Invasive Arten: Monstermäusen geht es an den Kragen
Um das Jahr 2005 machten die beiden Wissenschaftler Ross Wanless und Andrea Angel von der University of Cape Town auf Gough eine gruselige Entdeckung: Sie beobachteten, wie Mäuse die Jagd auf Albatrosküken lernen. Sie attackieren die Jungvögel, obwohl die um ein Mehrfaches größer sind als die Nagetiere, und fressen sie quasi bei lebendigem Leib auf. Die Tiere verenden meist erst, wenn der Blutverlust zu groß wird. Doch bei den Mäusen handelt es sich auch nicht mehr um die normalen Hausmäuse (Mus musculus), die wohl 1888 versehentlich auf der Atlantikinsel eingeschleppt wurden. Über die Generationen wurden die Nager langsam größer und wiegen mittlerweile doppelt so viel wie ihre Verwandtschaft in der ursprünglichen Heimat.
Diese Mäusegiganten gelten mittlerweile als größte Gefahr für die See- und Landvögel Goughs. Neben Albatrossen sind auf Gough auch viele andere Seevogelarten betroffen, wie Ben Dilley von der University of Cape Town und seine Kollegen berichteten: Schon wenige Stunden nach dem Schlüpfen töteten die Mäuse die mit Kameras überwachten Sturmvogel- und Sturmtaucherjungen – die Verlustraten betrugen zwischen 60 und 100 Prozent; geschätzte eine Million Küken werden jede Saison gefressen. Auf Dauer führen diese Zahlen selbst für langlebige Seevögel zum Aussterben, zumal manche der Arten ausschließlich auf Gough nisten wie der Tristanalbatros (Diomedea dabbenena) und der Hakensturmvogel (Pterodroma incerta). Auch die Gough-Ammer (Rowettia goughensis), ein nur hier vorkommender Singvogel, leidet unter der Plage.
Doch Abhilfe scheint endlich in Sicht: Ein Plan zur Bekämpfung der Mäuse wurde bewilligt, nachdem feststand, dass das Projekt erfolgreich verlaufen kann. Ab 2019 sollen auf der Insel Giftköder ausgebracht werden, um die Nagetiere letztlich auszurotten. Gefördert und durchgeführt wird das Vorhaben von der britischen Regierung – Gough ist ein Überseeterritorium –, der National Fish and Wildlife Foundation sowie der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), wie die Organisation in einem Blog schreibt. Seit dieser Woche befinden sich drei RSPB-Mitarbeiter auf dem Weg nach Gough, um in den kommenden 13 Monaten die Mäusebekämpfung vorzubereiten.
Dieses Unterfangen ist nicht einfach, denn Gough gehört zu einer der am weitesten vom Festland gelegenen und isoliertesten Inseln der Erde: Der nächste größere Hafen liegt in Südafrika, 2800 Kilometer entfernt. Jegliches Material muss per Schiff herantransportiert und über steile Klippen auf das Eiland gehievt werden. Zudem bewohnen nur einige Meteorologen Gough dauerhaft. Wetter und steiles Gelände erschweren zusätzlich die Arbeit, denn die Insel liegt mitten in der südatlantischen Westwindzone: Stürme und Dauerregen treten regelmäßig auf. Problematisch ist auch die Anpassung der Mäuse an das saisonale Nahrungsangebot: Im Gegensatz zu anderen Regionen, in denen Mäuse oder Ratten Inselarten gefährden, sind die Nager auf Gough im Winter sogar oft noch besser genährt als im Sommer – sie stürzen sich also vielleicht weniger bereitwillig auf angebotene Köder, weil sie nicht so stark unter Hunger leiden. Und folglich geht ihr Bestand auch weniger stark zurück als auf anderen Inseln, auf denen die Tiere erfolgreich und vollständig dezimiert wurden.
Umgekehrt haben Ökologen immer mehr Erfahrungen mit schwierigen Ausrottungskampagnen. Selbst auf der großen subantarktischen Insel Südgeorgien, wo das Wetter noch rauer ist, wurden Ratten erfolgreich bekämpft. Die beteiligten Wissenschaftler sind daher ebenfalls zuversichtlich, was Gough betrifft. Einen Lichtblick kann die RSPB schon für 2017 vermelden: Die Tristanalbatrosse können auf die erfolgreichste Brutsaison seit mindestens einem Jahrzehnt zurückblicken – wenn die Jungvögel nach Jahren auf hoher See wieder in ihre Heimat zurückkehren, ist sie dann hoffentlich mäusefrei.
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