichte der Zivilisation vollkommen umschreiben. »Die Pyramide ist zu einem Symbol für fortgeschrittene Kulturen geworden«, sagt Studienautor Danny Hilman Natawidjaja. »Es ist nicht einfach, Pyramiden zu bauen. Dafür ist ein hohes Maß an bautechnischen Fähigkeiten nötig.«

Doch genau solche Äußerungen beeindrucken viele Forscherkollegen nicht. Etwa den Archäologen Lutfi Yondri, der ebenfalls an der National Research and Innovation Agency im indonesischen Bandung arbeitet. Seine Forschungen hätten gezeigt, so der Wissenschaftler, dass sich die Menschen in der Zeit von vor 6000 bis 12 000 Jahren in Höhlen aufhielten. Das heißt aber, lange nach dem angeblichen Bau der Pyramide hätte man in der Region noch keine Behausungen errichtet. Zudem habe bislang keine Ausgrabung Belege zu Tage gefördert, dass die Menschen damals über das nötige Knowhow für die Steinmetzarbeit verfügt hätten.

»Ich bin überrascht, dass [die Studie] in dieser Form veröffentlicht wurde«, sagt Flint Dibble, Archäologe an der Cardiff University. Obwohl die Forschergruppe »legitime Daten« vorlegen würde, so Dibble, seien die Schlussfolgerungen über die Stätte selbst und ihr Alter nicht gerechtfertigt.

Was steckt im Inneren von Gunung Padang?

Gunung Padang besteht aus fünf Steinterrassen sowie Stützmauern und Verbindungstreppen, die sich über einem erloschenen Vulkan erheben. Zwischen 2011 und 2014 untersuchten Natawidjaja und seine Kollegen die Stätte mit verschiedenen Prospektionsmethoden, um in das Innere der Terrassen zu blicken. Sie identifizierten vier Schichten, die ihres Erachtens verschiedenen Bauphasen entsprechen. Bei der innersten Schicht handelt es sich um einen Kern aus steingewordener Lava, der »sorgfältig bearbeitet« wurde, wie es in der Studie heißt. Darüber lägen Steinschichten, die wie Ziegelsteine angeordnet seien. Die Schichten datierte die Forschergruppe mit Hilfe der 14C-Methode: Sie ließ das Alter der Sedimente bestimmen, die zwischen den Steinen steckten und mit einem Bohrkern hervorgeholt wurden. Die erste Bauphase fand demnach vor 16 000 bis 27 000 Jahren statt. Weitere Aufschüttungen seien dann in der Zeit von vor 7500 bis vor 8000 Jahren erfolgt. Die letzte Schicht, zu der die sichtbaren Stufenterrassen gehören, habe man vor zirka 3100 bis 4000 Jahren angelegt.

Laut Dibble fehlen jedoch eindeutige Belege dafür, dass die Schichten im Untergrund einst von Menschenhand aufgetürmt wurden. Sie könnten nämlich ebenso das Ergebnis natürlicher Verwitterungsvorgänge sein. Vielleicht waren die Steine auch den Hang hinabgerollt und an bestimmten Stellen zu liegen gekommen. Natawidjaja widerspricht. Die säulenförmigen Steine seien zu groß und lägen zu geordnet im Boden, als dass sie einfach dorthin gerollt sein könnten. »Die sauber angeordneten, bearbeiteten und massiven Felsen, von denen einige bis zu 300 Kilogramm wiegen, machen es unwahrscheinlich, dass sie [auf natürliche Weise] über größere Entfernungen verschoben wurden.«

Gunung Padang | Menschen haben die Terrassen und Mauern der Stätte Gunung Padang, die sich auf der Insel Java befindet, vermutlich irgendwann im 1. Jahrtausend errichtet.

Die Autoren berichten zudem, dass sie einen Stein in Form eines Dolches gefunden hätten. Er weise eine ausgeglichene geometrische Form auf, die absichtsvoll entstanden sei. Zudem stehe das »Material nicht mit den umliegenden Felsen in Zusammenhang, was auf einen menschlichen Ursprung hindeutet«, sagt Natawidjaja. Dibble hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass Menschen den Stein formten. Es gäbe keine Anzeichen für »eine Bearbeitung oder irgendetwas, was darauf hindeutet, dass er von Menschenhand gemacht wurde«, erklärt Dibble.

Dank an einen Publizisten umstrittener Thesen

Die Fundstätte Gunung Padang war 2022 Thema in der Netflix-Serie »Ancient Apocalypse«. Der britische Schriftsteller Graham Hancock, der die Doku moderierte, vertritt darin die umstrittene Idee, dass eine fortgeschrittene Zivilisation vor 12 000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit unterging. Nun bedanken sich die Forschenden um Natawidjaja am Ende ihrer Studie bei ebenjenem Hancock, dass er ihre Arbeit gegengelesen habe.

Für Natawidjaja bezeugt Gunung Padang, dass die Menschen vor dem Ende der letzten Eiszeit in der Lage waren, komplexe Bauten aus Stein zu errichten – »das macht es zu einem sehr interessanten Denkmal«.

Anderer Ansicht ist der Archäologe Bill Farley von der Southern Connecticut State University in New Haven. Seines Erachtens legt die Studie keine Beweise dafür vor, dass in Westjava während der letzten Eiszeit eine fortgeschrittene Zivilisation existierte. Das würden auch die 27 000 Jahre alten Bodenproben aus Gunung Padang nicht untermauern. Sie seien zwar korrekt datiert, enthielten aber keine Spuren menschlicher Aktivitäten wie Holzkohle oder Knochen. Archäologische Forschungen haben außerdem gezeigt, dass Jäger und Sammler erstmals am Beginn des Holozäns ihre Lebensweise veränderten, also vor zirka 11 700 Jahren. Zu jener Zeit entstanden auch die Rundanlagen von Göbekli Tepe. Und die älteste bekannte Stadt ist die 9000 Jahre alte Stätte von Çatalhöyük in der heutigen Türkei.

Dem Fachjournal wurde womöglich mulmig

Die Verantwortlichen der Zeitschrift »Archaeological Prospection« und der Verlag Wiley haben inzwischen eine Untersuchung zum Artikel eingeleitet. Eileen Ernenwein, archäologische Geophysikerin an der Tennessee State University in Johnson City und Mitherausgeberin des Fachblatts, erklärte in einer E-Mail an »Nature«: »Die Redakteure, mich eingeschlossen, und das Ethikteam von Wiley untersuchen diese Arbeit derzeit in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Committee on Publication Ethics.« Die Forscherin lehnte es allerdings ab, genauer zu erläutern, welche Bedenken die Untersuchung nötig machten.

Unabhängig davon ist Farley überzeugt, dass man Gunung Padang als das anerkennen sollte, was es ist – »eine erstaunliche, wichtige und coole Stätte«. Weniger sollte hängen bleiben, dass dessen Geschichte für ein bestimmtes Narrativ der Zivilisationsentstehung herhalten muss.

Natawidjaja hofft indes, dass die Kontroverse etwas Positives mit sich bringt und nicht zu Animositäten in der Forschergemeinschaft führen wird. »Wir sind wirklich offen – für jeden Forscher aus der ganzen Welt, der nach Indonesien kommt und ein Forschungsprogramm auf Gunung Padang durchführen möchte«, erklärt Natawidjaja. »Denn wir wissen erst sehr wenig über unsere Kulturgeschichte.«

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